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Urteil im Fall SchlesingerDoch keine Ohrfeige für den RBB

Der RBB muss Patricia Schlesinger ein Ruhegeld auszahlen – das entschied das Landgericht Berlin. Warum das für die Ex-Intendantin kein Sieg ist.

Die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger im Berliner Landgericht, 15. 1. 2025 Foto: Christian Ditsch/imago

Berlin taz | Verwaltungsräte sind normalerweise zurückhaltende Zeitgenossen. Vor allem, wenn sie in einem Gerichtsverfahren Partei sind. Doch am Mittwoch stand RBB-Verwaltungsrat Benjamin Ehlers im Berliner Landgericht die gute Laune ins Gesicht geschrieben.

Da war der RBB eigentlich in Sack und Asche angetreten, um die nächste Watsche in der juristischen Auseinandersetzung mit seinen in den RBB-Skandal von 2022 verwickelten Führungskräften zu kassieren. Doch dann lief es ausgerechnet im von seiner ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger angestrengten Prozess ganz anders – und der Sender bekam endlich einmal die Oberhand. „Wir hatten eigentlich mit einer Niederlage gerechnet“, sagte RBB-Justiziarin Kerstin Skiba verwundert, als alles vorbei war.

Das Gericht sprach dem RBB Schadensersatz­ansprüche gegen Schlesinger zu

Ja, der RBB muss seiner Ex-Chefin zwar das ihr vertraglich zugesicherte monatliche Ruhegeld in Höhe von exakt 18.384,50 Euro zahlen, und das auch noch mit Zinsen. Doch erst mal nur für einen Monat. Und viel wichtiger für die klamme ARD-Anstalt ist, dass ihr das Gericht in diesem Zivilverfahren grundsätzlich Schadensersatzansprüche gegen Schlesinger zusprach. Die haben es jetzt schon in sich – und könnten noch mal deutlich steigen.

Denn das Gericht hat zusätzlich den dicksten Streitpunkt, die Saga um das geplante digitale Medienhaus des RBB, vom laufenden Verfahren abgetrennt. Die hochfliegenden Planungen, die den in Sachen Digitalisierung tatsächlich eher rückständigen Sender endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren sollten, haben den RBB nach Angaben des Verwaltungsratsvorsitzenden Wolfgang Krüger 13,6 Millionen Euro gekostet. Ohne dass auch nur ein erster Spatenstich erfolgt wäre.

Die Kosten für das nach Schlesingers Abgang schnell beerdigte Prestigeobjekt waren zum Schluss auf 310,6 Millionen Euro gestiegen, so hatte es der RBB-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags festgestellt. Doch den Sendergremien und der Öffentlichkeit waren immer deutlich niedrigere Summen vorgegaukelt worden.

Generalstaatsanwaltschaft ermittelt weiter

Wie es dazu kam und wer neben Schlesinger die Verantwortung trägt, interessiert auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sie ermittelt weiterhin unter anderem gegen Schlesinger, deren Ehemann und den früheren Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf, es gilt die Unschuldsvermutung. Im Straf- wie im Zivilverfahren dürfte es dann um Fragen des Ausschreibungsrechts, obskure Beraterverträge und Verstöße gegen diverse RBB-interne Regularien gehen. Besonders die Verantwortung von Wolf, der als graue Eminenz der Berliner Immobilienwirtschaft und Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Berlin beim RBB mindestens eine Doppelrolle spielte, ist bis heute in weiten Teilen ungeklärt.

Die Staatsanwaltschaft interessiert sich neben dem digitalen Medienhaus auch für die umstrittenen Bonuszahlungen, die unter Schlesinger beim RBB für die Führungsspitze als „variable Vergütung“ üblich waren. Eingeführt hatte sie dieses Bonus­system zwar nicht, wohl aber modifiziert. Hier hat das Landgericht in seinem Urteil nun bereits festgestellt, dass Schlesinger dafür haftet.

