piwik no script img

Deutsche Panzer im Ensatz gegen KurdenGuerilla statt Panzerschlacht

Die Türkei setzt in Syrien deutsche Panzer ein. Woher hat sie die? Warum will sie sie nachrüsten? Und was passiert, wenn Deutschland nicht zustimmt?

Die alternden Leopard-Panzer der türkischen Armee sollen am Unterboden verstärkt werden Foto: dpa

Warum hat die Türkei überhaupt deutsche Panzer?

Deutschland verkauft seit Jahrzehnten Kriegsgerät an den Nato-Partner Türkei. Die Leopard-2-Panzer, die die türkische Armee jetzt in Nordsyrien einsetzt, stammen aus alten Bundeswehrbeständen. Ihren Verkauf an die Türkei bahnte 2004 die damalige rot-grüne Bun­desregierung an. Vor allem die Grünen sahen Rüstungsexporte an die Türkei zwar kritisch, ­Befürworter des Geschäfts argumentierten aber mit der ­Annäherung der Türkei an die EU und vermeintlichen Fortschritten in der Menschenrechtspolitik. Bis zum Jahr 2011 lieferten verschiedene Bundesregierungen schließlich 354 der Panzer.

Taugen diese Panzer ohne Nachrüstung denn zu nichts?

Doch. Entwickelt wurde der Leopard 2 aber in den 1970er Jahren, mitten im Kalten Krieg also. Realistischstes Einsatzszenario war damals die Panzerschlacht in der norddeutschen Tiefebene: rechts Panzer des Warschauer Pakts, links Panzer der Nato. Wichtig war dafür die Panzerung im Frontbereich. Für Guerillakriege mit Minen und Raketen aus dem Hinterhalt war der Leopard 2 aber ursprünglich nicht vorgesehen.

Worin besteht die Nachrüstung?

Vermutlich interessiert sich die Türkei für ein Nachrüstungspaket des Rheinmetall-Konzerns. Das Unternehmen bietet verschiedene Module an: Ein stabilerer Unterbau kann zum Beispiel gegen Minen schützen. Eingebaute Nebelgranaten können den Panzer innerhalb einer halben Sekunde im Dunst verstecken. Und Panzerfaustangriffe werden abgewehrt, in dem der Leopard feindliche Geschosse automatisch noch in der Luft mit eigenen Sprengkörpern zerstört.

Wie geht die Sache jetzt weiter?

Die Nachrüstung gilt rechtlich wahrscheinlich als Rüstungsexport und muss durch die Bundesregierung genehmigt werden. Zuständig dafür ist der Bundessicherheitsrat, in dem nur ein Teil der Minister sitzt und der geheim tagt. Genehmigt er das Geschäft, muss er anschließend den Bundestag informieren. Die Genehmigung würde so innerhalb weniger Wochen auch öffentlich bekannt.

Und was, wenn Deutschland die Lieferung nicht genehmigt?

Dann müsste die Türkei zumindest vorerst auf besseren Schutz für ihre Leopard-Panzer verzichten. Langfristig plant Ankara aber sowieso, einen eigenen Kampfpanzer zu entwickeln. Projektname: Altay. Die Ausschreibung dafür läuft bereits, ein türkisches Partnerunternehmen von Rheinmetall bewirbt sich um den Auftrag. Beide Firmen könnten den türkischen Panzer in einem Joint-Venture in der Türkei bauen. Eine Genehmigung der Bundesregierung wäre nur nötig, wenn Rheinmetall dafür technisches Know-how aus Deutschland verwendet.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Deutschland wird nicht nur mit diesen Panzern zur Kriegspartei in Nordsyrien. Die deutsche Regierung wagt es nicht, Erdogan und die AKP-Regierung ernsthaft zu verurteile für die Verbrechen, die sie bereits seit Jahren gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land begeht. Statt aufgrund der lange bestehenden anti-demokratischen, diktatorischen und äußert repressiven Politik alle Beziehungen abzubrechen, macht sie die deutsche Regierung zum Handlanger der Türkei und verfolgt auch in Deutschland kurdische Politiker*innen und Aktivist*innen mit Hausdurchsuchungen, Organisationsverboten und Strafprozessen. Sie erbietet beispielsweise auch die Symbole der YPG und YPJ, die erfolgreich gegen den IS kämpfen und einen demokratischen, geschlechterbefreiten und ökologischen Neuaufbau einer Selbstverwalteten Region in Nordsyrien verteidigen.

     

    Es ist notwendig, dass sich die UN, die EU, die Bundesregierung, die Anti-IS-Koalition klar gegen die Angriffe auf Afrin positionieren und Druck auf die AKP-Regierung auszuüben, die völkerrechtswidrigen Angriffe sofort einzustellen.

     

    Medico international sammelt Unterschriften gegen den Panzer-Deal und alle Waffenlieferungen an die Türkei: //tatortkurdistan.blogsport.de/2018/01/22/medico-startet-online-petition-kein-panzer-deal-mit-der-tuerkei/ Noch vor der entscheidenden Sitzung der Staatssekretäre über Rüstungsexporte wird medico international die Unterschriften überreichen, um den Deal zu verhindern.

     

    Internationale AkademikerInnen und MenschenrechtsaktivstInnen haben eine Resolution verfasst gegen den Angriff auf Afrin: //civaka-azad.org/lasst-afrin-nicht-zu-einem-zweiten-kobane-werden/ Für die Unterzeichnung (auf Englisch) an rojavacontact@gmail.com schreiben.

     

    Das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V. (Düsseldorf) hat eine Erklärung "Keine deutschen Waffen in die Türkei" verfasst: https://anfdeutsch.com/frauen/ceni-keine-deutschen-waffen-an-die-tuerkei-1723

     

    Wir können alle etwas tun und sollten das auch.

  • Danke. Endlich mal ein Artikel, der mehr enthält als nur 'ne Meinung.

    • @mowgli:

      jep! Da wird einem der Zusammenhang verständlich.