Der Senat kauft das Stromnetz zurück: Infrastruktur in öffentliche Hand
Der Senat hat beschlossen, das Stromnetz vom schwedischen Konzern Vattenfall zurückzukaufen und zu rekommunalisieren. Warum das richtig ist.
V or acht Jahren sprachen sich in einem Volksentscheid 83 Prozent für die Rücküberführung des Stromnetzes in kommunalen Besitz aus – der Erfolg scheiterte lediglich knapp an der zu geringen Wahlbeteiligung. Dass der Senat diese Woche beschlossen hat, das Stromnetz vom schwedischen Konzern Vattenfall zurückzukaufen und damit zu rekommunalisieren, darf also durchaus als Vollzug des Mehrheitswillens der interessierten Stadtöffentlichkeit verstanden werden.
Zweifelsohne ist die Entscheidung richtig, denn die Infrastruktur einer Stadt – in diesem Fall Leitungen, Umspannwerke, Netzknoten und -stationen – hat nichts in den Händen privater Konzerne und ihrem Profitstreben verloren. Das sahen Mitte der 1990er Jahre noch weniger Menschen so: Damals verkaufte Berlin seine Mehrheit an dem städtischen Elektrizitätsversorger Bewag an ein Industriekonsortium, das nach mehreren Weiterverkäufen im Vattenfall-Konzern aufging. Repariert wird also ein Fehler der Vergangenheit.
Ein Schlusspunkt wird damit auch dem jahrelangen Streit um die Vergabe der notwendigen Konzession gesetzt, die Bedingung dafür ist, das Stromnetz zu betreiben. Schon 2014 lief die Konzession für Vattenfall aus. Gegen das Vergabeverfahren hatte sich der Konzern juristisch gewehrt und damit den Mitbewerber, den Landesbetrieb Berlin Energie, ausgebremst. Jetzt kommt dieser zum Zug. Vattenfall bekommt dafür 2,14 Milliarden Euro.
Die Summe soll den Landeshaushalt nicht belasten, sondern über Kredite finanziert werden, die dann aus dem Gewinn des Netzbetriebes – etwa 100 Millionen Euro pro Jahr – zurückgezahlt werden. Nach demselben Modell will übrigens auch das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen die Entschädigungen für die Wohnungsunternehmen bezahlen. Dass der Senat beim Stromnetz zeigt, dass das geht, dürfte der Initiative Auftrieb geben.
Eine umstrittene Frage bleibt: Wird auch die Genossenschaft Bürger Energie Berlin zukünftig am Betrieb des Stromnetzes beteiligt? Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag hatte sich auf die genossenschaftliche Beteiligung festgelegt. Und das Ziel ist weiter richtig: Es geht nicht mehr nur um die Dualität Staat oder Markt; eine demokratische Gesellschaft heutzutage muss bei öffentlichen Unternehmen Bürger*innen und damit auch Kund*innen einbinden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen