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Der Krieg droht sich auszuweitenDer Spielball Russlands

Russland versucht sich anscheinend das prorussische Transnistrien zunutze zu machen. Der Geburtsort unserer Autorin wird damit zum Machtinstrument.

Wandmalerei vor dem Quartier der russischen Truppen in Tiraspol Foto: Dmitri Lovetsky/ap

E s ist ein schmerzhafter Gedanke: Der Krieg droht sich auf ein anderes europäisches Land auszuweiten – die Republik Moldau und ihren abtrünnigen Landesteil im Osten Transnistrien. Dort gab es in den vergangenen Tagen angebliche „Terrorakte“, Explosionen und beschädigte Sendemasten. Wer dahinter steckt: unklar. Alles erinnert aber an das übliche Schauspiel, wie man es 2014 aus dem Donbass kennt. Unruhen werden von russischer Seite provoziert, Anschläge verübt, Lügen verbreitet.

Vor Wochen wurde davor gewarnt, dass Russland das prorussische Transnistrien benutzen könnte, um einen Landkorridor über den gesamten Süden der Ukraine zu schaffen, um als nächstes Moldau anzugreifen. Kürzlich verkündete der russische General Rustam Minnekajew die zweite Phase des Krieges in der Ukraine ganz offiziell: die vollständige Kontrolle über den Donbass und die Südukraine. In Transnistrien gebe es „ebenfalls Fakten der Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“, sagte er und bediente sich damit einer altbekannten Lüge der politischen Führung vom russischen Befreier, der zur Hilfe eilt, um damit militärisches Eingreifen zu rechtfertigen.

Ich kann Ihnen versichern, dass in Transnistrien Russen nicht unterdrückt werden. Anfang der Neunzigerjahre herrschte in der Region ein kurzer, aber blutiger Bürgerkrieg. Daraus hervor ging Transnistrien – de facto ist es unabhängig, blieb völkerrechtlich bis heute Teil Moldaus.

Für seine imperialen Machtansprüche ist Putin bereit, alles zu opfern

Auch wenn Ukrainisch, Moldauisch und Russisch gleichwertige Landessprachen sind, wird Letzteres dort überwiegend gesprochen. Haupt­informationsquelle sind für viele Ein­woh­ne­r:in­nen des Landes russische Fernsehsender. Und die transnistrische Führung ersuchte mehrmals um den Anschluss an die russische Föderation – vergeblich.

Im Ukrainekrieg hat Transnistrien bisher vermieden, sich klar zu positionieren. Einerseits verzichten staatliche Medien darauf, den Krieg als solchen zu benennen – aus Angst, Russland zu verärgern. Von ihm wird es seit dreißig Jahren finanziert, hauptsächlich mit kostenlosen Gaslieferungen. Ukrainische Flüchtlinge, die seit dem 24. Februar zahlreich ins Land gekommen sind, stehen hingegen im Zentrum der Berichterstattung. Bis Anfang April sollen transnistrischen Angaben zufolge 21.000 Menschen aus der Ukraine eingereist sein.

Ein zerrissenes Land

Aktuell ist Transnistrien ein zerrissenes Land. Wohl auch wegen der eigenen Kriegserfahrung von 1992 und weil rund ein Drittel der Bevölkerung Ukrai­ne­r:in­nen sind, viele Be­woh­ne­r:in­nen also Verwandte im Krieg haben, ist der Wunsch nach Frieden bei einigen groß. Eine junge Frau sagte moldauischen Reportern vor Kurzem: „1992 flohen wir noch zu unseren Verwandten in die Ukraine, jetzt fliehen sie zu uns.“

An den Grenzübergängen zwischen Transnistrien und Moldau haben sich in den vergangenen Tagen lange Schlangen gebildet. Aus Angst verlassen bereits viele das Land. Andere wiederum warten seit dreißig Jahren darauf, endlich Teil Russlands zu werden und hoffen, der Krieg wird ihren Wunsch in Erfüllung gehen lassen. Dabei begreifen sie nicht, dass sie für Putin ein Spielball sind. Für seine imperialen Machtansprüche ist er bereit, alles zu opfern, auch die Russischsprachigen.

