COP30 und der Kampf um indigene Rechte: Der Schatz der Kayapó
Im Amazonas-Regenwald trotzen die indigenen Kayapó den Profitinteressen von Agrarindustrie und Goldgräbern – und schützen so das Klima. Ein Besuch.
T aknhõ Kayapó sitzt am Tisch, löffelt Rührei mit Maniokmehl, als es aus der Ferne brummt. Zunächst leise, dann immer lauter. Am Horizont taucht ein Boot auf. Es jagt den Fluss hinab, dessen Oberfläche verführerisch in der Sonne glitzert.
Taknhõ – 22 Jahre, bullige Statur, Calvin Klein-Shorts – schlendert den Sandstrand herunter. Das Boot legt an, darin sitzt eine Familie. Mutter, Vater, Sohn. Taknhõ winkt ihnen zu, scannt das Boot genau. Dann nickt er, ruft etwas in der Sprache Kayapó, das er später als „Gute Fahrt“ übersetzen wird. Das Boot flitzt davon.
Taknhõ ist ein indigener „guarda“, ein Wächter. „Wir kontrollieren alle, die hier vorbeikommen“, sagt er. Hier, das ist ein kleiner Grenzposten am brasilianischen Fluss Xingú. Hier beginnt das Land der Kayapó. Es liegt im Süden des Bundesstaates Pará, in dem auch die Weltklimakonferenz COP30 stattfindet. Nur mit Genehmigung kommt man herein. „Terra Protegida“ steht auf einem Schild – geschütztes Land.
Auf der COP verläuft in diesem Jahr vieles wie immer. Es wird darüber verhandelt, wie sich die Klimakrise bremsen lässt: mit Zahlungen an Entwicklungsländer, CO₂-Krediten, modernsten Technologien. Dabei liegt die Lösung vielleicht genau hier, mitten im Regenwald.
Er bezeichnet sich als „guerreiro“, als Krieger
Das Land der Kayapó wurde 1991 offiziell demarkiert, heißt: gesetzlich geschützt. Es ist eine Geschichte von Verordnungen, Versprechen und dem Versuch, früheres Unrecht wiedergutzumachen. Die Konflikte um die Gebiete dauern dennoch an. Und auch mit den wirtschaftlichen Interessen Europas hängen sie zusammen.
Taknhõs Wachposten liegt auf einer kleinen Insel. Er zeigt ihn: ein Holzunterstand, Hängematten, ein Topf über der Feuerstelle. An der Wand hängt ein Fernseher. Die Hitze ist erdrückend.
Taknhõ ist der Kazike eines kleinen Dorfes, etwa eine Stunde flussabwärts. So nennen sie ihre Anführer. Er hat das Amt von seinem Großvater übernommen. Wie die meisten Kayapó trägt er keinen „kolonialen“ Nachnamen, sondern einfach den Namen seines Volkes. Er erwartet sein erstes Kind und arbeitet als Lehrer in der kleinen Dorfschule. Rund 100 Menschen wohnen dort.
Sich selbst bezeichnet er als „guerreiro“, als Krieger. Denn: Was sie hier führen, sei ein Krieg. Früher, erzählt Taknhõ, gab es in der Region viele Konflikte mit den Weißen. Bis heute betrachten viele das geschützte indigene Land als Freifläche. Holzfäller, Landwirte, Fischer, vor allem aber die Goldgräber. Recherchen des Investigativportals Repórter Brasil zeigen, dass das Territorium der Kayapó von allen indigenen Gebieten Brasilien am stärksten vom illegalen Goldabbau bedroht ist.
Taknhõ hält nichts von Telenovelas, aber er liebt Fußball
Seit die Wache hier steht, sei es ruhiger geworden. Ihre Präsenz zeige Wirkung. Wie sie sich verteidigen? Taknhõ hebt Pfeil und Bogen hoch, er grinst. „Damit.“ Der Pfeil ist aus Bambus, hinten stecken Papageienfedern, vorne der Stachel eines Rochens. Sein Großvater habe ihm beigebracht, damit umzugehen. Bis zu fünfzig Meter könne er damit schießen.
Doch die meiste Zeit passiert hier wenig. Die Wächter warten, oft tagelang, häufig vor dem Fernseher. Taknhõ hält nichts von Telenovelas, aber er liebt Fußball. Er ist Flamengo-Fan und steht bei der sogenannten Copa Xingu, eine lokale Fußballmeisterschaft, für sein Dorf im Tor. Abends gehen die Krieger im Fluss baden. Das Wasser, warm wie im Jacuzzi.
