Deutsche in Lagern in Syrien: Outgesourct an die Kurden
Im Nordostsyrien sitzen Zehntausende in Lagern fest. Viele sind Islamisten, nicht wenige Deutsche. Sie nicht hierher zu holen, ist unverantwortlich.
S elten haben sich Fehlentscheidungen in Deutschland so offen gezeigt wie jüngst. Da fehlten Masken, weil wir von China abhängig waren, da müssen wir die Heizung runterdrehen, weil wir partout nicht auf russisches Gas verzichten wollten. Auch unsere Syrienpolitik könnte ein böses Erwachen zur Folge haben.
Im Nordostsyrien sitzen Zehntausende in Lagern fest – ohne Prozess, ohne Verurteilung, teilweise willkürlich inhaftiert. Viele sind militante Islamist*innen, mutmaßlich schuldig. Sehr viele andere sind Kinder, die auf dem besten Weg sind, kriminell zu werden, sich zu radikalisieren, zu verrohen. Nicht wenige sind Deutsche.
Was tun wir? Wir outsourcen das Problem und verlassen uns auf die syrischen Kurden, sie sollen uns die Leute vom Leib halten. Deren Milizen haben ja schon im Kampf gegen den IS gute Dienste geleistet, als ihre Bodentruppen 2019 die Drecksarbeit erledigten, während eine von Deutschland unterstützte Militärallianz aus der Luft bombardierte.
Nichts zu tun kann noch einige Zeit gut gehen. Vielleicht aber auch nicht: Die Lage in der Region ist volatil. Nordostsyrien ist kein Staat, die „Selbstverwaltung“ ist ein nichtstaatlicher Akteur ohne Anerkennung, ohne Strafgewalt. Zudem ist sie in einen militärischen Konflikt mit der Türkei verwickelt. Eine Eskalation kann jederzeit dazu führen, dass die Menschen aus den Lagern fliehen können und die Flucht antreten.
Das ist der sicherheitspolitische Aspekt. Auch nach rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Standards führt kein Weg daran vorbei, alle eigenen Staatsangehörigen – auch die Männer – zurückzuholen. Repatriieren, vor Gericht stellen und einsperren oder – im Zweifelsfall – freilassen. Das bedeutet viel Arbeit für die Ermittlungsbehörden, viel Erklärungsarbeit für die Politik, viel Deradikalisierungsarbeit und ja: auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Doch dieses gilt es abzuwägen: aus menschenrechtlicher Perspektive sowie im Vergleich zur hochriskanten jetzigen Dauerpseudolösung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml