Deutsch-indische Beziehungen: Scholz in Indien – Symbolik mit Wirkung
Deutschland verstärkt seine Militärpräsenz in Asien mit einem Einsatz im Indopazifik, der nun zu Ende geht. Auch Indien ist wieder dabei.
Vor der Ankunft in Goa übte die Deutsche Marine mit den indischen Seestreitkräften vier Tage Flugoperationen, Schiffsversorgung, Schießübungen und taktische Manöver. So soll der partnerschaftliche Umgang mit dem Nicht-Nato-Mitglied im Einsatz für freie Seewege gefestigt werden, erklärt Fregattenkapitän Alexander Gottschalk.
Es war eine „sehr herausfordernde, aber gute Erfahrung“, so Admiral Helge Risch. Zuerst trainierten sie mit dem Marinekommando Ost und darauf an der Westküste des Subkontinents mit dem westlichen Kommando. Risch würdigte die Professionalität der indischen Kollegen. Indien sei ein guter Partner im Indischen Ozean und werde in Zukunft ein „noch wichtigerer Partner“ sein.
Kanzler Scholz betonte bei seiner Ankunft, dass es bei dem Marineeinsatz im Indopazifik darum gehe, „die enge Zusammenarbeit mit Freunden und Partnern zu üben, aber auch zu demonstrieren, dass wir uns verstehen und gut zusammenarbeiten können“. Mehrfach wurde auf die Freiheit der Seeschifffahrt verwiesen, die auch Deutschland gewährleisten möchte – aus gutem Grund.
Militärpräsenz für freie Handelswege
Für eine Exportnation sind freie Handelswege unverzichtbar. Das „Indo-Pacific Deployment“ (IPD) der Marine diene dem Frieden und der Sicherheit, betonte der Kanzler. Die jüngsten gemeinsamen Übungen mit Indonesien und Indien bezeichnete er als „wichtiges Zeichen“. „Unsere Soldatinnen und Soldaten wirken mit, die Freiheit der internationalen Schiffsrouten zu schützen.“ Nun findet in Indien formell die IPD ein Ende. Die „Frankfurt am Main“ brach in Wilhelmshaven auf, fuhr in den Atlantik, weiter zum Panamakanal, übte in Honolulu das Großmanöver „Rim of the Pacific“ und fuhr von Tokio über Südkorea zu den Philippinen, dann nach Singapur bis nach Goa.
Im September geriet die Mission in internationale Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass die Taiwanstraße überquert worden war. Kritik aus China wurde zurückgewiesen – es handele sich um internationales und frei befahrbares Seegebiet, teilte die Bundeswehr mit. In Indien, das sich mit der Volksrepublik im Dauerkonflikt befindet, dürfte diese Haltung gut angekommen sein. Zur deutschen Strategie gehört auch, dass im August die gemeinsame Luftübung im Rahmen der europäischen Übungsserie „Pacific Skies“ unter Führung der Bundesluftwaffe in Südindien durchgeführt wurde.
Erst in jüngster Zeit habe Berlin angesichts des Krieges in der Ukraine sein Asienbild überholt, sagt Militärexperte Uday Bhaskarder taz. „Deutschland hat erkannt, dass es angesichts der aktuellen Sicherheitsrisiken und seiner eigenen Verwundbarkeit, sowohl was Handel als auch was den Zugang zu Öl angeht, auf dem Schauplatz sein muss, der immer aktiver wird, nämlich dem Indopazifik“, sagt er.
Dass sich der Wind gedreht hat, wird in Delhi bemerkt. „Der Besuch des Bundeskanzlers in Goa hat eine wichtige Symbolik“, sagt der indische Marineoffizier im Ruhestand, auch sei die jetzige Seeübung größer und komplexer gewesen als die erste Mission im Indopazifik 2021/2022, als die Fregatte „Bayern“ in Mumbai Station machte. Deutschland nehme Indien inzwischen ernster und folge allmählich Frankreich und Großbritannien, die traditionell schon länger im Indischen Ozean präsent sind.
Eines bleibt nach der Reise jedoch unklar: Werden die Beziehungen zwischen Indien und Deutschland auch durch ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit der Thyssenkrupp-Marinetochter TKMS enger werden? Dazu schweigen derzeit sowohl Delhi als auch Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Privatjet auf Sylt besprüht
Haftstrafen für Letzte Generation – ohne Bewährung
Debatte um Bezahlkarte
Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
Freihandelsabkommen Mercosur
Gegen die Isolation
„Wrapped“-Marketingkampagne von Spotify
Nicht einwickeln lassen!
Stellenabbau in der Autoindustrie
Kommt jetzt die Massenarbeitslosigkeit?
Zwangsbehandlung psychisch Kranker
Im eigenen Zuhause