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Deutsch-polnische Beziehungen„Man erwartet von einer deutschen Regierung doch mehr“

Es fehle das Verständnis füreinander, sagt Krzysztof Ruchniewicz, Polens Beauftragter für die deutsch-polnischen Beziehungen. Dabei stünden die beiden Länder vor großen Herausforderungen.

Strammstehen in Krakau: Polnischer Soldat beim Gedenken zum 85. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 01.09.2024 Foto: Klaudia Radecka/imago
Interview von Gabriele Lesser

taz: Herr Ruchniewicz, Sie sind seit Juni in Polen für die deutsch-polnische Beziehungen zuständig. Löschen Sie da überall Feuer? Ruft Premier Donald Tusk Sie an und bittet darum, dass Sie den Streit mit Kanzler Olaf Scholz schlichten?

Krzysztof Ruchniewicz: Nein, ich bin zwar sehr nah am politischen Geschehen, aber was Kanzler Scholz und Premier Tusk am Telefon besprechen, etwa nach dem Anruf von Scholz beim russischen Diktator Wladimir Putin, weiß ich natürlich auch nicht. Für uns ist es unverständlich, dass Scholz sich vor seinem Gespräch über den russischen Vernichtungskrieg in der Ukrai­ne mit ­Verbündeten im Westen berät, Tusk aber erst im Nachhinein informiert. Wir sind Nachbarn der Ukraine. Hier sind schon mehrere fehlgeleitete Raketen reingeflogen. Wir sind Frontstaat.

Bild: RuPho/CC 3.0
Im Interview: Krzysztof Ruchniewicz

57, ist Historiker und seit Juni 2024 Beauftragter des polnischen Außen­ministeriums für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Sein Partner auf deutscher Seite ist der SPD-Politiker Dietmar Nietan. Zuvor leitete Ruchniewicz zwanzig Jahre lang das Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau in Niederschlesien.

taz: Dafür giftete Tusk nach der verheerenden Attacke auf ukrainische Strom- und Heizkraftwerke nur einen Tag nach dem Scholz-Putin-Gespräch, dass Telefondiplomatie Putin nicht stoppen werde.

Ruchnieiwicz: Ja, und dass Telefondiplomatie die tatsächliche Unterstützung der Ukraine durch den ganzen Westen nicht ersetzen könne. Aber da hat er doch recht, oder?

taz: Ja, natürlich. Aber der Ton macht den Unterschied. Tusk hat ja schon mehrere solcher Tweets auf der Plattform „X“ gepostet. Besser werden die deutsch-polnischen Beziehungen dadurch nicht.

Ruchniewicz: Das Problem liegt tiefer. Wir haben in den letzten acht Jahren, als die Nationalpopulisten in Polen regierten, unsere gemeinsame Sprache verloren. Wir reden aneinander vorbei und verstehen uns nicht mehr.

taz: Als Ende letzten Jahres die liberal-konservative Tusk-Koalition an die Macht kam, hofften viele auf einen Neustart in den Beziehungen der beiden Nachbarländer. Warum hat das nicht geklappt?

Ruchniewicz: Acht Jahre antideutsche Hetze in Polen hinterlassen ihre Spuren. Zumal auch Tusk immer wieder als angeblicher Verräter oder Nazi diffamiert wurde. Erst vor Kurzem hat PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński Premier Tusk wieder als „deutschen Agenten“ verleumdet. Zudem haben wir eine völlig neue Weltlage. Russland hat die Ukraine überfallen. Die sehr lange polnische Ostgrenze ist zugleich die Außengrenze von EU und Nato im Osten. Wir Polen müssen diese Grenze verteidigen. Das ist unsere Verantwortung als Nato-Staat. Denn es geht nicht mehr nur um unsere Sicherheit, sondern auch um die unserer Verbündeten im Westen. Eine Rückkehr zur deutsch-polnischen Diplomatie der Jahre 2007 bis 2015, als Tusk schon einmal Premier Polens war, ist unmöglich. Diese Zeit ist endgültig vorbei.

taz: Aber beide Seiten wollen doch den Neuanfang. Schon im Juli wurden die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen mit fast allen deutschen und polnischen Ministern in Warschau abgehalten. Und dann?

