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Deutscher Außenminister in IsraelViel Kontinuität und etwas sanfte Kritik

Johann Wadephul (CDU) trifft in Israel auch Geiselangehörige. Einen Bruch des Völkerrechts durch das Aushungern des Gazastreifens sieht er nicht.

Johann Wadephul (CDU), Außenminister, besucht die Gedenkstätte Yad Vashem Foto: Michael Kappeler/dpa

Jerusalem taz | Mit Fragen wollte der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) zu seinem Antrittsbesuch in Israel reisen. Etwa nach dem „strategischen Ziel der seit März wieder intensivierten Kampfhandlungen“ vor dem Hintergrund der von Israel angekündigten militärischen Besetzung des Gazastreifens. Oder zum Verhältnis der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson und der internationalen Rechtsordnung, der Deutschland „besonders verpflichtet“ sei.

Angesichts der seit mehr als zwei Monaten dauernden vollständigen Blockade von Hilfslieferungen mehren sich international die Vorwürfe eines Kriegsverbrechens. Antworten aber blieb ihm sein ­israelischer Amtskollege Gideon Saar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Sonntag in Jerusalem weitgehend schuldig.

Für die Fortsetzung des Kriegs in Gaza sei ausschließlich die Hamas verantwortlich, die noch immer 59 israelische Geiseln festhalte, erklärte Saar. Ein Ende der Angriffe ohne die Zerstörung der Hamas sei für Israel nicht hinnehmbar. Wie nach 19 Monaten Krieg in Gaza die angekündigte Ausweitung der is­rae­lischen Militäroffensive dieses Ziel erreichen soll, ließ der Minister unbeantwortet.

Wadephul nutzte das Treffen für vorsichtige Kritik: Er habe Zweifel am militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen: „Ich bin nicht sicher, ob damit alle strategischen Ziele erreicht werden können und ob das langfristig der Sicherheit Israels dient“, sagte der Minister. Seine Regierung plädiere für einen Waffenstillstand. Er habe aber großes Verständnis für Israels Blockade, die eine Instrumentalisierung von Hilfslieferungen durch die Hamas verhindern solle.

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Weiterhin militärische Unterstützung

„Wir werden Israel weiter tatkräftig unterstützen“, sagte Wadephul. Das gehe vor allem militärisch, auch wenn es letztlich eine politische Lösung brauche. Saar nannte die neue Bundesregierung im Gegenzug einen „echten Freund Israels“ und erklärte, sein Amtskollege habe ihn zu einem Besuch in Berlin Anfang Juni eingeladen.

Auch bei weiteren Themen sprach Wadephul die Leitlinien seiner Regierung für eine Befriedung der Region an, die weitgehend für Kontinuität sprechen: Für eine politische Lösung sei die Palästinensische Autonomiebehörde „kein einfacher, aber der einzige Partner“. Auch im Westjordanland bräuchten die Menschen Perspektiven: ein Hinweis auf die zunehmende Gewalt in dem von Israel besetzten Gebiet, wo Operationen der Armee Zehntausende Menschen vertrieben haben und die Gewalt durch radikale Siedler stetig eskaliert.

Auch mit Blick auf Syrien äußerte Wadephul sachte ­Kritik: In dem Nachbarland gebe es eine „Chance auf Frieden“. Es sei wichtig, dass Syrien seinen Prozess selbst gestalten könne. Die is­rae­lische Armee hält seit Monaten breite Landstriche auf syrischer Seite besetzt und fliegt regelmäßig Luftangriffe auf Ziele in Syrien. Er begrüßte einen amerikanisch-israelischen Plan für humanitäre Hilfe durch eine private, von den USA gestützte Hilfsorganisation. US-Botschafter Mike Huckabee hatte den Vorschlag am Freitag vorgestellt.

Besuch von Geiselangehörigen als erster Termin

Er soll trotz der katastrophalen Versorgungslage in Gaza zunächst lediglich 60 Prozent der rund zwei Mil­lio­nen Menschen in Gaza zugutekommen. Die Vereinten Na­tio­nen und Hilfsorganisationen lehnen den Plan ab: Er befördere die Vertreibung der Bevölkerung und entspreche nicht den Grundsätzen der humanitären Hilfe. Wadephul unterstrich die Verpflichtung, dass diese unabhängig und neutral sein müsse.

Ungewöhnlich deutlich widersprach er der wachsenden Kritik, Israel breche durch das Aushungern des Gazastreifens humanitäres Völkerrecht: „Indem die israelische Seite diesen Schritt jetzt geht, ist klar, dass man Israel völkerrechtswidriges Verhalten nicht vorwerfen kann.“ Jüngst hatten die Niederlande eine Prüfung gefordert, ob Israel noch an den menschenrechtlichen Grundprinzipien des Assoziierungsabkommens mit der EU festhalte.

Als Botschaft an die Regierung in Jerusalem mag auch zu verstehen gewesen sein, dass Wadephuls erster Termin in Israel am Samstag keinem Regierungsvertreter, sondern den Angehörigen der noch in Gaza gefangenen Geiseln galt. „Es ist die oberste Priorität für mich und meine Regierung, uns um ihre Liebsten zu kümmern“, hatte der Minister dort gesagt. Isreals Regierungschef Benjamin Netanjahu räumte letzthin mehrfach der Zerschlagung der Hamas als Kriegsziel Prio­rität ein.

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8 Kommentare

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  • Dieses ‘nie wieder’ hat wirklich eine bizarre Definition. Letzte Woche Kränze für alle Opfer des Krieges und heute wird für absolute Zerstörung des Gaza-Streifens und der WestBank mobilisert ohne jegliche politische Reflektionen. Israel bombardiert Syrien, Yemen und hofft auf Zustimmung der US den Iran jetzt zu bombadieren. Das zeigt nun mal das, dass das Argument die Hamas auszurotten nur Schein ist, und das andere Faktoren in der Überhand sind.



