Der sonntaz-Streit: „Selbstverständlich blaumachen“
Ab 35 Grad ist ein Raum nicht mehr zum Arbeiten geeignet, sagt Jens Gäbert, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dann kann man auch zuhause bleiben.
Darf man bei Hitze blaumachen? „Aber selbstverständlich“, sagt Jens Gäbert, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Experte im betrieblichen Gesundheitsschutz, im aktuellen sonntaz-Streit. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Temperatur im Arbeitsraum nachhaltig 35 Grad Celsius übersteige: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in Arbeitsräumen eine gesundheitlich zuträgliche Temperatur herrscht“, sagt er. Er müsse Maßnahmen ergreifen, sofern die Außenlufttemperatur höher sei als 26 Grad.
„Wenn der Arbeitgeber bei solcher Hitze keine Gegenmaßnahmen ergreift, können Beschäftigte sogar die Arbeit verweigern“, erläutert Barbara Loth (SPD), Staatssekretärin für Arbeit in Berlin. Einfach blaumachen sei jedoch nicht erlaubt.
Thomas Rigotti, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Mainz, findet blaumachen unsolidarisch gegenüber den Kolleginnen, die die nicht verrichtete Arbeit übernehmen müssen. Wichtig sei es, die Menschen mit ihren Bedürfnissen und Leistungsvoraussetzungen bei der Arbeitsgestaltung in den Mittelpunkt zu stellen: „In einem wertschätzenden Klima wird ,blau machen' seltener vorkommen.“
Ähnlich sieht das auch taz-Leserin Clara Winandy. Die Bürozeiten müssten flexibler gestaltet werden, findet sie: „Durch die Verlegung der Arbeitszeit in die frühen Morgenstunden oder spät in die Nacht könnten Arbeitnehmer der Hitze entgehen.“ Dank Laptops sei auch das Arbeiten an der frischen Luft oder von zu Hause aus eine Option.
Machen iPads doof? Ein Forscher warnt, und eine Familie mit drei Kindern und fünf iPads macht sich neuerdings Gedanken – die Ganze Geschichte „Wischiwischi“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 3./4. August 2013. Darin außerdem: Wie sich die NPD im äußersten Nordosten der Republik auf ein Verbot vorbereitet. Und: Die englische Schriftstellerin Jeanette Winterson über Liebe, Zusammenbrüche und die Gewalt der Sprache. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Der 17-jährige Julian Fick, Vorstand der LandesschülerInnenvereinigung Bayern, spricht sich gegen das Blaumachen aus. Dass in den letzten Wochen vor den Ferien keine Noten mehr gemacht werden, sei für viele Schüler eine Legitimation, die Schule zu schwänzen: „Ohne diesen Druck sehen sie keinen Sinn mehr im Schulbesuch.“ Das Problem sei aber weniger die Hitze, sondern vielmehr die Tatsache, dass viele Schüler nicht gern zur Schule gehen. Hier müsse man ansetzen, fordert er.
Die Autorin Emel Zeynelabidin hingegen findet Blaumachen völlig okay, allerdings meint sie damit eine besondere Form des Blaumachens: Nach dreißig Jahren legte sie ihr Kopftuch ab. „Seitdem bin ich in meiner muslimischen Gemeinde die ,Königin der Blaumacher'“. Den frischen Sommerwind in ihrem Haar wolle sie heute nicht mehr missen, auch wenn sie sich manchmal frage, was Gott wohl von dieser Art des Blaumachens hält.
Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Konstantin Faigle, Regisseur des Films „Frohes Schaffen“, Tom Hodgkinson, Herausgeber des britischen Magazins „The Idler“, Markus Schulte, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, sowie Tim Hagemann, Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin in Berlin – in der aktuellen sonntaz von 3./4. August 2013.
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