Ruchniewicz: Zunächst sah alles gut aus. Der deutsch-polnische Aktions­plan, der da verabschiedet wurde, ist eine Art „To-do-Liste“ für die nächsten Jahre. Wir wollen vor allem in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung enger zusammenarbeiten, aber auch in der Wirtschaft, der Klimapolitik und im grenzüberschreitenden Verkehr. Außerdem sollen die letzten noch lebenden Opfer des NS-Terrors eine symbolische Entschädigung erhalten. Da waren sich alle einig. Aber dann scheiterte das Ganze am Geld.

taz: Den angeblich 200 Millionen Euro für die polnischen Opfer?

Ruchniewicz: Genau. Einen Tag vor dem Besuch der deutschen Regierung in Warschau publizierte eine deutsche Tageszeitung den Betrag. In Polen war man wie vor den Kopf gestoßen. Das war nicht miteinander abgesprochen. Die Summe war wohl von den Deutschen in den Vorgesprächen mal genannt worden, aber wir hatten sie nicht bestätigt.

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taz: Weil sie zu klein ist?

Ruchniewicz: Es leben noch rund 60.000 polnische NS-Verfolgte. Das sind alles hochbetagte Menschen um die 90 Jahre. Diesen Menschen ist nicht zu vermitteln, wieso sie eine sehr viel niedrigere humanitäre Hilfe oder Rente bekommen sollen als die deutschen NS-Verfolgten. Polen sind keine Opfer zweiter Klasse.

taz: Was wäre denn aus polnischer Sicht eine akzeptable Summe?

Ruchniewicz: Ich bin kein Verhandlungsführer. Ich werde keine Zahlen nennen. Aber es wäre viel geholfen, wenn die Deutschen in größeren Zusammenhängen und möglichst konkreter denken würden.

taz: Können Sie ein Beispiel nennen?

Ruchniewicz: Ja: Wie viel wollen die Deutschen in welchem Zeitraum in die deutsch-polnische Sicherheit investieren? Wie viel Geld ist den Deutschen der Schutz der polnischen und damit der EU- und Nato-Ostgrenze wert? Welcher Betrag kann im Bundeshaushalt für die deutsch-polnische Energie- und Klimapolitik reserviert werden? Und sollte es nicht so sein, dass alle NS-Opfer – egal ob deutsche oder polnische – eine gleich hohe Opferrente erhalten?

taz: Da kommt ein sehr hoher Betrag zusammen. Ist das realistisch?

Ruchniewicz: Ja, aber wenn das auf EU-Ebene geht, dann erst recht bilateral. Nur müssten die Deutschen ein bisschen Tempo machen. Immerhin würde mit diesem großen Finanz­paket auch das leidige Reparations- und Entschädigungsthema abgeschlossen. Durch die langfristig angelegten Investitionen in die Sicherheit Polens und Deutschlands – ich meine jetzt Energie und Militär – kommt eine hohe Summe zusammen, die wir psychologisch brauchen. Nur eine hohe Summe ist in der Lage, die Bevölkerung auf beiden Seiten davon zu überzeugen, dass das Thema Reparationen und Entschädigungen über 80 Jahre nach Kriegsende endlich abgeschlossen ist.

taz: Aber ob das in Deutschland zu vermitteln ist? Was hat Energie- und Sicherheitspolitik mit Renten für NS-Opfer zu tun?

Ruchniewicz: Das große Finanz­paket würde Vergangenheit und Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen miteinander verschnüren. Man darf nicht vergessen, dass in Polen die von der PiS geforderte Reparationssumme in Höhe von 1,3 Billionen Euro sehr präsent ist. Auch die Mär von den Schecks in Höhe von jeweils 43.000 Euro, die der Bundeskanzler an jeden Polen und jede Polin verschicken würde (verbreitet in sozialen Medien in Polen; Anm. d.Red.), kursiert noch immer in der Gesellschaft. Was wir brauchen, ist nicht nur die Lösung dieses alten Konflikts, sondern auch ein neues Narrativ.

taz: Wie würde denn ein Narrativ für die Zukunft lauten?

