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Deutsch-chinesische BeziehungenPeking will ein „Weiter so“

Chinesische Kommentatoren schätzen Kanzler Scholz als relativ pragmatischen Politiker. In den sozialen Medien wird er aber vor allem mit Häme bedacht.

China vermisst die alten Zeiten: Xi Jinping und Angela Merkel beim G20-Treffen in Hamburg Foto: Sammy Minkoff/imago

Peking taz | Unmittelbar vor dem Kurzbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Peking hat Chinas Regierung am Donnerstag Gemeinsamkeiten und die Vorteile von Kooperation und Kontinuität in den bilateralen Beziehungen betont. „Wir sind Partner, nicht Rivalen“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian auf die Frage nach einer Reaktion auf Scholz’ Skizze seiner Chinapolitik in einem FAZ-Artikel. Darin hatte der geschrieben: „Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern.“

Zhao betonte hingegen, China und Deutschland seien strategische Partner, die jetzt auf 50-jährige erfolgreiche Beziehungen zurückblickten. Dabei verbat er sich jegliche Stellungnahme der USA zum umstrittenen Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in ein Hamburger Hafenterminal und machte zugleich deutlich, dass Pekings Umgang mit den Uiguren in Xinjiang Chinas innere Angelegenheit sei.

Die Volksrepublik achte und schütze stets die Menschenrechte, so der Sprecher. Scholz hatte hingegen geschrieben, Chinas Menschenrechtsverletzungen kritisch ansprechen zu wollen.

Die historische Dimension seiner Reise steht auch in Peking außer Frage. Xi Jinping hat bewusst Scholz als ersten Vertreter eines G7-Staates seit der Coronapandemie nach Peking eingeladen. Er kommt als erster westlicher Regierungschef nur wenige Wochen nach dem 20. KP-Parteikongress, bei dem sich Xi zu einer dritten Amtszeit krönen ließ. Sicher werden die Staatsmedien den Besuch des Deutschen propagandistisch ausschlachten.

China möchte Europa nicht völlig an die USA verlieren

Doch der Zeitpunkt von Scholz’ Besuch ist aus Sicht Pekings auch aus anderen Gründen entscheidend: China hat derzeit aufgrund von Corona-Lockdowns und Immobilienkrise massive Wirtschaftsprobleme. Zugleich sind die Beziehungen mit den USA in einer bodenlosen Negativspirale, wobei der gesamte Westen zunehmend den transatlantischen Schulterschluss sucht.

Umso wichtiger ist es für Xi, Europa nicht ganz an die USA zu verlieren. In Europa ist Deutschland in den Augen der Chinesen mit Abstand der wichtigste Partner. Das zeigt sich schon am bilateralen Handelsvolumen, das im Jahr 2021 245 Milliarden Euro betrug – rund 30 Prozent des gesamten Warenaustauschs zwischen China und der EU.

In den Staatsmedien erhält Scholz deshalb viele Vorschusslorbeeren. Sein Besuch signalisiere jetzt für die bilateralen Beziehungen einen „Aufschwung“, schreibt etwa das Parteiblatt China Daily. In der nationalistischen Global Times hingegen wird zugleich gewarnt, der Kanzler müsse sich „auf pragmatische Zusammenarbeit konzentrieren, nicht auf Geopolitik“. Dann sei es „denkbar, dass der Pragmatismus deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt belohnt“ werde.

Man wünscht sich in China also ein „Weiter so“ der Ära Merkel. Die frühere Kanzlerin hatte zwar auch immer wieder kritische Punkte angesprochen. Doch im Zentrum standen stets wirtschaftliche Interessen. Dass nun Scholz in Merkels Fußstapfen tritt, dürfte sich als Wunschdenken der chinesischen Führung herausstellen.

Scholz solle China als größten Handelspartner halten

Doch dass der Hanseate trotz großer Kritik zu Hause nach China reise, nehmen Kommentatoren als begrüßenswerte „Überwindung der US-Einmischung“ wahr. So schreibt Bao Ming, ein Ex-Militärgeneral, in seinem Blog, dass zwischen China und Deutschland – im Gegensatz zu den USA – zumindest noch die Hoffnung bestehe, „die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit weiter auszubauen“. Überhaupt sei für Scholz die beste Option, „China als größten Handelspartner zu halten“.

Doch die Eigenwahrnehmung vieler chinesischer Publizisten täuscht. Von Wirtschaftsbeziehungen hat zuletzt überproportional China profitiert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik haben Chinas Einfuhren aus Deutschland schon 2004 ihren Höhepunkt erreicht und nehmen seither kontinuierlich ab.

Auch in absoluten Zahlen ist seit einer Dekade eine Stagnation zu beobachten, zuletzt gar ein deutlicher Abwärtstrend. Chinas Exporte nach Deutschland sind hingegen immer weiter gestiegen. Allein im ersten Halbjahr betrug Chinas Handelsüberschuss gegenüber der Bundesrepublik knapp 41 Milliarden Euro.

Häme: Scholz hole Heizdecken für sein frierendes Volk

Auf der Online-Plattform Weibo machen sich Chinesen derzeit vor allem lustig über die Wirtschaftsprobleme der Deutschen. Chinesen mokieren sich schadenfroh über die massive Inflation und die rekordverdächtigen Energiepreise.

In diesem Licht wird auch der Kanzlerbesuch betrachtet: Scholz käme angedackelt, um „ein paar Heizdecken“ für sein frierendes Volk zu holen

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5 Kommentare

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  • Es ist doch klar, dass die Chinesen so weiter machen wollen, auch ihre Wirtschaft ist (noch) so ausgerichtet, dass sie Einnahmen aus dem Exportgeschäft brauchen, solange es Märkte gibt, wo noch etwas Kaufkraft vorhanden ist. Ein 'weiter so' würde dazu führen, dass die Abnehmerländer letztlich die Segnungen aus dem Fernen Osten nicht mehr bezahlen können und die Lieferketten implodieren. Es wird spannend, wie in Beijing die Politiker mit dem Umstand fertig werden, dass dann auch in absehbarer Zeit die Binnennachfrage nicht mehr ausreicht, das für einen kapitalitisch ausgerichteten Markt notwendige Wachstumspotential zu erreichen. Denn Nachfrage kann letztlich nur für Menschen generiert werden, die durch Teilhabe am Arbeitsprozess ernährt werden müssen. Ein Ende des globalisierten Marktes ist absehbar.

  • Würde Europa morgen seine Handelsbeziehungen zu China komplett einstellen, würde es kurze Zeit später keinen Stahl und so gut wie keine Arzneimittel mehr in Europa geben. Und all diejenigen, die meinen, dann stellen wir das eben selber her: Vorausgesetzt man hat die Kapazitäten (was auf unserem leergefegten Arbeitsmarkt völlig illusorisch ist) , wären diese Artikel dank europäischer Löhne derart teuer, dass sie nicht verkaufbar sind. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem funktioniert eben nur durch billige Arbeit im Ausland, ohne sie, würde es zusammenbrechen.

    • @Rudolf123:

      billige Arbeitskräfte gibt es anderswo auch, Arbeitskräfte in China sind über die letzten 10 Jahre bereits teurer geworden, andere Länder haben technisch aufgeholt, die Abhängigkeit beenden wäre von der Warte aus sicher möglich

      besser noch wäre ein genereller Wenigerverbrauch billiger Ware, vieles ist bei näherer Betrachtung einfach unnötig

      die kritische Frage lautet eher, ob man ohne Rohstoffe aus China UND Russland auskommt und das sehe ich momentan eher nicht

    • @Rudolf123:

      Es bricht ja zusammen, weil wir aufgrund der Produktionsverlagerung die 'billigen' Waren aus dem Fernen Osten nicht mehr bezahlen können: Ohne Produktion und menschlichen Einsatz keine Kaufkraft. Jetzt den Kopf in den Sand stecken ? Nein, selber denken und -auf kleinerer Stufe- unabhängig vom Weltmarkt und mit all diesen Erkenntnissen (Segnungen des Kapitalismus) selbstbestimmt neu anfangen und zwar nur für uns selbst, damit WIR wieder unabhängig werden und bleiben...

  • John Oliver hat den Inhalt des Internets einmal als "racism, hatred, and the occasional sad orgasm" beschrieben - dass das in China nicht anders ist als hier, ist unerfreulich, aber wenig überraschend. Ich frage mich aber, ob das wirklich Rückschlüsse auf die öffentliche Stimmung zulässt (egal wo auf dieser Welt).