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Der neue Abgastest ist daFiskus tritt aufs Gaspedal

Die Kfz-Steuer für Neuwagen steigt, die Autolobby protestiert. Und doch schenkt der Staat Fahrzeughaltern weiterhin Milliarden.

Je ehrlicher die Werte, desto schöner für den Finanzminister: Tests bei VW in Wolfsburg Foto: dpa

Berlin taz | Der ADAC hat schon mal gewarnt: Auf die Autofahrer käme ab 1. September „eine spürbare Erhöhung der Kfz-Steuer“ zu, sagte Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident für Verkehr beim Autoclub. Er forderte Ende August eine Entlastung für die Fahrzeughalter, weil diese Erhöhung nicht gerechtfertigt sei. In der Tat steigt die Kfz-Steuer für Neuwagen um bis zu 70 Prozent an, zeigt eine ADAC-Statistik.

Aber was die Autolobby nicht sagt: Die Abgaben steigen nur, weil sie vorher viel zu niedrig berechnet wurden. Und nach wie vor schenkt der Fiskus den Autofahrern jedes Jahr Milliarden von Euro.

Ab 1.September gilt EU-weit bei der Neuzulassung eines Personenwagens das neue Prüfverfahren WLTP (siehe Kasten). Weil dort Autos unter realistischeren Bedingungen getestet werden, werden sich wahrscheinlich die Angaben über den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) erhöhen. Bislang verbrauchen Pkw in Europa viel mehr auf der Straße als ihre Papiere vorgeben – das angebliche 5-Liter-Auto schluckt in der Realität oft mehr als 7 Liter. Und weil die jährliche Kfz-Steuer zur Hälfte von der Höhe des CO2-Ausstoßes abhängt, steigt mit höherem CO2-Ausstoß auch die Steuer. Bei einem BMW 218 macht das laut ADAC 23 Prozent aus, bei einem VW-up! 72 Prozent – bei einer Kfz-Steuer von knapp 300 beziehungsweise 86 Euro.

„Der große Gewinner wird der Bundesfinanzminister“, schreibt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen in einer Analyse. Nach seinen Modellrechnungen fließen als erwünschter Nebeneffekt der WLTP-Umstellung jährlich 173 Millionen Euro mehr Kfz-Steuern in die Kassen des Finanzministeriums – ein Plus von etwa 2 Prozent. Und das bei einer großen Koalition, die geschworen hat, den Bürgern nicht mehr Geld abzunehmen als bisher. „Wir werden niemandem die Steuern erhöhen“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem Jahr im Wahlkampf versprochen. Ein Sprecher des Finanzministeriums bestätigte auf Anfrage nur, dass man Veränderungen bei der Kfz-Steuer erwarte. Wie diese aussehen und um welchen Betrag es gehe, dazu werde das Ministerium in sechs Monaten oder einem Jahr „dem Bundestag berichten, sobald es verlässliche Zahlen gibt.“

Besser, aber nicht gut

WLTP Jedes in der EU neu zugelassene Fahrzeug wird ab 1. September nach dem Prüfverfahren „Worldwide hamonized Light-Duty Test Procedure“ (WLTP) bewertet. Anders als beim alten NEFZ-Standard sind die Anforderungen realistischer: Der Test auf dem Prüfstand dauert 30 statt 20 Minuten, es werden 130 statt nur 120 km/h auf der Autobahn simuliert und schneller beschleunigt. Die verschiedenen Typen werden nicht nur in einer abgespeckten Variante, sondern jeweils mit allen ihren Motor- und Getriebeversionen und mit Sonderausstattungen geprüft.

Kontrolle auf der Straße Bei den Tests zu Stickoxiden und Feinstaub (aber nicht bei CO2) werden zusätzliche Versuche auf der Straße (RDE-Tests) gefahren – allerdings gelten in den ersten Jahren Übergangswerte. Ohne sie würde kaum ein Wagen die erforderlichen NOx-Werte erreichen. Nach Schätzungen der Experten von International Council on Clean Transportation (ICCT) ist aber auch der WLTP noch weit von den wirklichen Spritverbräuchen entfernt: Die Lücke zwischen Realität und Test betrage immer noch etwa 20 Prozent, heißt es. (bpo)

Doch die Steuern steigen nur, weil bisher viel zu wenig gezahlt wurde. Nach Tests der Expertengruppe „International Council on Clean Transportation“ (ICCT), die auch an der Aufdeckung des Diesel-Skandals beteiligt war, liegt bisher der tatsächliche Spritverbrauch der Pkw in Europa um bis zu 42 Prozent höher als offiziell von den Herstellern angegeben. Diese falschen Angaben über den Spritdurst der Wagen sind immer drastischer geworden – noch im Jahr 2000 lag die Lücke nur bei 9 Prozent.

Das FÖS hat vorgelegt

Weil für diesen Spritverbrauch, der höher war als in der Zulassung angegeben, keine Kfz-Steuer berechnet wurde, entgingen dem deutschen Fiskus etwa im Jahr 2016 rund 1,2 Milliarden Euro an Einnahmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das „Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) im April vorgelegt hat. Demnach kassierten die Finanzminister in elf EU-Staaten in einem Jahr insgesamt über 11 Milliarden Euro zu wenig Steuern von ihren Autofahrern. Die deutschen Autofahrer wiederum gaben nach einer aktuellen Untersuchung von ICCT und Naturschutzbund für diesen Sprit, der über den Verbrauchsangaben der Autobauer lag, im vergangenen Jahr 5,5 Milliarden aus – Geld, das laut den Angaben der Hersteller bei den Autofahrern hätte bleiben müssen.

Die Abgaben steigen nur, weil sie vorher viel zu niedrig berechnet wurden

„Die Umstellung auf WLTP ist ein erster Schritt zu mehr Realismus bei den Verbrauchsangaben“, sagt Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub VCD. „Allerdings ändert er erst einmal nichts am Spritverbrauch.“ Die Lenkungswirkung der Kfz-Steuer sei viel zu gering, als dass sich Menschen deswegen beim Autokauf für ein anderes Modell oder für eine weniger energiefressende Ausstattung entschieden. Auch andere Umweltverbände plädieren für ein anderes System der Kfz-Besteuerung: Weg von der Größe des Hubraums oder der jährlichen Steuer hin zu mehr Verbrauchssteuern oder einer hohen Abgabe beim Kauf eines Neuwagens.

Schließlich schlägt sich der Wechsel zu WLTP auch beim VCD nieder: In der jährlichen „Liste der umweltfreundlichen Autos“ im Oktober werden die Spritverbräuche wahrscheinlich um etwa 10 bis 20 Prozent höher liegen als bisher. Der Grund: Die Angaben beruhen auf den offiziellen und deshalb geschönten Angaben der Hersteller.

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1 Kommentar

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich oute mich einmal als Autofahrer. Privat und beruflich, wenn ÖPNV zeitlich oder von der lokalen Erreichbarkeit her die schlechtere Wahl ist. Mit meinem Importfahrzeug der untersten Mittelklasse und haarscharf im dreistelligen PS-Bereich benutze ich alle Strassen und frage mich dabei, was in drei Teufelsnamen Menschen mit Fahrzeugen machen, die deutlich über 200, z. T. 300 PS haben und/oder locker zwei Tonnen auf die Waage bringen. Die Antwort ist denkbar einfach: Vor ein paar Jahren stand ich in Südtirol auf einem Wanderparkplatz, vormir eine Mutter mich einem schätzungsweise 10-jährigen Kind an der Hand. Das Kind zeigte auf einen Audi Q7 und fragte: Wer braucht denn sowas? O-Ton der Mutter: Zwergwüchsige Zuhälter. Kurz und bündig - alles gesagt.