Ruchniewicz: Wenn sich die Überzeugung durchsetzen würde, dass die Deutschen zwar nicht die von der PiS geforderten 1,3 Billionen Euro an Reparationen gezahlt haben, aber doch den noch lebenden NS-Opfern in Polen einen guten Lebensabend sichern und sehr viel in unsere gemeinsame Sicherheit investieren, hätten wir den Durchbruch geschafft. Dann könnten die Polen erneut Vertrauen zu den Deutschen fassen. Die hohe Summe würde zeigen, dass es den Deutschen wirklich ernst ist.

taz: Das klingt einleuchtend, aber genau dieser Neuanfang ist ja im Juli gescheitert. Und im Februar stehen in Deutschland Neuwahlen an. Macht es überhaupt Sinn, die Gespräche jetzt fortzusetzen?

Ruchniewicz: Ja, denn die Aufgaben, denen die Politiker sich stellen müssen, bleiben ja die gleichen. In den Ministerien befassen sich Beamte mit dem deutsch-polnischen Aktionsplan. Die können auch in der Zeit des Wahlkampfes konkrete Maßnahmen vorbereiten, die dann die neuen Minister umsetzen können. Der Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen muss kommen, egal ob das eine SPD- oder CDU-geführte Regierung sein wird. Die polnischen NS-Opfer sind hochbetagt. Sie können nicht länger warten.

taz: Was belastet die deutsch-polnischen Beziehungen derzeit am meisten?

Ruchniewicz: Die Sicherheit, auch gerade im Zusammenhang mit dem russischen Krieg in der Ukraine. Da hat Deutschland durch seine zögerliche Haltung seit 2022 sehr viel Vertrauen verspielt. Auch wenn Kanzler Scholz immer wieder behauptet, dass Deutschland nach den USA an zweiter Stelle unter den Ukraine-Unterstützern steht, erwartet man von einer deutschen Regierung doch mehr. Da bricht mitten in Europa ein Krieg aus, und Berlin will 3.000 Helme schicken. Gut, da sind wir inzwischen weiter. Aber nur eine deutsche Brigade in Litauen aufzubauen ist für unsere Region zu wenig.

taz: Was ist mit der Asyl- und Migrationspolitik? Dass Tusk den EU-Migrationspakt unterlaufen will, hat in Berlin für ziemliche Aufregung gesorgt.

Ruchniewicz: Das stimmt. Das ist ein weiteres schwieriges Thema zwischen unseren Ländern. Allerdings war es Deutschland, das als Erstes Kontrollen an den EU-Binnengrenzen eingeführt und damit einseitig das EU-Grundrecht auf Freizügigkeit für polnische Bürger eingeschränkt hat. Das dauert nun schon über ein Jahr.

taz: Was hat in dieser verfahrenen Situation Priorität für die deutsch-polnischen Beziehungen?

Ruchniewicz: Es wird an allen Themen gleichzeitig gearbeitet – zumindest unterhalb der Ministerebene. Aber für mich persönlich hat die humanitäre Hilfe für die letzten noch lebenden NS-Opfer Priorität. Die könnte auch eine deutsche Minderheitsregierung mit den Stimmen der CDU/CSU durch den Bundestag bringen. Außerdem sollte das „Polen-Denkmal“ im Zentrum von Berlin, also das Denkmal für die im Zweiten Weltkriegs von NS-Deutschland ermordeten polnischen Staatsbürger, so schnell wie möglich fertig werden. Dann könnten dort noch einige polnische Zeitzeugen einen Kranz für ihre Angehörigen niederlegen, bevor die nächste Generation das Gedenken übernimmt.

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17 Kommentare

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  • Ich weiß nicht, wie ein Entgegenkommen möglich sein soll, wenn im Grunde nur Forderungen (mögen sie in Teilen auch gerechtfertigt sein) stellt. Das klingt für mich weiterhin auch nur auf innenpolitische Ausnutzung abgezielt.

  • "Acht Jahre antideutsche Hetze"



    Und selbst jetzt dauernd Vorwürfe und Forderungen, so kann man nicht zusammen kommen.

  • Olaf Schol war nunmal im tiefsten Inneren Nationalist und nie ein wirklicher Europäer.



    Während Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel enge Beziehungen zu europäischen Nachbarn gepflegt haben, hat Olaf Scholz immer nur darüber gesprochen sich mit anderen abustimmen. Gehandelt hat er aber dann doch immer unabgestimmt.

    • @Andere Meinung:

      Sorry, I beg to differ.



      Kohl kann man wirklich viel vorwerfen, und 1990 brüskierte er bekanntlich Polen noch mitten während der Einigung, nur um die Bundestagswahl deutlicher zu gewinnen, doch (West-)Europa hatte er verinnerlicht, wie schon Adenauer oder Schmidt.



      Bei Schröder setze ich erste Fragezeichen, das musste damals oft Fischers Auswärtiges Amt glattziehen.



      Bei Merkel diagnostiziere ich sogar gravierende Verständnisprobleme für West- und Südeuropa. Sie war es, die Frankreich mehrfach brüskierte und Griechenlands Demokratie demonstrativ destruktiv demütigte.

      Ein guter Freund ist so ultrafrankophil wie bürgerlich-konservativ - den dürfte ich immer noch nicht auf Merkel ansprechen, ohne ein langes Schnauben zu ernten.



      Scholz hat für mich insofern mildernde Umstände, dass er eben gleich zwei Koalitionspartner abzustimmen hatte, er konnte immerhin aufgrund seiner Erfahrung in hohen Ämtern sofort loslegen.

      Nach vorne geblickt: Ich freue mich über die erste Person im Kanzler- oder Außenamt, die mal Englisch, Französisch und zumindest etwas Polnisch spräche, das wäre doch mal ein Symbol. Doch übertreiben wir nicht mit unseren Hoffnungen.

  • Verständnis?



    Eine nicht enden wollende Liste an Forderungen, die Deutschland zu erfüllen habe, sieht nicht nach Verständnis aus.

    Sowohl die leeren Kassen in Berlin, als auch die schwindende Bereitschaft für die Untaten früherer Generation haftbar gemacht zu werden, machen diese Forderungen unrealistisch. Aber die Ablehnung ist schon eingeplant.

    Das ist auch der polnischen Seite bewußt, hier geht es um die Positionierung der Regierung Tusk als aufrechte Vertreter polnischer Interessen, im anstehenden Präsidentenwahlkampf.

    Das nennt man Instrumentalisierung.

    • @Octarine:

      Warum sollte Deutschland einen Gewinn aus der Zerstörung und Ausbeutung Polens (oder anderer Länder) ziehen dürfen?



      Was da verwüstet wurde, ist nie auch nur ansatzweise finanziell kompensiert worden. Die Fläche ging netto nicht an Polen, sondern die Sowjetunion.



      Kein Verständnis für Jammerei über eine durchaus nachvollziehbare Forderung (anders als die PiS-er-Variante auch besser dargebracht).

      • @Janix:

        Von daher sollte sich Polen auch an den Rechtsnachfolger der Sowjetunion, Russland, wenden. Die DDR hat Reparationsleistungen in nie dagewesener Höhe geleistet, aus der auch Polen befriedigt werden sollte. Auch dies hat die Sowjetunion unterschlagen.

      • @Janix:

        Die damals Verantwortlichen sind tot. Diejenigen, die durch konkret zu identifizierende Firmen und Familien von den Untaten profitierten und profitieren, sind durch Politik mit dem notwendigen "Persilschein" gereinigt worden, jetzt war es das gesamte "Deutschland", oder es geschah in "deutschem Namen".

        Es gab aber nicht nur Täter und Mitläufer, sondern auch Unbeteiligte und Opfer, es gab auch Menschen, die Widerstand geleistet haben.

        Und heute gibt es Menschen, die mehrere Generationen später geboren wurden, die in dieses Land einwanderten.



        Alle sollen haftbar sein für solche Forderungen?

        Wer das fordert, braucht sich über Ablehnung und Unverständnis nicht wundern.

        Und bei der Lobhudelei für Adenauer und Kohl.



        Wer hat die Ostverträge abgelehnt, sich über Brandt und seinen Kniefall empört und die wahren Täter geschont?

    • @Octarine:

      Ruchniewicz hat in dem Interview ja deutlich gemacht, unter welchen innenpolitischen Zwängen die Regierung Tusk steht. Die kann das Thema Entschädigung ohne Selbstbeschädigung nicht einfach abräumen. Dass die PIS wieder an die Regierung gelangt, wiederum nicht in deutschem Interesse sein.



      Andererseits wird man auch in Warschau einsehen müssen, dass es eine Exklusiv-Regelung nur für die polnischen Opfer nicht geben kann, und sich jede deutsche Regierung umgehend mit gleichgerichteten Forderungen anderer Regierungen konfrontiert sähe. Auf einige Aspekte haben Sie ja zu Recht hingewiesen (Haushaltslage, historischer Abstand), hinzu kommt, dass vermutlich keine deutsche Zahlung eine mögliche nächste PIS-Regierung daran hindern wird, das Reparationsfass wieder ganz aufzumachen.



      Andererseits hat Ruchniewicz ja auch eine Reihe anderer Themen genannt. Da wiederum ist es insbesondere die SPD, die ihren historischen Ballast nicht loswird - siehe die Reaktion Steinmeiers auf die Rede von Marko Martin.

      • @Schalamow:

        Der "historische Ballast" sind die wenigen Akte außenpolitischer Selbstständigkeit deutscher Regierungen, im Besonderen der SPD.

        Die Deutschen tun sehr gut daran, die Lehren aus der Geschichte zu beachten, auch, dass von deutschem Boden keine Diktatur und kein Krieg mehr ausgehen solle.

        Daraus folgt auch, eine andere Politik, die Krieg, in all seinen Formen, als legitimes Mittel zur Gestaltung einer neoliberalen Weltordnung zu sehen.

        Polen kann das anders sehen, es ist ein Land mit einer anderen Geschichte. Auch mit einer anderen Beziehung zu Russland.

        Das sollte man voneinander trennen, besonders wenn man die Voraussetzungen für ein gemeinsames Zusammenleben schaffen muss.

        • @Octarine:

          Dass ich die konservativen Verantwortlichen als Kontrast zu den heutigen dort nannte und Schmidt und Brandt nicht auch, haben Sie im Eifer fehlbewertet.

          Am Hindukusch, im Irak, in Kosovo oder für Rohstoffe hätten deutsche Truppen wenig zu suchen. Zur Verteidigung im gemeinsamen Bündnis sehr wohl. Und Angegriffenen zu helfen - so einen krassen Angriffskrieg wie den Putins gab es selten zuletzt -, das ist das Löschen von Krieg. Das können wir genauso erkennen wie Polen.

        • @Octarine:

          Der historische Ballast, Marko Martin hat exakt das angesprochen, ist das systematische Ignorieren der osteuropäischen Staaten und deren Interessen in der sozialdemokratischen Sicherheits- und Außenpolitik. Seine Kritik wird auch von sozialdemokratischen Historikern geteilt www.tagesschau.de/...d-ukraine-100.html

          Im übrigen kann ich Ihren Ausführungen nicht so recht folgen. Von deutschem Boden geht derzeit kein Krieg aus, ich weiß auch nicht, wer hierzulande "Krieg (...) als legitimes Mittel zur Gestaltung einer neoliberalen Weltordnung" ansieht oder seine Politik gar danach ausrichtet. Olaf Scholz, Robert Habeck? Ernsthaft? Ich sehe derzeit nur ein Land in der Welt, dass in Umsetzung seiner imperialen Phantasien einen klassischen Eroberungskrieg führt.

          Ansonsten haben Sie recht. Wir haben "eine andere Beziehung" zu Russland. "Wir" haben zusammen mit Russland Polen viermal unter uns aufgeteilt. Die Beute aus der letzten Teilung hat die Sowjetunion bis zu ihrem eigenen Untergang behalten. Das alles hat man in Polen nicht vergessen.

  • Die Außenpolitik im Allgemeinen und das Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarn im Speziellen sind einige der großen Scherbenhaufen, die die Ampel unter Hr. Scholz als Verantwortlichem hinterlässt.