Taknhõ läuft über die Insel. Sie ist so klein, dass man sie in weniger als zehn Minuten durchquert. Er deutet auf Spuren im Sand. „Jaguar“, murmelt er. Vor ein paar Tagen, sagt er, sei das Tier einem Capybara, einem Wasserschwein, bis hierher gefolgt. Und es gibt noch andere nichtmenschliche Bewohner des Regenwaldes, denen man lieber nicht zu nahekommt. Kaimane, Anakondas, Spinnen. Abends hallen die Rufe der Brüllaffen von Baum zu Baum. Amazonien pur.
Die Kayapó leben in fünf zusammenhängenden Gebieten – mit einer Fläche größer der Portugals. Dort gibt es 16 Wachposten. Taknhõ ist seit 2017 im Dienst, alle anderen in seiner Gruppe sind Verwandte. Auf der Basis sitzt außerdem ein stämmiger Mitarbeiter der staatlichen Indigenenbehörde Funai. Er liegt die meiste Zeit in einer Hängematte, raucht ununterbrochen und schaut Videos auf seinem Smartphone. Eine Woche bleibt Taknhõ hier. Dann wird die Gruppe von einem anderen Dorf abgelöst. Ein Schichtsystem.
Wo ein großer Wald steht, sind große Interessen nicht weit
Die Kayapó schützen nicht nur ihr eigenes Territorium, sondern womöglich auch den Rest der Welt. Denn der Regenwald bindet Kohlenstoff. Wird er abgeholzt, gelangt CO₂ in die Atmosphäre und treibt die Erderwärmung voran. Deshalb muss so viel Wald wie möglich erhalten bleiben. Und das gelingt nirgends besser als dort, wo indigene Gemeinschaften das Sagen haben. In von Indigenen verwalteten Gebieten liegt die Abholzungsrate bis zu 50 Prozent niedriger als anderswo. Doch wo ein großer Wald steht, sind große Interessen auch nicht weit.
Während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 rückte Amazonien in den wirtschaftspolitischen Fokus des Staates. Ein „Land ohne Männer für Männer ohne Land“, wurde die Region damals angepriesen. Die angeblich unendlichen Weiten hier schienen ideale Voraussetzungen für eine rasante wirtschaftliche Entwicklung.
Was die COP30 bisher erreicht hat
Am Freitag endet die diesjährige Weltklimakonferenz. Erstmals findet sie in Amazonien statt, wo eine der zentralen Frontlinien der Klimakrise verläuft. Die Verhandlungen liefen überraschend produktiv, heißt es aus Verhandlerkreisen. Und die Indigenen konnten ihren Einfluss geltend machen. Ein wichtiger Moment war die Vorstellung eines Landrechte-Abkommens, dem sich 15 Staaten angeschlossen. Bis 2030 sollen 63 Millionen Hektar indigener Gebiete anerkannt werden. Die Lebensweise der indigenen Völker wie der Kayapó gilt als Beispiel dafür, wie der für den Klimaschutz essenzielle Regenwald geschützt werden kann. In der Nacht zum Donnerstag wurden auch die Verhandlungen zu einem milliardenschweren Fonds konkreter, mit dem der Wald erhalten werden soll.
Der Waldschutzfonds
Der Tropical Forest Forever Facility (TFFF) ist ein neuartiger Finanzierungsmechanismus, bei dem öffentliche und private Mittel gebündelt werden sollen, um tropische Wälder langfristig zu schützen. Länder, die ihren Wald erhalten, bekommen Zahlungen pro Hektar intakter Fläche. Mindestens 20 Prozent dieser Gelder sollen direkt an indigene Gemeinden fließen. Die Bundesrepublik Deutschland sagte am Donnerstag zu, über einen Zeitraum von 10 Jahren eine Milliarde Euro beizusteuern. Norwegen will sich mit mehr als zwei Milliarden Euro im gleichen Zeitraum einbringen. Auch Brasilien und Indonesien wollen eine Milliarde Euro beisteuern. Insgesamt sollen so 125 Milliarden Euro zusammenkommen. Den Fonds gegründet hatten Brasilien, Kolumbien, Ghana, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien und Malaysia – allesamt Länder mit großen tropischen Wäldern.
Brasiliens Regenwald-Politik
Präsident Lula da Silva präsentiert sich auf der COP einmal mehr als grüner Präsident. Nach Jahren der Zerstörung des Amazonas unter Jair Bolsonaro änderte sich mit seiner Rückkehr der politische Kurs Brasiliens. Doch bleibt die Politik des Gastgeberlandes widersprüchlich: Kürzlich genehmigte die brasilianische Regierung Ölprobebohrungen an der Amazonas-Küste. Ein Projekt, das auch indigene Territorien betreffen könnte. Unter anderem dagegen gab es vielerlei indigenen Protest während der COP. Und der zeigte Wirkung. Noch während der Konferenz unterzeichnete Lula die Anerkennung vier indigener Territorien, weitere 16 Gebiete könnten bald folgen. Für die Indigenen Brasiliens ein großer Erfolg.
Die benötigte Arbeitskraft fand man wiederum im hungergeplagten Nordosten. Die Militärführung setzte auf gigantische Infrastrukturprojekte, baute Staudämme, Straßen, neue Städte. Die Kayapó standen dem vermeintlichen „Fortschritt“ im Weg. Wieder einmal.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie erstmals mit Weißen in Kontakt gekommen. Die Folgen für sie waren verheerend: Versklavung, eingeschleppte Krankheiten, beinahe völlige Auslöschung. Ihre Resilienz und die Weite des Waldes ermöglichten ihr Überleben.
Ein Hauch Wilder Westen – in Amazonien
Die Kayapó gelten als besonders stolz und unabhängig. Viele ihrer kulturellen Traditionen haben sie bewahrt. Berühmt sind sie für ihren Federschmuck. Zu ihren prominentesten Persönlichkeiten zählt der Kazike Raoni, weltweit bekannt durch seine Tellerlippe und seinen Einsatz für indigene Rechte. Prominente Unterstützer wie Sting oder Leonardo DiCaprio machten ihr Anliegen international sichtbar. Doch trotz dieser starken Lobby bleiben die Kayapó Angriffen ausgesetzt.
Wenn man an den Rändern ihres Territoriums unterwegs ist, sieht man, wie das Entwicklungsversprechen vieler Politiker*innen aussieht. Stundenlang holpert man über bucklige Straßen, vorbei an plattgefahrenen Gürteltieren. Kilometerlange Weiden ziehen vorbei. Kühe glotzen hinüber.
Man fährt durch Orte wie Eldorado und Ourilândia do Norte – „Goldland des Nordens“ –, wo Plakate für Rodeoshows hängen und im Fernsehen Kuhauktionen wie Fußballspiele laufen. Stämmige Männer mit Cowboyhut und Goldketten sitzen in überdimensionierten Trucks, aus den Boxen dröhnt Sertanejo, brasilianische Country-Musik. Ein Hauch Wilder Westen – in Amazonien.
Wo einst Wald stand, entstehen Kuhweiden, in einigen Regionen auch Sojafelder. Damit lässt sich viel Geld verdienen. Die Agrarindustrie boomt. Ein Großteil der Produkte wird exportiert, auch nach Deutschland. Im Nationalkongress zählt die Agrarfraktion zu den einflussreichsten politischen Gruppen. In Bundesstaaten wie Pará bilden sich oft mächtige Seilschaften aus Politik, Justiz und Großgrundbesitzern. Wer sich ihnen entgegenstellt, lebt gefährlich. Neben Umweltschützer*innen sind es vor allem die Indigenen, die Widerstand leisten. Als besonders wehrhaft gelten die Kayapó.
Das Gebiet der Kayapó ist gewaltig
Wer in ihr Territorium will, braucht neben allerlei Genehmigungen und medizinischen Tests vor allem eines: Geduld. Ihr Gebiet ist gewaltig. Einige Dörfer liegen tief im dichten Amazonaswald, so auch Kubēkrãkênh. Übersetzt bedeutet der Name „kahler weißer Mann“. Das Dorf soll nach einem Missionar benannt sein, der einst hierherkam, um die Kayapó zu bekehren. Ohne Erfolg.
Eine Reihe von Anbietern fliegt mit Privatmaschinen in die abgelegene Region. Eine solche steht auf dem Rollfeld einer Kleinstadt im Süden des Bundesstaates Pará. Anschnallen, ein kurzer Funkspruch des Piloten, die Propeller setzten sich in Gang, dann hebt die Maschine ruckelnd ab. Kaum über den Wolken breitet sich darunter ein zerrissener Flickenteppich aus. Zwischen hellen Flecken und geraden Schneisen tauchen überall weiße Punkte auf: Rinderherden.
Dann, abrupt, ein Schnitt. Eine schnurgerade Linie markiert die Grenze. Dahinter beginnt das tiefe Grün. Wald, der sich bis zum Horizont erstreckt. Nur hin und wieder zieht die geschwungene Linie eines schlammbraunen Flusses durch die Landschaft. Das Land der Kayapó.
Am Fenster der Maschine sitzt ein Mann. Oberkörperfrei, eine Perlenkette um den Hals, schwarze, gezeichnete Linien im Gesicht. Es ist Bekuwa Kayapó, Sohn des Kaziken von Kubēkrãkênh. Er nippt an einer Cola, spielt mit dem Handy. Im Flieger gibt es WLAN. Er erzählt, dass er schon in der Stadt gelebt habe, für Schule und Arbeit.
Das Geschäft ist zu lukrativ: Der Goldpreis hoch wie selten
Plötzlich taucht unten ein riesiges Gelände auf, ähnlich einer Mondlandschaft. Teiche mit türkis-grünlichem Wasser, Schutthügel überall, es sind Goldminen. Bekuwa schüttelt den Kopf. „Das macht mich sehr traurig.“ Die Minen verschmutzen die Flüsse, vergiften die Fische, viele Menschen werden krank. „Das Gold zerstört unsere Lebensgrundlage.“
Und dann tauchen auch einige Hütten mit Strohdächern auf, es sind indigene Dörfer. Einige „Verwandte“, erzählt Bekuwa, seien im Goldabbau beteiligt. Sie hätten sich vom schnellen Geld verführen lassen. Die Regierung habe eigentlich schon eingegriffen, Minen gestoppt, Ausrüstung zerstört, Millionenverluste verursacht. Doch die Goldgräber geben nicht auf, sie ziehen einfach weiter oder kehren zurück.
Eigentlich sollte hier niemand arbeiten, trotzdem fährt ein Bagger über das Gelände. Das Geschäft ist zu lukrativ: Der Goldpreis ist so hoch wie selten zuvor. Recherchen zeigen: Viel von dem Gold, das auch an Fingern in Europa steckt, stammt aus illegalen Minen. Internationaler Druck hin oder her.
Das Dorf von Bekuwa duldet keinen Goldhandel. Es liegt malerisch zwischen Regenwald und einer Savannenlandschaft. Eine kleine Piste im Regenwald dient als Landebahn. Kazike Beprere, 52, Federschmuck auf dem Kopf, empfängt die Ankommenden am Flugplatz. Er ist ein fröhlicher Mann, der nur gebrochen Portugiesisch spricht.
Rund 13 Prozent der Landesfläche Brasiliens sind als indigene Gebiete geschützt
Das Dorf besteht aus einem großen Platz, ringsherum stehen Hütten. Dicke Schweine und Hühner laufen umher, Kinder toben, es riecht nach dampfendem Essen. Rund 140 Personen leben in der Gemeinde. Beprere wohnt in einem Holzhaus, es ist dunkel im Inneren. Wie viele Kayapó hat er einen Hauspapagei. Seine Frau spricht kein Portugiesisch, sie knackt Piqui-Früchte auf. Im Fernseher läuft das Video einer indigenen Zeremonie.
Beprere schlendert einen kleinen Waldweg entlang, man hört das Rauschen eines Wasserfalls. Das Wasser sei sauber, sagt er, nicht so wie anderswo. Oft versammelt sich die Gemeinde hier. Kinder baden, lassen sich unter dem Wasserfall brausen und vom Strom treiben. Die mutigsten Jugendlichen springen von oben herunter. „Wir lieben unser Land, deshalb würden wir es nie zerstören.“
Schon sein Urgroßvater hat hier gelebt. Auch seine Enkel sollen hier weiterhin leben können. Und bisher gab es nur wenige Probleme. Das liegt vor allem daran, dass die Gemeinde so abgelegen ist. Zum nächsten Dorf braucht man einen Tag mit dem Boot, in die nächste Kleinstadt fünf Tage. In der Regenzeit erreicht man den Ort nur per Flugzeug. Eine Straße gibt es nicht. Es liegt aber auch daran, dass ihr Gebiet geschützt ist.
Die Geschichte der „demarcações“, der Anerkennung indigener Gebiete, zählt zu den größten Errungenschaften der brasilianischen Indigenen seit dem Kolonialismus. Die progressive Verfassung von 1988 nach dem Ende der Militärdiktatur setzte eine ganze Reihe von Veränderungen um. Sie erklärte Amazonien zum nationalen Erbe, brach mit der Assimilierungspolitik und erkannte Landrechte an.
