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Deutsch-Ukrainische BegegnungsschuleUnterricht in der Muttersprache

In Kreuzberg ist eine Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule eingerichtet. Das bundesweit erste Projekt dieser Art ist bilingual.

Ukrainische Perspektiven in der Berliner Aziz-Nesin-Grundschule Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Über ein Drittel der Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen, sind Minderjährige – Kinder und Jugendliche, die noch vor wenigen Wochen ganz normal in der Ukraine zur Schule gegangen sind. Angekommen in Deutschland, werden sie in Regelschulen oder Willkommensklassen untergebracht. Sobald sie hier eine Aufenthaltserlaubnis haben, gilt auch für sie die Schulpflicht.

Beeindruckt nahm man in Deutschland wahr, dass viele ukrainische Schulen nach Kriegsbeginn den Betrieb durch Onlineunterricht aufrechterhielten. Die Schü­le­r*in­nen – nach ihrer Flucht verstreut in ganz Europa – versammelten sich weiter in digitalen Klassenräumen. Wo es ging, nahmen sie auch in Deutschland parallel zum Präsenzunterricht an der Onlineschule teil.

Im Kopf dabei war immer die große Unsicherheit, wie sich die Lage weiter entwickeln würde, der Wunsch, bald in die Heimat zurückzukehren, die traumatischen Fluchterfahrungen. Auf diesen Schwebezustand der Schü­le­r*in­nen zwischen Ankommen und Zurückkehren reagiert die Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule in Berlin.

Das bundesweit erste Projekt dieser Art ist bilingual: Ukrainische Kinder und Jugendliche lernen verstärkt Deutsch und bekommen auch Fachunterricht in deutscher Sprache. Deutschunterricht wird in der Ukraine in der Regel ab der fünften Jahrgangsstufe angeboten, deshalb bringen die Schü­le­r*in­nen einige Kenntnisse mit. Ergänzend dazu werden sie aber weiterhin von ukrainischen Lehrkräften in den Fächern „Ukrainische Sprache/Literatur“ und „Ukrainische Geschichte/Recht“ unterrichtet.

Mögliche Rückkehr im Blick

Was hier angestrebt wird, klingt recht ambitioniert – Deutsch lernen, sich ins deutsche Schulsystem einfinden und gleichzeitig in der Ukraine den Anschluss nicht verlieren – die mögliche Rückkehr im Blick. Entsprechend voller sind dann auch die Stundenpläne für diese Schüler*innen.

Dass besonders die Älteren ihren Schulabschluss in der Ukraine jetzt nicht aufgeben wollen, ist nachvollziehbar. An der Begegnungsschule in Berlin können sie sich auf die Abschlussprüfungen in der 9. und 11. Klasse vorbereiten und diese dann – unter der Aufsicht des ukrainischen Bildungsministeriums – auch schrei­ben, so der Plan.

Das ist gut, aber angesichts der Situation der ukrainischen Jugendlichen nicht das einzig Wichtige. Schließlich ist Schule nicht nur die Vorbereitung auf Abschlüsse. Schule ist auch der Ort, wo die jungen Menschen jetzt einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Und Schule könnte und sollte der Ort sein, wo sie sich gut begleitet in ihre neue Lebensrealität eingewöhnen und sich orientieren.

Deshalb arbeiten in der Begegnungsschule Lehrer:innen, die muttersprachlich Ukrainisch sprechen und oft die gleichen Fluchterfahrungen mitbringen. Ein gutes Vorbild ist die Schule also auch, weil sie die Bedürfnisse der Schü­le­r*in­nen in den Blick nimmt: verstanden zu werden, nach etwas Kontinuität und Zugehörigkeit. Und damit auch die grundsätzliche Frage aufwirft, woran sich Integrationspolitik in Bildungsfragen orientieren sollte.

Die Aziz-Nesin-Schule in Kreuzberg hat die Kapazitäten, dieses Pilotprojekt unter ihrem Dach zu beherbergen: Sie gehört zu den wenigen Berliner Schulen, die noch über freie Räume verfügen. Und sie ist mit interkultureller Begegnung vertraut – die Schule ist eine Europaschule, alle Klassen werden je zur Hälfte von Kindern mit deutscher und Kindern mit türkischer Muttersprache besucht.

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