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Deutsche Bahn nutzt PestizidGlyphosat-Giftspur durch die Republik

Die Deutsche Bahn setzt auf ihrem Streckennetz Glyphosat gegen Unkraut ein. Fast 50.000 Menschen richten sich mit einer Petition dagegen.

Garantiert unkrautfrei: Eine Bahnstrecke im Harz Foto: dpa

Berlin taz | Verschwörungstheoretiker*innen aufgepasst: Chemtrails gibt es wirklich. Nicht in den Kondensstreifen von Flugzeugen, wohl aber im Gleisbett. Die Deutsche Bahn sprüht das Pestizid Glyphosat zur Bekämpfung von Unkraut fast auf seinem gesamten Streckennetz aus. Auf 61.000 Kilometern an Schienen, „die sich wie eine Giftspur durch die ganze Bundesrepublik ziehen“, so heißt es in einer Online-Petition auf der Plattform SumofUs, die zum Ende der Spritzerei aufruft. Mittlerweile haben sie fast 50.000 Menschen unterschrieben.

Glyphosat ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO wahrscheinlich krebserregend. Nachweislich schädigt es die Artenvielfalt und bedroht vor allem Insekten und Vögel. Hersteller nun der Agrarkonzern Bayer, der am Donnerstag den US-Produzenten Monsanto endgültig geschluckt hat.

Die Deutsche Bahn, zu 100 Prozent Eigentum des Bundes, schreibt sich den Umweltschutz auf die Fahnen. Den Einsatz von Glyphosat hält sie aber weiterhin für nötig: Auf ihrer Internetseite gibt sie an, verschiedene nicht-chemische Verfahren seien „keine Alternative für Glyphosat. So dauere unter anderem die „Durcharbeitung deutlich länger und die Energiebilanz ist schlechter“. Die Bahn minimiert nach eigener Aussage den Einsatz von Glyphosat zumindest: „So wird Glyphosat u. a. nicht in Schutzgebieten und über offenen Gewässern sowie auf Brücken eingesetzt.“

Trotzdem ist der Konzern mit rund 65 Tonnen Sprühmenge im Jahr einer der größten Anwender von Glyphosat in Deutschland. Im Januar hatten schon die Grünen in einem offenen Brief an Bahn-Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz das Ende der Praxis gefordert, vor allem mit Hinweis auf das Artensterben am Gleisbett. In ihrer Reaktion betonte die Bahn wie zuvor, sie suche nach Alternativen, minimiere den Einsatz, brauche das Pestizid aber nach wie vor.

Dabei geht es auch anders: Die österreichische Bundesbahn hat bereits Ende 2017 angekündigt, binnen fünf Jahren komplett auf Glyphosat zu verzichten. Dann läuft auch die Zulassung für Glyphosat in der EU aus. Viele Beobachter*innen rechnen damit, dass sie nicht verlängert wird.

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9 Kommentare

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  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Sie hatten offenbar noch nie etwas mit Pflanzen zu tun.

    Auf jeder offenen Fläche, sei es auf lehmigem Brachland, in gebirgigen Felsregionen, in Ritzen zwischen Betonplatten oder auf fruchtbarem Ackerland siedeln sich Pflanzen und andere Organismen an, selbstverständlich auch auf geschotterten Gleisbetten.

    Abhängig von den biotischen (z.B. Konkurrenten in diesen Lebensgemeinschaften) und abiotischen Faktoren (Licht, Temperatur, Feuchtigkeut) sind das zunächst charakteristische Pionierpflanzen, die im Laufe einer Sukzession von nachfolgenden Zweit- und Drittbesiedlern abgelöst werden bis im Laufe der Zeit eine sog. Klimaxvegetation erreicht ist.

    In Mitteleuropa ist das am Ende (außer auf Extremstandorten, wie z.B. auf Dünen, Kiesbetten in Flüssen,...) im Normalfall eine Waldgemeinschaft.

    Auch andere Pflanzen als Bäume würden durch ihre Wurzeln den Aufbau des Gleiskörpers gefährden und letztlich zerstören.

    Die Bahn hat also keineswegs Mühe, lediglich mit ein paar Brennesseln.

    Der Artikel ist in seiner Einseitigkeit der Betrachtung kein Glanzstück des Journalismus. Mögliche Alternativen zu Glyphosat werden gleich gar nicht benannt oder besprochen, müssen aber natürlich diskutiert werden.

    Außerdem wäre es interessant zu erfahren, was man vor Glyphosat eingesetzt hat. Ich wette das war richtig giftiges Zeug.

    Schrebergärtner an Bahnlinien entlang sollten über all diese Dinge Bescheid wissen.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Ich finde den Artikel auch ziemlich schwach. Statt der Glyphosatanwendung zukünftig einfach nichts zu tun, ist keine Option. Mögliche Alternativen wären die Anwendung thermischer Verfahren wie Abflammen (Brandgefahr?) oder Heißwasser/schaum/dampf. Dabei ist jedoch auch mit einer Schädigung der gleisbettbewohnenden Arten wie Eidechsen, Insekten, etc, zu rechnen. Und der Energieaufwand wäre immens. Ob es trotzdem in der Gesamtbilanz positiv wäre, ist an anderen Stellen (Bundesbehörden wie Julius-Kühn-Institut, Umweltbundesamt) schon diskutiert worden, solche Informationen wären also prinzipiell zugänglich.

  • 4G
    42736 (Profil gelöscht)

    Irgendwie unverständlich, warum das Mittel auf Gleisen überhaupt nötig ist.

    Geht es nur um Optik ?

    Hat man Angst, ein ICE könnte entgleisen, weil er auf eine Brennessel trifft ?

    Sollte nicht das regelmäßige Befahren allein für eine Beseitigung alles Gewachsenen sorgen ?

    Fragen über Fragen.

    • @42736 (Profil gelöscht):

      Das Freihalten des Gleisbetts von Unkraut ist nötig, um das Funktionieren des Gleisbetts zu gewährleisten.

      Der Schotter hat mehrere wichtige Aufgaben: er muss Schwellen und Schienen in der richtigen Lage halten, die Kräfte die beim Befahren auf die Schienen wirken aufnehmen und verteilen, für Elastizität sorgen, Nässe abführen und gleichzeitig für Geräuschdämmung sorgen.

      Damit all dies möglich ist, muss das Schotterbett Hohlräume bieten und der Schotter muss scharfkantig sein. Wenn die Hohlräume durch Wurzeln oder Erde verschließen, verschlammt das Gleis. Nässe wird nicht mehr abgeführt, die Elastizität sinkt und das Gleis kann anfangen sich zu bewegen. Dies führt dazu dass Schotter stark abnutzt und weniger scharfkantig wird und er die feste Lage des Gleises nicht mehr halten kann. Gleichzeitig kann das Gleis absinken oder sich hochpumpen. Wenn dies passiert und es zu Gleisverwerfungen oder Absenkungen kommt, kann das Gleis nicht mehr mit der vorgesehenen Geschwindigkeit oder den gewünschten Lasten befahren werden, da ein Sicherheitsrisiko vorliegen würde. Gleise und deren Schotterbett werden hochbeansprucht und benötigen Pflege und regelmäßiger Erneuerung. Dazu gehört auch das Freihalten von Unkraut. Wie dies zu gewährleisten ist, ist bei Eisenbahnunternehmen ein großes Thema. Es gibt zwar Ersatzstoffe für Glyphosat, die jedoch ebenfalls giftig, extrem teuer und dabei vergleichsweise kaum wirkend sind. Auch darf Glyphosat heute im Gleisbereich schon nicht mehr so flächendeckend ausgebracht werden wie noch vor einigen Jahren, sodass die Unternehmen bereits händeringend nach Ersatz für Glyphosat suchen. Bislang konnte jedoch noch keine Alternative gefunden werden, die den Erfordernissen gerecht wird.

      • 4G
        42736 (Profil gelöscht)
        @Speicher3:

        Danke. Diese Erläuterung hätte in den Artikel gehört.

        • @42736 (Profil gelöscht):

          Mit der Zeit entstehen im Gleisbett durch Wurzelwerk Staunässe, Schlammstellen und Gleislagefehler. Dies erfordert eine Langsamfahrstelle, kürzere Intervalle der Gleisbettreinigung (derzeit 15-20 Jahre), viel mehr Behinderungen durch Sperrungen (Bauzeit). 1 Liter je Kilometer. Nicht mehr!

    • @42736 (Profil gelöscht):

      Was dieses Herbizid angeht: Man sollte es nach wissenschaftlichen Kriterien beurteilen.

  • "Die Deutsche Bahn sprüht das Pestizid Glyphosat zur Bekämpfung von Unkraut fast auf seinem gesamten Streckennetz aus. "

     

    Das ist ja nicht das Problem...

    Das Problem ist, das Gift bleibt da ja nicht. Regen, Wind,...

    so bekommen es nicht nur Bahnangestellte ab, sondern wir alle.

    • @danny schneider:

      Sobald das Mittel auf nicht-pflanzliches Material fällt, zerfällt es. Im übrigen wrten etwa 65 t auf 62.000 km Gleise versprüht, dort, wo etwas wächst. Nicht, wo nichts wächst. Das sind ca. 1 Liter je km. Nochmals: 1l je km. Der gößte Verbraucher ist die Landwirtschaft. Da geht es nicht um Sicherheit, sondern um Pfründe. Der zweitgrößte ist der Privatmensch. Leider gibt es keine Erhebungen, mit wieviel Hausbesitzer und Gärtner die Straßen, Wege und Plätze GRÜNDLICH mit diesen Mitteln pflegen. Diese Diskussion um Glyphosat und Eisenbahn, was das Verbot betrifft ist Diarrhoe.