    Dieses Wochenende hatte der Guardian einen Special Report dazu veröffentlicht, und auch der Regisseur Theroux hat dazu Stellungnahme genommen, nachdem seine Doku über die Situation in der Westbank letzte Woche erschienen ist.

  • Unsere Großeltern und Urgroßeltern, die in einer Diktatur lebten, mußten später harte Fragen anhören: was sie wußten, wie sie das zulassen könnten. Aber es ist nicht leicht, in einer Diktatur zu widerstehen.

    Aber welche Entschuldigung werden denn diese Politiker später von sich geben?!

  • "Er habe aber großes Verständnis für Israels Blockade, die eine Instrumentalisierung von Hilfslieferungen durch die Hamas verhindern solle." Mich regt das wirklich auf, dass dies immer so geschrieben wird, aber bis heute wie schön öfter keine Beweise dafür vorgelegt wurden, dass dies in großem Umfang passiert ist! "Rebutting Israeli allegations that aid reaching Gaza has been diverted by militant groups, both Ms. Touma and UN World Health Organization (WHO) spokesperson Dr. Margaret Harris described “end-to-end” systems put in place to counter this risk. “Our supplies are reaching the health facilities they’re meant to serve,” said Dr. Harris, adding that the UN health agency had not witnessed any aid diversion within the health care system.“It is not about failure of aid delivery within Gaza. It is about not being allowed to bring it in,” Dr. Harris concluded." news.un.org/en/story/2025/05/1163071



    Und der jetzige Plan soll auch frühestens erst Mitte Mai in Kraft treten, bis dahin wird es vor allem für viele Kinder längst zu spät sein. Aber nein ist ja kein Kriegsverbrechen. Einfach nur schändlich und sträflich wie sich die dt. Regierung dazu verhält.

  • Solange die sogenannten Palästinenser-Freunde nicht die Auflösung und den Abzug der Hamas aus dem Gaza- Streifen fordern, kann man sie sowieso nicht ernst nehmen.

  • Man muss schon blind sein, um KEINEN Bruch des Völkerrechts durch das Aushungern des Gazastreifens zu sehen. Und über 52.000 tote Männer, Frauen und Kinder, wovon wohl nur ein geringer Teil Hamasterroristen sind, spricht auch eine eigene Sprach. Dann der Vertreibungsplan. Aber klar, lieber vertuscht man Völkerrechtsbruch als dass man das menschenrechtswidrige Handeln Netanjahus kritisiert. Das wäre KEIN Antisemitismus!

  • „Wir werden Israel weiter tatkräftig unterstützen“ "Das gehe vor allem militärisch"

    Vollkommen unmöglich in meinen Augen, auch die Einladung. Man macht sich mitschuldig an einem Völkermord und an ethnischen Säuberungen. Und die Phrase ein „echter Freund Israels“ wirkt auf mich regelrecht lächerlich. Wer Israel wirklich helfen wollte, dürfte diese Regierung auf keinen Fall weiterhin unterstützen. Denn, das was Isr. in Gaza und in ähnlicher Tendenz auch im WJL anrichtet, zerstört nicht nur palästinensische Leben, es zerstört auch Israel. In 10-20 Jahre wird man ganz anders darauf schauen. Diese Politik führt mindestens zu einem ideellen Ende des Staates Israel - die Soft Power auf int. Bühne, zerrüttet. Es ist zum Haare raufen. Mithin ist die Unterstützung dieser Regierung in meinen Augen das exakte Gegenteil von "Hilfe" oder "Freundschaft". Wirkliche, echte Freundschaft würde sich darin zeigen, die Dinge aus- und anzusprechen und Israel dabei zu helfen nicht zu einem völkermordenden Staat zu werden - dass ausgerechnet D. dies nicht tut ist unverzeihlich. Was hier geschieht ist peinliches Herumdrucksen und Beihilfe zu einem Desaster. In meinen Augen die schlimmst mögliche Politik!

    • @Einfach-Jemand:

      Volle Zustimmung. Aber es geht darüber hinaus. Deutschland hat sich vom Völkerrecht verabschiedet und entfernt sich (nicht nur damit) vom Rechtsstaat.

      Die absurdesten Vorwürfe der Schwurbler und Antidemokraten werden Schritt für Schritt wahrer.

  • Zitate Wadepul:

    "„Wir werden Israel weiter tatkräftig unterstützen“, sagte Wadephul. Das gehe vor allem militärisch, auch wenn es letztlich eine politische Lösung brauche"

    "Ungewöhnlich deutlich widersprach er der wachsenden Kritik, Israel breche durch das Aushungern des Gazastreifens humanitäres Völkerrecht: „Indem die israelische Seite diesen Schritt jetzt geht, ist klar, dass man Israel völkerrechtswidriges Verhalten nicht vorwerfen kann."

    Also wenn man es etwas überspritzt formuliert:

    Israel auch militärisch unterstützten und in Abrede Stellen das schwere Verbrechen gegen die Menschheit staatfinden -- vor allem ein Verfahren wegen Völkermord anhängig ist.



    (ICJ Verfahren wegen Verstößen gegen die Völkermord-Konvention, ICC -Haftbefehle u.a. wegen Verbrechen gegen die Menschheit)

    Wir brauchen uns nicht darüber wundern das niemand auf der Welt bereit ist sich von uns irgendwelche Vorträge über "Völkerrecht" und "Regelbasierte Ordnung" an-zu-höhren.