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Während man sich in Deutschland nach einer peinlichen Ewigkeit durchringen konnte, schwere Waffen an die Ukraine liefern zu lassen, droht sich der Krieg dramatisch auszuweiten. Die Allianz gegen Putin muss nun Stärke und Geschlossenheit beweisen und versichern, dass es an der Seite Moldaus steht. Putin wird weitermachen, bis man ihn stoppt.

Niemals hätte ich gedacht, dass Transnistrien, mein Geburtsort, so prominent in den Nachrichten landet. Ich bin froh, wenn es daraus wieder verschwindet.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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10 Kommentare

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  • "Ich erwähne dies nur, um die Behauptung, dass Unruhen im Donbass Gebiet von Russland geschürt wurden, in FRgae zu stellen."

    Das brauchen Sie nicht extra dazuschreiben, ihre Intention erkennt man auch so. Aber rhetorisch gut gemacht, so ein doppelter Disclaimer in alle Richtungen zum Abschluss.

  • Liebe Frau Zingher,

    habe Sie für Ihre Einschätzung bezüglich des Donbass: " ...wie man es 2014 aus dem Donbass kennt. Unruhen werden von russischer Seite provoziert, Anschläge verübt, Lügen verbreitet." konkrete Anhaltspunkte oder Beweise?



    Soweit ich mich erinnere wurde 2013 der Ukraine mit ihrem gewählten Präsidenten Janukowitsch das Assozierungsabkommen mit der EU versagt. Danach bot Präsident Putin der Ukraine eine Zollunion an, welche Präsident Janukowitsch nach der Abfuhr der EU offensichtlich in Betracht zog. Dies rief nun die USA, NATO und EU auf den Plan. Es gab Proteste und Unruhen in Kiew. Es fielen Schüsse und es gab Tote. Wer die Schüsse abgefeuert hat und woher die Waffen stammten blieb im Dunkeln. Es kam zu einem Putsch und eine neue Regierung nebst neuem Präsidenten wurde installiert. Bemerkenswerter Weise war die erste Finanzministerin ein Amerikanerin mit ukraininschen Wurzeln. Ihr wurde umgehend die ukrainische Staatsbürgerschaft gegeben. Den Einfluss auf die Ukraine von westlicher Seite, allen voran die Obama Aministration nebst Secretary of State Clinton und NATO, und die Auffrüstung (gegen wen) sind Fakten.



    Zur gleichen Zeit sind nationalistische Kräfte, ermutigt durch die anti-russische Politik der neuen Regierung, gewaltsam gegen Russen und Russisch sprechende vorgegangen. Es ist bekannt, dass es Bestrebungen gibt und gab, die russische Sprache zu verbieten. Stepan Bandera, der ukrainische Nationalist, Nazi-Kollaborateur und Anführer der OUN, wird nun offiziell als Held verehrt.



    Ich erwähne dies nur, um die Behauptung, dass Unruhen im Donbass Gebiet von Russland geschürt wurden, in FRgae zu stellen. Und auf keinen Fall möchte ich meinen Beitrag als Rechtfertigungsversuch für die Agression Russlands gegen die Ukraine verstanden wissen.

    • @RobTi:

      Danke Kaboom, Sie haben mir schon einige Gegenargumente abgenommen... bleibt mir nur: Finanzministerin Natalija Jareskos Wohnsitz war, bevor sie Ministerin wurde, bereits viele Jahre die Ukraine, daneben wurden auch 2 Minister aus Georgien und Litauen eingebürgert. Dies geschah, um der Korruption gezielt entgegenzuwirken. Ein Unterfangen, dass dem russischen Status Quo empfindlich widerspricht.

      • @M. Marcis:

        @m.marcis



        Frau Jeresko hatte zunächst bei der US Botschaft in Kiew gearbeitet und sich dann im Finanzbereich selbständig gemacht.



        Zitat Wikipedia: Poroschenko führte ihre Erfahrung im Private-Equity-Geschäft an, um so seine ungewöhnliche Entscheidung zu rechtfertigen, eine Amerikanerin die ukrainischen Finanzen verwalten zu lassen und ihr die Staatsbürgerschaft zu verleihen.[4] Das US-Außenministerium bestritt, ihre Berufung beeinflusst zu haben.

    • @RobTi:

      Hat ja nicht lange gedauert, bis die Trollfabriken ihren "Dienst" wieder aufnehmen



      In der realen Welt gab es weder eine "Abfuhr der EU" beim Assoziierungsabkommen (wie jeder, der fähig ist, eine Suchmaschine zu bedienen in wenigen Sekunden herausfinden kann) , noch hatten die Unruhen in der Ukraine irgend etwas mit einem angeblichen Angebot Russlands zu eine Zollunion zu tun.



      Auch gab es keinerlei "Putsch" in der Ukraine, und es wurde auch keine Regierung "installiert". Und der "Einfluss" der USA war Entwicklungshilfe. Die Verwendung jedes einzelnen Cents ist auf der Homepage von USAid nachzulesen.

      Achja: Wie ist heute das Wetter in Olgino?

      • @Kaboom:

        @KABOOM



        Wenn man keine guten Srgumente hat, greift man schnell mal zu Beleidgungen oder Unterstellungen - "Trollfabrik".



        Wie bezeichnet man eine gewaltsame Absetzung eines gewählten Präsidenten, wenn nicht Putsch?



        Bitte lesen Sie doch genau nach, wie das mit dem Assozierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine 2013 gelaufen ist, bevor Sie pauschal meine Bemerkung abtun.

        • @RobTi:

          "Wie bezeichnet man eine gewaltsame Absetzung eines gewählten Präsidenten, wenn nicht Putsch?"

          Es gab aber keine "gewaltsame Absetzung des Präsidenten". Janukowitsch hatte, nachdem mehrere Dutzend Abgeordnete seiner Partei der Regionen zur Opposition übergelaufen waren, keine Mehrheit im Parlament mehr und war deshalb gezwungen, einen Kompromiss mit der Opposition einzugehen. Dann hat er es sich anders überlegt, und hat sich selbst abgesetzt, und zwar nach Russland, woraufhin das Parlament per Beschluss mit großer (!) Mehrheit festgestellt hat, dass dies als Rücktritt vom Amt zu werten ist, und sodann einen Übergangspräsidenten benannt und Neuwahlen angesetzt hat. Während Janukowitsch von Russland aus "Putschisten, Putschisten" gerufen hat. Ein an den Umständen gemessen (wir sprechen ja von einem echten Systembruch, gemeinhin "Revolution" genannt) sehr legalistisches Verfahren, dass von relevanten staatlichen Instanzen/Gewalten - Polizei, Streitkräfte etc., als legitim anerkannt wurde.



          Ganz abgesehen davon kann natürlich auch der gewaltsamer Sturz eines Präsidenten legitim sein.



          Wenn Ihnen bereits die, mit einigen Jahren Abstand betrachtet, recht unspektakulären Vorgänge des Kiewer Maidan derartige Kopfschmerzen bereiten, sollten Sie sich zum Selbstschutz Augen und Ohren zuhalten und das Internet abschalten, wenn Putins Herrschaft zuende geht.

          • @Barbara Falk:

            Vielen lieben Dank für Ihren Tipp zu meinem Selbstschutz, Frau Falk! Sie haben mit allem, was Sie geschrieben haben, absolut recht. Dank Ihrer Aufklärung fühle ich mich schon viel besser. Alles Gute für Sie und machen Sie weiter so!

    • @RobTi:

      Die OSZE hat wiederholt berichtet dass die Provokationen im Donbass nicht, oder nur zu geringem Teil von der lokalen Bevölkerung ausgehen. Die OSZE war als Beobachter vor Ort als Teil des Minks II Abkommens.

      • @Michael Renper:

        Soso. Verlinken Sie doch bitte aus den täglichen Berichten der OSZE-Beobachtermission irgend etwas, dass Ihre Thesen stützt.