Deutsche Bahn in der Dauerkrise: Schuldenberg wird immer größer
Im Fernverkehr fährt der Staatskonzern einen Verlust von mehr als 1 Milliarde Euro ein. Das liegt nicht nur an Corona.
Der Staatskonzern war schon vor der Pandemie völlig überschuldet, hat seine Züge aber im vergangenen Jahr trotz geringer Auslastung weitgehend weiterfahren lassen. Die Folge: 2020 verzeichnete die Deutsche Bahn immense Verluste, die Schulden sind um 5,7 Milliarden Euro auf mehr als 30 Milliarden Euro gestiegen. Für 2021 rechnet der Bahn-Vorstand mit einem Minus von 2 Milliarden Euro. Der Verlust von 1,4 Milliarden Euro, der zwischen Januar und Juni anfiel, ist aber niedriger als im ersten Halbjahr 2020, als das Minus bei 3,7 Milliarden Euro lag.
Vor allem im Fernverkehr verliert die Bahn viel Geld. Das Geschäft mit ICE und IC erbrachte im ersten Halbjahr sogar ein Minus von 1,1 Milliarde Euro. Für die Verluste sind aber auch strukturelle Ursachen wie das Festhalten an umstrittenen Großprojekten wie Stuttgart21 verantwortlich, nicht nur die Pandemie. Mit rund 430 Millionen Euro geht nicht einmal die Hälfte des Verlustes auf Corona zurück. Die Bundesregierung will der Bahn als Coronahilfe und im Zuge des Klimapakets Milliardenhilfen zur Verfügung stellen. Das muss aber die EU-Kommission noch genehmigen.
Die Zahl der Reisenden ist schwer vergleichbar, weil die Deutsche Bahn vor der Pandemie im Januar und Februar 2020 Rekordzahlen bei den Fahrgästen verzeichnete. Im Vergleich zum gesamten ersten Halbjahr 2020 ging die Zahl der Reisenden im laufenden Jahr zwischen Januar und Juni um 34 Prozent zurück. Seit April steigt sie aber wieder und liegt um 50 Prozent über dem Vorjahr.
Reservierungssystem bleibt coronakonform
Die ausbleibenden Fahrgäste hatten für die Deutsche Bahn in den vergangenen Monaten den Vorteil, dass sie nicht viel tun musste, damit sich die Fahrgäste sicher fühlten – solange der Betrieb reibungslos lief und es nicht aufgrund von Ausfällen zu vollen Zügen kam. Zurzeit liegt die Auslastung nach Angaben von Lutz bei 40 Prozent.
Das Reservierungssystem sieht vor, dass eine bestimmte Zahl an Plätzen frei bleiben muss. Ist die vorgesehene Auslastung erreicht, kann nicht mehr reserviert werden. Spontan Reisende können aber alle freien Plätze einnehmen. Das wird auch nicht anders, wenn die Züge in den kommenden Monaten wieder voller werden. „Wir haben keine Veranlassung, an unseren Regeln etwas zu ändern“, sagte Lutz. In Frankreich dürfen nur Reisende in einen Fernzug steigen, die genesen, geimpft oder negativ getestet sind. Das wird es in Deutschland nicht geben.
Auch die kommenden Monate werden für den Staatskonzern nicht leicht. Der Konflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL ist nach wie vor nicht beigelegt, es könnte auch noch Streiks geben. Die GDL wies am Donnerstag ein Gesprächsangebot der Bahn zurück. „Es handelt sich hierbei wieder nur um die x-te Neuauflage der sattsam bekannten Taktik Tarnen, Tricksen, Täuschen“, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. „Von seinem Ziel, die GDL zu eliminieren, ist der Arbeitgeber in Wahrheit keinen Millimeter abgerückt, weshalb wir die ohnehin unaufrichtige Offerte schriftlich zurückgewiesen haben.“ Bei der Bahn sind zwei Konkurrenzgewerkschaften aktiv. Mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat der Konzern bereits einen Tarifvertrag geschlossen. „Was es nicht braucht, ist der Versuch, die Belegschaft zu spalten, und der Versuch, mit Streiks den Aufwärtstrend zu gefährden“, sagte Lutz zu der Auseinandersetzung mit der GDL.
Bahnreform nach der Bundestagswahl
Ein weiteres Problem sind die dramatischen Schäden, die die Flutkatastrophe im Westen und Süden auch an Anlagen der Bahn angerichtet hat. Rund 600 Kilometer Schienen sind beschädigt, der Schaden beträgt rund 1,3 Milliarden Euro. „Der Wiederaufbau wird lange dauern, teilweise bis ins nächste Jahr“, sagte Lutz.
Angesichts der großen Probleme des Staatskonzerns ist eine Bahnreform nach der Bundestagswahl wahrscheinlich. Die Grünen und die FDP etwa fordern die Aufspaltung des Unternehmens, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Bahnkritiker:innen wie das Bündnis „Bahn für alle“, an dem 20 Organisationen wie Attac, Robin Wood und Gewerkschaften beteiligt sind, lehnt das ab. Die Aktivist:innen fürchten eine Verschlechterung durch mehr Wettbewerb auf der Schiene.
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