In den demarkierten Gebieten sind kommerzielle Aktivitäten wie Bergbau stark eingeschränkt, der Zugang ist nur mit Genehmigung möglich, die Gemeinschaften leben dort weitgehend autonom. Heute sind rund 13 Prozent der Landesfläche Brasiliens als indigene Gebiete geschützt.
Das Dorf von Beprere verfolgt einen pragmatischen Ansatz
Dennoch: Viele Gemeinschaften warten bis heute auf die Anerkennung ihres Landes. Und einige wollen sich nicht auf den Staat verlassen. Manche indigene Gruppen haben sich schon vor Jahrzehnten für die freiwillige Isolation entschieden. Auch einige Kayapó leben vollständig zurückgezogen im Wald. Sie haben keinerlei Kontakt zur Außenwelt und gelten als „unkontaktierte Völker“.
Das Dorf von Beprere verfolgt einen pragmatischen Ansatz. Mittlerweile sind sie über Handys mit der Außenwelt verbunden, im Notfall fliegt man in die Stadt. Doch die Behandlung in den Krankenhäusern sei nicht immer gut. Gegenüber den Indigenen gebe es „viele Vorurteile“, sagt Beprere.
Beprere Kayapó, Kazike von Kubēkrãkênh
Was sie noch mit der Welt der Weißen verbindet: der Fußball. Alle haben Lieblingsteams, sie tragen die Logos als Perlenketten um den Hals. Im Dorf gibt es einen Fußballplatz. Beprere spielte lange dort. Bis das Knie anfing wehzutun. Heute schaut er die Spiele lieber im Fernsehen.
Beprere führt an den Rand des Dorfes. Dort stehen schicke Holzhütten, verziert mit traditionellen Mustern, daneben Toiletten mit breiten Spülbecken. Im vergangenen Jahr haben sie ein Tourismusprojekt gestartet. Selbstverständlich mit Genehmigung, wie Beprere betont. Doch die Anreise ist schwierig und teuer. Nur acht Besucher*innen kamen 2024. Im nächsten Jahr sollen es mehr werden.
„Indigenenrechte sind nicht verhandelbar“
Trotz dieser Offenheit hat die Gemeinschaft klare Regeln. Alkohol, Drogen und Prostitution sind verboten, Beziehungen mit Weißen untersagt, ebenso das Tragen von Gold. Beprere sagt, es sei ihnen wichtig, die eigene Kultur zu bewahren. Nicht alles von außen zu übernehmen. An vielen Feiertagen bemalen die Bewohner*innen ihre Körper mit der schwarzen Farbe der Jenipapo-Frucht. Seine Einweihung als Kazike sei fünf Tage lang gefeiert worden.
Dann stapft Beprere los und lässt die Gemeinde hinter sich. Nach ein paar Minuten erreicht er ein eingezäuntes Feld. „Damit die Capybaras unsere Ernte nicht fressen“, sagt er. Hier bauen sie Maniok und Yams an, an anderen Stellen Bananen und weitere Früchte. Im Wald jagen sie Wildschweine, in den Flüssen fischen sie. Nur Zucker und Bohnen kaufen sie in der Stadt.
Einmal im Jahr legen sie auf dem Feld Feuer, um den Boden fruchtbar zu machen. Dafür wird die umliegende Erde vorher vom Pflanzenbewuchs befreit, sodass sich die Flammen nicht ausbreiten können. Während das Feuer anderswo oft außer Kontrolle gerät, bleibt es hier sicher begrenzt.
Zwei Wochen später steht Beprere auf einer Straßenkreuzung in Belém, wirkt etwas verloren. Um ihn herum wird gejohlt, getrommelt, gesungen. Die Sonne peitscht unbarmherzig herab, der Schweiß läuft. Es ist eine der vielen Demonstrationen rund um die dort stattfindende Weltklimakonferenz. Beprere ist dafür zusammen mit seiner Frau in die Milllionenstadt gereist.
Er trägt eine Fahne mit der Aufschrift: „Indigenenrechte sind nicht verhandelbar.“ Die Demarkation weiterer Territorien ist die Hauptforderung im Indigenen-Block der Demo. Beprere sagt, er hoffe, dass bald viele „Verwandte“ so leben können wie er in seinem abgelegenen Dorf, mitten im Amazonas-Regenwald. Und das könnte auch der Welt helfen. „Die Anerkennung unserer Territorien ist die beste Klimapolitik“, ruft er und verschwindet im Gewimmel.
Die Recherche wurden vom Rainforest Foundation Norway finanziert.
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