Deutsche Katar-Politik: Wie eine Fata Morgana in der Wüste
Alles sollte wertegeleitet sein, der Fußball, die Fortbewegung, das Essen. Aber gibt es so etwas wie eine wertegeleitete Rüstungsexportpolitik?
V ielleicht liege ich ja falsch, aber bei mir ist der Eindruck entstanden, durch die Fußball-WM habe die deutsche Öffentlichkeit zum ersten Mal Kontakt zu den Katarern gehabt. Vorher war da offensichtlich nichts, zumindest nichts von Belang. Das ganz große Katar-Thema ist aufgeploppt wie eine Fata Morgana in der Wüste, was für die unendliche Kraft des Fußballs spricht. Da reichen die Wirtschaft, die Politik, die Kultur, andere Sportarten schon gar nicht heran, nicht mal ansatzweise. Aus dem Kontaktschulddilemma kommt jetzt kein fernreisender Europäer mehr heraus. Es sei denn, er mengt seinem Treiben das schöne Attribut „wertegeleitet“ bei. Das funktioniert in allen Bereichen.
Alles sollte wertegeleitet sein, der Fußball natürlich, das Schreiben, die Fortbewegung und das Essen. Wobei: Gibt es so etwas wie eine, nun ja, wertegeleitete Rüstungsexportpolitik? Ich frage nur, weil ich mir neulich, warum auch immer, die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren vorgenommen habe. Darin ist Katar eine feste Größe, nicht etwa die große Unbekannte, wie man ob der Katarisierung der Debatte im Jahr 2022 glauben könnte.
Unsere Werte verteidigen
Vor ziemlich genau neun Jahren war es die Bundesregierung von CDU/CSU und SPD, die mit Katar, wie die Zeit damals schrieb, den „größten Waffendeal der jüngeren deutschen Geschichte“ abschloss. Die Summe: 1,9 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 lief der Export dann ganz groß an: Kampfpanzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, Lkw, Geländefahrzeuge, Anhänger, Antennenmasten, Geländewagen mit Sonderschutz und Teile für gepanzerte Fahrzeuge wurden an den Golf geliefert. Wert: über 1,6 Milliarden. In den Folgejahren wurden kleinere Posten geliefert.
Interessant ist dabei, dass die SPD den Deal mit abnickte, jene SPD, die nun in Katar das Gesicht des Protestes ist. SPD-Innenministerin Nancy Faeser, auch zuständig für die Belange des Sports, trug in einem Stadion von Doha die „One Love“-Armbinde gegen Homophobie und für Vielfalt. Und der Fußballchef des DFB, der so engagiert auftritt wie ein skandinavischer Menschenrechtsbeauftragter, ist auch SPDler. Bernd Neuendorf war Landesgeschäftsführer der SPD in NRW, und von 2012 bis 2017 war der ehemalige Journalist Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kultur und Sport des Landes.
Offenbar werden unsere Werte auch am Golf verteidigt. Nur eben anders, als wir bisher dachten.
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