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Der Panzer und die PunksDen Schrott vor die Tür stellen

Ob russischer Panzer vor russischer Botschaft oder Widerstand von Punks gegen die Volkspolizei: Der anarchistische Impuls ist meist politisch richtig.

Dieser russische Panzer sollte Kiyiv erorbern, wurde aber durch eine Panzerabwehrmine zerstört Foto: Fabrizio Bensch/reuters

E rst kam der Winter zurück, dann kam der Panzer. Das abrupte Sinken der Temperatur in der Nacht wäre auszuhalten gewesen. Es ist Winter in Berlin. Man nimmt ihn hin, wie jedes Jahr. Das Problem war der Regen und der beißende Wind, die sich dazugesellten, als ich am Freitagvormittag auf dem Weg ins Büro einen Schlenker Richtung russische Botschaft machte.

Bis zuletzt hatte ich leisen Zweifel gehegt, ob er wirklich da sein würde, der Panzer. Es handelt sich um ein Exemplar des Modells T-72 B1, noch zu Sowjetzeiten, im Jahr 1985 hergestellt. In den ersten Kriegstagen bei der Schlacht um Kyiv war das Kriegsgerät der Invasoren nahe dem Dorf Dmytrivka durch eine Panzerabwehrmine zerstört worden.

Sie machen jeden Tag weiter

Und nun stand er wirklich Unter den Linden. Auf dem breiten Mittelstreifen zwischen den Fahrspuren ruhte der Panzer auf einer Lafette, seine Kanone auf die russische Botschaft gerichtet. Keine freundliche Geste, aber angemessen, wenn man den Vertretern dieses Staats deutlich machen will, was man von seiner faschistischen und imperialistischen Politik hält.

Oder, wie es die Initiatoren dieser künstlerischen Intervention formulierten: „Wir wollen den Terroristen ihren Schrott wieder vor die Tür stellen. Sie haben gemordet, geplündert, Millionen Menschen vertrieben und machen einfach jeden Tag weiter.“ So hatte es vorab Wieland Giebel vom Berlin Story Verlag gesagt, der gemeinsam mit Enno Lenze die Aktion plante, die peinlicherweise beinahe vom Bezirksamt Mitte von Berlin verhindert worden wäre.

Hase und Igel

Angeblich stand auf einigen Panzern, die auf die ukrainische Hauptstadt zurollten, die Parole „Nach Berlin“. Es ist nicht anzunehmen, dass die russischen Panzer wirklich weiter gen Berlin rollen sollten. Die Parole verweist lediglich auf Putins lächerliche Propaganda, wonach dieser Krieg, der auf die Vernichtung eines benachbarten demokratischen Staats abzielt, eine Wiederholung des „Großen Vaterländischen Kriegs“ sei: Einst saßen die Nazis in Berlin, nun in Kyiv? Wie gut diese irre Erzählung funktioniert, zeigt sich einen Tag später, als Sahra Wagenknecht vor dem Brandenburger Tor gegen „grüne Panzernarren“ agitiert.

Aber noch ist Freitag, und ich habe das Vergnügen, mich abends in der Buchhandlung Einar & Bert mit Henryk Gericke unterhalten zu dürfen, der sich darum verdient macht, die Geschichte von Punk in der DDR vor dem Vergessen zu bewahren. Danach erzählt ein Punk aus Halle, wie sie auf Pressefesten mit ihren Ghettoblastern die sozialistische Ordnung infrage stellten und viel Spaß daran hatten, mit den staatlichen Organen, die Punks brutal und mit allen Mitteln des Unrechtsstaats verfolgten, Hase und Igel zu spielen.

„Hallo, hier sind wir!“

Brave Bürger wurden von den Punks dabei als Deckung genutzt. Man legte sich, wenn einem die Volkspolizei zu nahe kam, kurz neben die Picknickdecke einer Familie, natürlich nicht, ohne vorher freundlichst um Erlaubnis gebeten zu haben, um der Exekutive wenig später aus der Ferne zuzurufen: „Hallo, hier sind wir!“

Wenn ein Vopo das Pech hatte, allein einem Punk gegenüberzustehen, konnte es vorkommen, dass er eine aufs Maul bekam, sagt der alte Punk aus Halle und freut sich noch vierzig Jahre später darüber. Der Macht, die missbraucht wird, ist halt nicht immer mit friedlichen Mitteln beizukommen. Was den Hallenser Punks selbstverständlich war, ist den Wagenknechts, Lafontaines und Schwarzers keine Überlegung wert.

Seine Band, seine Instrumente

Später ziehe ich weiter zum Geburtstagskonzert von ZSK. Deren neues Album, „Hass Liebe“, ist eben erschienen und gleich auf Platz vier der deutschen Charts eingestiegen. Die Halle ist ausverkauft und voller junger Leute. Im 25. Jahr nach ihrer Gründung dürfen sich ZSK darüber freuen, dass ihnen das problemlos gelingt. Backstage schneidet Sänger Joshi selbst den Geburtstagskuchen an und verteilt ihn. Ihm ist wichtig zu betonen, dass er nach Konzerten selbstredend auch beim Einladen der Instrumente hilft: Seine Band, seine Instrumente. Wenn es ein Weekend-Fazit zu ziehen gälte, fände ich mich in der Auffassung bestätigt, dass man sich auf Anarchistinnen und Anarchisten praktisch wie politisch meist verlassen kann.

Auf dem Heimweg eskaliert das Wetter weiter, Eisregen. Sonntags endlich Sonne, allein die Nase läuft bereits.

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Ulrich Gutmair
Kulturredakteur
Kulturredakteur der taz. Hat Geschichte und Publizistik studiert. Aktuelles Buch: "'Wir sind die Türken von morgen'. Neue Welle, neues Deutschland". (Tropen/Klett-Cotta 2023).
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5 Kommentare

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  • Was wohl die Bandera- Verherrlicherinnen mit den Punks vorhaben, ich befuerchte, nichts Gutes.

  • Die Richtigkeit mit Panzern und Punks gilt nur für den autoritären Teil. Der Großteil von Punks mag sowas jedoch nicht, weil Militär oder Autoritäten an Diktatur erinnert. Genügend Zeugnisse gibt es nicht nur, wenn man mit Leuten aus Kiezen spricht, sondern auch auf indymedia.

    Dass Anarchismus grundsätzlich eine gute Idee ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Selbstorganisation ohne einen Herrschenden ist ein großes Plus für Mensch und Umwelt.

  • Schöne Panzer-Punk-Geschichte.

    Viva L' Anarchia!