Deutsche Stiftungen durchsucht: Putin lässt prüfen
In Russland kontrollieren Behörden seit mehreren Tagen Nichtregierungsorganisationen. Nun wurden auch deutsche Stiftungen gefilzt.
MOSKAU taz | Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Sankt Petersburg bekam am Dienstag unerwarteten Besuch. Beamte der Staatsanwaltschaft und Fahnder der Steuerbehörde standen plötzlich vor der Tür. Sie waren jedoch höflich und gaben einen Fragenkatalog zu Mitarbeitern und Programm der Stiftung ab. Außerdem forderte sie einen Vertreter der KAS auf, bei der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Vor zehn Tagen schon hatten Moskauer Staatsanwälte und Steuerfahnder die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ins Visier genommen.
Bei der FES ließen sich die Kontrolleure stundenlang Dokumente zeigen, dort soll es etwas ruppiger zugegangen sein. Auch die FES wurde von der Staatsanwaltschaft einbestellt. Beide Stiftungen vermieden es, die Durchsuchungen an die große Glocke zu hängen. Wohl um ungestört weiterarbeiten zu können. Am Dienstag meldete sich jedoch der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering zu Wort: „Diese Behinderung unserer Arbeit kann auch zu einer Belastung unserer Beziehungen mit Russland führen“.
Jens Siegert von der Böll-Stiftung in Moskau wies daraufhin, dass es sich um keine Razzien gehandelt habe, sondern um Prüfungen im Rahmen des Gesetzes über Nichtregierungsorganisationen. Die Böll-Stiftung wurde bislang verschont. „Wir sind unsere Bücher noch mal auf Flüchtigkeitsfehler hin durchgegangen“, sagt Siegert. Mehr könne man nicht tun.
Dennoch handle es sich weniger um Routineprüfungen denn um Einschüchterungsversuche. Die Arbeit der westlichen Stiftungen ist Kremlchef Wladimir Putin seit langem ein Dorn im Auge. Er hält die Niederlassungen für Agenturen, die nur im Lande sind, um an seinem Sturz zu arbeiten. Der Kremlchef hat sich von seiner Geheimdienstvergangenheit nie befreien können.
2.000 durchsuchte Einrichtungen
Bislang richtete sich das Misstrauen indes mehr gegen britische und US-Einrichtungen. Die deutschen galten als umgänglich. Die eigentlichen Adressaten der Durchsuchungen sind denn auch die russischen Partner der ausländischen Stiftungen. Seit Wochen läuft eine Aktion gegen zivilgesellschaftliche Einrichtungen landesweit. Bis zu 2.000 wurden seit Anfang März bereits untersucht.
Letzte Woche war es die bekannte Moskauer Menschenrechtsorganisation Memorial, die von Beamten der Staatsanwaltschaft und einem Fernsehteam des denunziatorischen TV-Kanals NTW im Schlepptau heimgesucht wurden. Montag folgte das Moskauer Büro von Amnesty International. Die plötzliche Umtriebigkeit der Behörden geht auf eine Anordnung Kremlchef Putins zurück. Der hatte im Sommer ein Gesetz verabschieden lassen, wonach sich russische, vom Ausland mitfinanzierte NGOs als „ausländische Agenten“ registrieren lassen sollten. Seit November ist das Gesetz in Kraft, ohne dass sich eine einzige NGO die Zuschreibung „Agent“ zugelegt hätte.
Überdies hatte das Justizministerium Zweifel laut werden lassen, dass sich das Gesetz in vorliegender Fassung umsetzen ließe. Es stünde sogar in Widerspruch zur sonstigen Gesetzgebung. Jurist Putin beschwerte sich daraufhin beim Geheimdienst und seitdem sind die Häscher unterwegs. Aus der Masse der konfiszierten Dokumente lasse sich genügend Material finden, das sich gegen unliebsame NGOs im Bedarfsfall auch verwerten ließe, vermutet ein Aktivist.
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