    Polen unter der proeuropäischen Regierung mit Hr. Musk wurde wieder und wieder regelrecht vor den Kopf gestoßen. Als Hr. Biden seinen Abschiedsbesuch in Berlin machte, wurden F und GB dazugebeten, PL nicht. Das "Weimarer Dreieck" wurde nicht kraftvoll, wie notwendig wäre, wiederbelebt, sondern gar nicht.



    Sprechen über die Ukraine und Russland oder gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Fehlanzeige.



    Weitere Punkte siehe Interview.



    Mit Frankreich seht es nicht anders aus. Nur als Beispiel: KeinE VorgängerIN von Hr. Scholz im Kanzleramt hätte es zugelassen, sich mit dem fr. Präsidenten auf offener Bühne zu balgen. Alle haben, auch bei persönlichen Animositäten zu ihrem fr. Partnern gefunden.



    Hr. Scholz ist auch außenpolitisch so peinlich, um etwas Nettes zu sagen. Denn in Wahrheit gefährdet er die Sicherheit des Landes.

    • @Vigoleis:

      Ähm, es war v.a. _Merkel, die Frankreichs Präsidenten mehrfach wie taktlos wie öffentlich auflaufen ließ. Und Merkel + Gabriel/Steinmeier, die Polen gegenüber Russland auf die Ränge setzen.







      Das wäre einem Adenauer oder Kohl nicht passiert: Vor der Trikolore verbeugt man sich bekanntlich mehrfach als Deutscher. Und wie die Deutschen sogar in Polen wüteten, sollte niemand so rasch vergessen haben.

      • @Janix:

        Ich kann jetzt nicht alle Ihre Äußerungen genau einordnen, nur soviel: Der Gerechtigkeit und Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass es Fr. Merkel und ihr Außenminister Hr. Steinmeier über längere Perioden mit der europafeindlichen PiS-Regierung zutun hatten. Da war auch beim besten Willen von dt. Seite aus nicht viel zu löten.



        Eben deshalb hatte man in Europa nach dem Regierungswechsel in Polen darauf gehofft, dass Deutschland die wichtigen Beziehungen zum Nachbarn wieder kräftig belebt, vorangeht. Darauf wäre es, auch im eigenen dt. Interesse, angekommen. Aber es kam von Hr. Scholz oder Fr. Baerbock wirklich nichts.



        Was Fr. Merkel und Frankreich angeht: Der Ton macht die Musik. Dass sie auch beinhart dt. Interessen durchsetzte, nicht immer glücklich, sehe ich eher als Verdienst. Bei Hr. Scholz sind für mich außer etwas Innenpolitik keine Motive erkennbar, außer das er Hr. Macron nicht ausstehen kann.

        • @Vigoleis:

          Wir sind nicht so weit auseinander, denke ich.

          Nur so weit, dass das naturdominante EU-Land DE umso eifriger konsultieren und einbeziehen _muss, allein, um die Gegenkoalition fast aller gegen Deutschland zu verhindern.



          Die gab es unter Merkel schon ansatzweise, einschließlich Frankreichs, wie sie selbst in den Memoiren anklingen lässt.



          Merkel wie Scholz können den "Macher"-Gockel Macron nicht leiden, vermute ich. Es gibt aber genügend Menschen in der Ebene darunter, den Ex.-Deutschlehrer Ayrault etc. etc., mit denen man den Kontakt hätte vertiefen können. Und auf Macrons große Europarede hätte Merkel reagieren müssen, selbst wenn der Teufel persönlich sie vorgetragen hätte. Auch polnische Sorgen muss ich selbst bei akutem Morbus PiS aufgreifen, auch um denen das billige Feindbild für den Wahlkampf zu zerschlagen.

          Scholz kann ich zu wenig einschätzen. Europaverständnis hätte Laschet wohl noch gehabt.



          Merz war ja auch mal im EP, ich vermisse aber seine konstruktive außenpolitische Bewerbung gerade zutiefst.

    • @Vigoleis:

      Korrektur: Hr. Tusk, nicht Musk (autom. Rechtschreibkorrektur)

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