Deutsche Bank und Welthungerhilfe: „Professionelles Treffen ohne Folgen“
Wolfgang Jamann von der Welthungerhilfe ist enttäuscht. Eine Diskussion mit der Deutschen Bank über Lebensmittelspekulation blieb ergebnislos.
taz: Herr Jamann, kurz vor Ostern waren Sie bei der Deutschen Bank, um über Nahrungsmittelspekulation zu diskutieren. Wie war’s?
Wolfgang Jamann: Das Treffen war sehr professionell vorbereitet und ein offener Austausch. Wir haben uns nicht verschaukelt gefühlt.
Was kam heraus?
Das war das Problem: Es gab keine Konsequenzen. Fast vierzig Experten waren versammelt, die alle genug zu tun haben. Auch Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen hat einen Arbeitstag geopfert. Aber das Treffen blieb folgenlos. Das hat uns enttäuscht.
Die Deutsche Bank sagt, es gebe keine Beweise, dass Spekulation die Nahrung verteuert. Also investiert sie weiter in Weizen-Futures oder Rohstoff-Indexfonds.
Die Wissenschaftler sind sich tatsächlich nicht einig, welche Auswirkungen die Spekulation hat. Aber das ist kein Argument. Es muss das Vorsorgeprinzip gelten: Solange die Deutsche Bank nicht beweisen kann, dass ihre Spekulation absolut folgenlos ist, sollte sie die Hände davon lassen.
Ein weiteres Argument lautet: Die Spekulation sei notwendig, damit sich die Bauern gegen Ernterisiken absichern können.
Auf den Finanzmärkten wird inzwischen 30 bis 50 Mal so viel Geld in die Spekulation mit Nahrungsmitteln gesteckt wie an echten Lebensmitteln produziert wird. Das hat mit einer Absicherung für die Bauern nichts mehr zu tun.
53, ist Entwicklungssoziologe. Seit 2009 ist er Generalsekretär und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Welthungerhilfe.
Ein drittes Argument ist: Statt sich auf Spekulation zu konzentrieren, solle man lieber die Infrastruktur der Entwicklungsländer verbessern. Dann könnten die Kleinbauern die Märkte beliefern, was den Hunger viel effektiver bekämpfen würde.
Es freut mich, dass sich die Deutsche Bank neuerdings für die Bekämpfung des Welthungers interessiert. Das meine ich nicht ironisch. Natürlich gibt es viele Ursachen für den Welthunger. Aber selbst wenn die Spekulation nur fünf Prozent des Hungers verursachen würde, wären dies bei 840 Millionen Hungernden weltweit immer noch 40 Millionen. Und das sind 40 Millionen zu viel.
Wie groß wären die Verluste der Deutschen Bank, wenn sie die Spekulation mit Nahrungsmitteln beendet?
Die Bank behauptet, es sei kein großer Geschäftszweig. Also müsste es ihr leicht fallen, aus dem Portfolio auszusteigen – und ihr Image zu verbessern. Wir würden auch applaudieren.
Wird es noch ein Treffen geben?
Ich glaube nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja