Der Klimawandel als Kriegstreiber: Scharmützel um den „Klimakrieg“
Der Klimawandel sei mitverantwortlich für den Krieg in Syrien, behaupten Politiker und Militärs. Wissenschaftler widersprechen.
Wissenschaftler des “Deutschen Klimakonsortiums“ (DKK) dagegen warnen vor Schnellschüssen. Klimawandel sei bei Konflikten „nur ein Treiber unter vielen“, heißt es in einer Erklärung des DKK (pdf-Datei), in dem sich deutsche Forscher und Institute zusammengeschlossen haben. „Unsere Daten erlauben keine solchen Rückschlüsse“, sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, zu den Behauptungen, die Dürre in Syrien sei Folge des Klimawandels.
Und Christiane Fröhlich vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg stellt nach einer Forschungsreise in den Nahen Osten die Annahme infrage, dass die Landflucht der Bauern zum Ausbruch des Konflikts geführt habe. „Die vielfach propagierte einfache Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch lässt sich so nicht halten“, sagt Fröhlich.
Die These von einem Klimakrieg in Syrien geht zurück auf eine Studie des US-Klimatologen Colin Kelley. Dort heißt es, die außergewöhnliche Dürre zwischen 2006 und 2010 habe die Ernten vernichtet und 1,5 Millionen Bauern vertrieben. Der Klimawandel habe die Dürre deutlich wahrscheinlicher gemacht und einen „katalytischen Effekt, der zum politischen Aufstand“ beitrage.
Radikalisierte Bauern
Bei Politikern und Medien in den USA und Großbritannien ist die These populär, die geflohenen Bauern in den Vororten der großen Städte hätten sich angesichts fehlender Perspektiven radikalisiert und zum Widerstand gegen das Assad-Regime beigetragen.
Becker und Fröhlich widersprechen. Es gebe mehr Dürren in den letzten 60 Jahren. Aber der Einfluss des Klimawandels auf die Dürregefahr sei „statistisch nicht signifikant nachweisbar, aufgrund der hohen natürlichen Schwankungsbreite des Niederschlags“, so Becker.
Fröhlich wiederum hat in Jordanien syrische Flüchtlinge befragt. Ihr Fazit: Zwar habe es während der Dürre mehr Migration gegeben, aber für Kleinbauern eher in andere ländliche Gebiete. „Weder war die Dürre der einzige Auslöser von Migration, noch waren es die Klimamigranten, die die Proteste initiiert haben“, sagt die Forscherin.
Militärisches Sicherheitsrisiko
Zunehmend würden Klima und Flüchtlinge als militärisches Sicherheitsrisiko wahrgenommen, warnt Fröhlich. Militärplaner etwa im US-Verteidigungsministerium haben die Erderwärmung ins Visier genommen und vor den Folgen für die „nationale Sicherheit“ gewarnt: durch Meeresspiegelanstieg, der Militärbasen bedroht, die Unterbrechung von Versorgungswegen durch Unwetter, aber auch durch soziale Unruhen und Flüchtlingsströme.
Der UN-Klimarat IPCC hat anerkannt, dass der Klimawandel zu Migration führen kann, allerdings sei eine direkte Verbindung oft schwierig zu beweisen. Armut und das Versagen von Staaten, beides Tendenzen, die Gewalt begünstigten, machten aber Menschen deutlich anfälliger für die Folgen der Klimaänderung, schreibt das Gremium in seinem 5. Sachstandsbericht 2014. Daher drohten „verwundbare“ Bevölkerungsgruppen doppelt zu Opfern zu werden: „Gewaltkonflikte in großem Maßstab beschädigen die Infrastruktur, Institutionen, natürliches und soziales Kapital und die Chance, den Lebensunterhalt zu verdienen.“
Auch Friedensforscherin Fröhlich warnt davor, dass in Verbindung mit Meldungen über „200 Millionen Klimaflüchtlinge“, die angeblich drohen, „ganz schnell Maßnahmen der Abschottung oder militärischen Abwehr von Flüchtlingen gerechtfertigt werden können, die sonst nicht denkbar wären“. Die Flüchtlinge würden dann nicht mehr als Opfer, sondern vor allem als Bedrohung wahrgenommen.
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