Der sonntaz-Streit: Haben Sie noch Lust auf Merkel?
Tut Merkel Europa gut? Oder ist es Zeit für einen Wechsel? Wie die Kanzlerin im Ausland wahrgenommen wird, beschreibt ein taz-Praktikant aus Österreich.
Angela Merkel steht in Österreich für Kontinuität, Beharrlichkeit und einen rigiden Kurs gegenüber südlichen Krisenländern. All das scheint vielen Österreichern, die allzu große Veränderungen fürchten, in der Krise zu imponieren. „Nur nix über’s Knie brechen“, lautet die Devise des Durchschnitts-Österreichers, der in schwierigen Zeiten nach Sicherheit giert. Für die Österreicher passt Merkel zur Krise wie das Kipferl zum Kaffee.
Hart aber besonnen, den Griechen erklären, dass sie sparen müssen. So lange die Österreicher die Krise nicht im eigenen Geldbörserl spüren, stört dieser Merkel-Kurs nur wenige im Land. Schuldenschnitt und Hilfspaket hören auch hier die Steuerzahler nicht so gerne. Was Rechtspopulisten und Konservative daher ganz offen tun, zeigen viele Sozialdemokraten zumindest indirekt: Sie geben Merkels Sparkurs Recht. Auch bei Frauen ist Angela Merkel unheimlich beliebt, hatte Österreich selbst doch noch nie eine Frau an der Spitze.
Merkel als Person bietet weit weniger Angriffsfläche als ihre Vorgänger. Eine Eigenschaft, die auch ihren österreichischen Amtskollegen, Werner Faymann von den Sozialdemokraten, auszeichnet. Bundeskanzler Faymann war ursprünglich EU-kritisch ins Amt gestartet und hatte so die Stimmen der zahlreichen EU-Skeptiker gewonnen.
Im Zweifel für Merkel
Der Pragmatiker Faymann erkannte allerdings schnell seine Chance, sich an der Seite Angela Merkels als glaubhafter EU-Politiker zu profilieren. Ja selbst im Wahlkampf scheut der Sozialdemokrat allzu harte Kritik an der deutschen Kanzlerin. Er schätze Angela Merkels Art und ihre Arbeitsweise sehr, sagte Faymann erst kürzlich in einem Interview mit der konservativen Presse.
Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 21./22. September in der neuen taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Mit Faymann hielt der Pragmatismus Einzug in der SPÖ. Egal ob Shakehands auf EU-Ebene, Staatsbesuch oder Krisengipfel: Faymann zeigt sich gern an der Seite der „40-Prozent-Kanzlerin“. 40 Prozent? Das sind Wahlergebnisse, von denen die österreichischen „Großparteien“ noch nicht einmal mehr zu träumen wagen. Korruptionsskandale, Wahlmüdigkeit und wiedererstarkte Rechtspopulisten setzen der großen Koalition in Österreich stark zu.
Nicht nur Kanzler Faymann bemüht sich daher um ein gutes Verhältnis zur beliebten Angela Merkel. Auch sein Vize Michael Spindelegger von der Volkspartei, erhofft sich einen Auftrieb durch die Schwesterpartei CDU. Zum Wahlkampfauftakt ihrer Partei, empfingen die Konservativen Merkel wie einen Stargast.
Abseits der politischen Bühne ist es aber weniger große Überzeugung, die österreichische Merkel-Fürsprecher auszeichnet, sondern vielmehr der fehlende Glaube an Alternativen. Das Merkel-Dogma „alternativlos“ projizieren viele Österreicher auf die Kanzlerin selbst. Während es in südeuropäischen Ländern rumort, haben es sich in Österreich mit der deutschen Kanzlerin viele gemütlich gemacht: Sozialdemokraten lächeln, Konservative staunen und Linke schweigen. Das Credo vieler Österreicher: Im Zweifel für Angela Merkel.
Wie das in anderen Ländern aussieht, wird unser Streit der Woche zeigen. Von Norden bis Süden und Osten bis Westen kommen diesmal Europäer zu Wort, die ihre ganz eigene Meinung zu Angela Merkel haben. Wo liegen die Bruchlinien in dieser EU und welche Rolle spielt die deutsche Kanzlerin? Haben Sie genug vom Merkel-Kurs oder macht sie alles richtig? Braucht Europa einen Wechsel? Oder haben Sie noch Lust auf Merkel?
Unser Autor ist Österreicher und lebt derzeit in Berlin. Wenn auch Sie eine Meinung zu Angela Merkel haben, am 22.9. aber nicht wählen dürfen, dann diskutieren Sie gerne mit. Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 21./22. September. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 18. September, eine Mail an: streit@taz.de
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