1,7 Millionen Euro will der RBB nach Gerichtsangaben in Sachen Boni geltend machen, dazu kommen noch mal 88.000 Euro aus der sogenannten ARD-Zulage, die bestimmten Mitarbeitenden während des kurzlebigen ARD-Vorsitzes des RBB 2022 gezahlt wurden. Zwar ist es in der ARD üblich, dass reihum immer eine Anstalt für zwei Jahre den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland übernimmt und die Kosten dafür umgelegt werden.

Zusätzliche Apanagen für ohnehin das voll und gar nicht mal schlecht bezahlte Spitzenpersonal sind dabei aber nicht vorgesehen. Ursprünglich hätte der RBB die ARD in den Jahren 2022/23 führen sollen. Doch schon vier Tage bevor Schlesinger als Intendantin am 8. August 2022 gehen musste, war es mit dem – übrigens erstmaligen – ARD-Vorsitz des RBB schon wieder vorbei, was auch die verhältnismäßig niedrige Summe von 88.000 Euro erklärt.

Ob Schlesinger hier in voller Höhe zur Kasse gebeten wird, wird sich allerdings erst zeigen. Hierüber werde noch im laufenden Verfahren entschieden, kündigte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort an. Aus Verwaltungsratskreisen heißt es, weder für die Boni noch die ARD-Zulage gebe es nachvollziehbare Beschlüsse des damaligen, von Wolf geführten Verwaltungsrats. Obwohl das Gremium solchen Regelungen hätte zwingend zustimmen müssen, sei das Ganze von Wolf und Schlesinger offenbar tatsächlich zwischen Tür und Angel abgemacht worden.

Sie habe ihre Pflicht verletzt

Genauso wenig ist klar, wie es mit den Ruhegeldansprüchen der ehemaligen Intendantin weitergeht. Vermutlich um die Prozesskosten gering zu halten – in Zivilverfahren orientieren sich diese an den aufgerufenen Streitwerten – hatte Schlesinger testweise nur ihren Ruhegeldanspruch für den Januar 2023 eingeklagt. Es handele sich um „keine Vorabentscheidung, wie es mit dem Ruhegeld darüber hinaus weitergeht“, sagte Markfort nach der Urteilsverkündung am Mittwoch. Weil es nun aber nur eine Entscheidung über den einen Monat gibt, muss Schlesinger jetzt erneut klagen – oder sich mit dem RBB anderweitig einigen.

Der RBB hatte argumentiert, dass Schlesingers Anspruch auf die ihr vertraglich bis zum Lebensende zustehenden Zahlungen „sittenwidrig“ sei, war damit aber nicht durchgekommen. „Dass wir beim Ruhegeld keine guten Karten hatten, war uns nach dem ersten Verhandlungstermin im Januar klar“, meinte der Verwaltungsratschef Krüger dann auch nach der Urteilsverkündung. Doch selbst wenn Schlesinger die weiteren Ruhegelder erfolgreich einklagt, könne jetzt immerhin „gegengerechnet werden, was dem RBB an Schaden entstanden ist“. Und daher habe auch ihn „das Urteil in der Deutlichkeit positiv überrascht“.

Und noch eine Entscheidung von Mittwoch könnte sich für Schlesinger als äußert heikel erweisen. Das Gericht sprach dem RBB nämlich einen weiteren Schadensersatzanspruch zu und verurteilte seine frühere Intendantin „zu Zahlungen an den RBB in Höhe von rund 24.000 Euro wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstwagen und Reisekosten“. Dabei ist nicht so sehr die Summe entscheidend, sondern das Wort Pflichtverletzung.

Als Intendantin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Schlesinger Amtsträgerin im Sinne des Strafgesetzbuchs. Für diese Personengruppe, zu der auch Richter*innen, No­ta­r*in­nen oder Mi­nis­te­r*in­nen zählen, gelten besondere strafrechtliche Regelungen, wenn sie im Amt Mist bauen und so ihre Amtspflicht verletzen. Dazu gehören Falschbeurkunden, die Verletzung von Dienstgeheimnissen, aber auch Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Und genau zu diesen letzten Punkten, Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft, ermittelt ja immer noch die Generalstaatsanwaltschaft.

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