Der Warntag in Berlin: Heulen in der Kirschallee
In der Stadt, in der es keine Sirenen mehr gibt, entwickelte sich der erste bundesweite Katastrophenwarntag in Sachen Warnung zur Katastrophe.
Eigentlich, ja eigentlich sollte um 11 Uhr Alarm auf allen Kanälen herrschen. Doch der erste bundesweite Katastrophenwarntag entwickelte sich in Sachen Warnung zur Katastrophe. Klar, Berlin hat seit Jahren seine Sirenen demontiert. Erinnerungen aus der Kindheit, als in vielen Ortschaften mindestens an einem Samstag im Monat pünktlich um 12 Uhr das große Geheul losging, schienen also sowieso jenseits der Realität des 21. Jahrhunderts.
Stattdessen, so hatte es Innensenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, sollten die digitalen Werbetafeln – die nach und nach die guten alten Plakatwände ersetzen – für die Information der Bevölkerung genutzt werden. Doch was, wenn man just um 11 Uhr nicht vor einer herumwartete auf den Ernstfall?
Auch „Nina“ schwieg
Dafür gibt es ja entsprechende Apps auf den meisten Handys, sollte man denken. Aber „Katwarn“ schwieg, und auch die Warn-App „Nina“ funktionierte so mangelhaft, dass Geisels Verwaltung Alarm schlug und in einer Mitteilung darauf hinwies, für die am Donnerstag geplante Auslösung sei das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe „zentral zuständig“ gewesen. Fragen, warum es laut Innenverwaltung „bundesweit Probleme bei der Auslösung von „Nina“ gegeben habe, seien bitte doch an das Bundesamt zu stellen. Dort teilte dann, wenig alarmistisch, ein Sprecher mit: „Wir wissen, dass es teilweise geklappt hat.“
Berlin war in seiner Ahnungslosigkeit vor dem Russen freilich nicht allein. „In Brandenburg haben zum ersten bundesweiten Warntag Sirenen geheult“, vermeldete die Nachrichtenagentur dpa. So sei es in Frankfurt (Oder) und Cottbus und auch in der Landeshauptstadt Potsdam „in einigen Ecken laut“ geworden. Im Stadtteil Bornstedt hätten AnwohnerInnen berichtet, „eine laute Sirene gehört zu haben“. In der dortigen Kirschallee sei auch zweimal der Alarm ertönt. Offenbar waren die Sirenen aber nicht überall in der Stadt zu hören.
Laut Berlins Innensenator sei es bei dem Testtag vor allem darum gegangen, „sich schnell auf eine mögliche Gefahr einzustellen und zu wissen, wo man sich informieren kann und wie man reagieren sollte“. Gut, dass der Russe heute nur noch selten vor der Tür steht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann