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Deutsche Wohnen & Co enteignenSPD trommelt für Mietendeckel – statt Enteignung

Vorschlag mit schwarz-rotem Zoffpotenzial: SPD will Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz vorlegen, mit dem Mieten gedeckelt werden sollen.

Deckel drauf: SPD-Fraktionschef Raed Saleh Foto: Imago/M. Popow

Berlin taz | Die Berliner SPD-Fraktion startet einen erneuten Anlauf für einen Mietendeckel – und setzt dabei ausgerechnet auf den Vergesellschaftungsparagrafen 15 des Grundgesetzes. Am Freitag stellt die Partei einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, wie der Spiegel zuerst berichtete. Demnach ist das Ziel des Gesetzes die „unmittelbare Deckung eines öffentlichen Bedarfs der Daseinsvorsorge“. Das Gesetz könne auch in den Bereichen Energie, Wasser und Wärme angewendet werden.

Konkret will die SPD einen Entwurf für ein „Rahmengesetz“ vorstellen, das künftige Vergesellschaftungen regeln soll. Das ist für sich keine Überraschung. Erst kürzlich hatten CDU und SPD die Eckpunkte für ein solches Gesetz vorgelegt. Neu ist jedoch, dass die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen nun offenbar über den Artikel 15 auch offiziell nicht mehr die Enteignung von Wohnungskonzernen anstreben – sondern einen neuen Mietendeckel.

Artikel 15 des Grundgesetzes erlaubt, „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ zum „Zwecke der Vergesellschaftung“ gegen Entschädigung „in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ zu überführen. Statt Wohnungskonzerne „in Gemeineigentum“ zu überführen, will die SPD jetzt über den Passus „andere Formen der Gemeinwirtschaft“ neue Preisregulierungen, etwa von Wohnraum, ermöglichen.

„Die Vergesellschaftung ermöglicht den Bundesländern eine soziale Marktregulierung, auch ohne Enteignung“, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Über Artikel 15 könne das Land die Gewinnmaximierung von Immobilienkonzernen und ihr marktorientiertes Verhalten beschränken – etwa in Form eines „Preisdeckels“ für „alle Vermieter für fünf Jahre“.

Widerspruch vom Koalitionspartner

Da mit Artikel 15 neuer rechtlicher Boden betreten wird, könne nach Ansicht der SPD die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umgangen werden. Dieses hatte 2021 den Berliner Mietendeckel gekippt und dabei argumentiert, dem Land fehlten dafür die gesetzgeberischen Kompetenzen.

Der Verstoß hat das Potenzial, für Streit in der schwarz-roten Regierungskoalition zu sorgen. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sagte auch gleich, das geplante Rahmengesetz sei „nicht für einen Mietendeckel gedacht“ – und fügte hinzu, einen solchen werde es „mit der CDU nicht geben“. Es ist also offen, inwiefern ein solches Rahmengesetz überhaupt zusammen mit der CDU verabschiedet werden kann.

In jedem Fall könnte die SPD mit dem Vorstoß das Thema „Mietendeckel“ im kommenden Wahlkampf offensiv angehen – um damit auch Grüne und Linke unter Druck zu setzen. Schon auf dem jüngsten Landesparteitag hatten die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen vor allem auf die Komplexe Mieten und Wohnen gesetzt.

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen übte prompt heftige Kritik. Von einem „verfassungsrechtlichen Amoklauf“ sprach Sprecher Achim Lindemann. Die SPD verfolge offenbar „das Ziel eines provozierten Scheiterns vor den Verfassungsgerichten“.

Ein Mietendeckel könne schon deshalb nicht als Vergesellschaftung bezeichnet werden, weil sich durch bloße Preisgrenzen nicht die grundsätzliche Wirtschaftsweise ändere, sagte Lindemann. Auch habe das Land weiter keine gesetzgeberische Kompetenz für einen Mietendeckel. (mit dpa)

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