Der Iran und die US-Außenpolitik: Kein Grund aufzuatmen
Trump will die Welt sich selbst überlassen und strebt gleichzeitig nach Dominanz. Er sollte sich entscheiden – zum Wohl der Menschheit.
D ie US-Außenpolitik, zerrissen zwischen der Sehnsucht nach alter imperialer Größe und trotzigem Isolationismus, hat mit der Tötung Quasim Soleimanis gerade alle Gewissheiten der vergangenen 15 Jahre US-Nahostpoltik hinweggefegt. Ein neuer Krieg, wie er vielerorts als Horrorszenario beschworen wurde, ist zwar nicht eingetreten. Allgemeines Aufatmen bestimmt am Ende dieser Krisenwoche vielmehr die weltpolitische Stimmungslage. Ein toter General und ein symbolischer Raketenregen auf eine zuvor gewarnte Basis mit US-Soldaten, das erscheint nicht wie eine politische Katastrophe.
Dennoch wäre es naiv anzunehmen, dass damit schon alles ausgestanden sei. Die iranische Führung hat bei den Trauerfeierlichkeiten für den getöteten General den Teufel Amerika heraufbeschworen wie lange nicht. Mit Quasim Soleimani hat Amerika einen strahlenden Märtyrer für die religiöse Diktatur in Teheran erschaffen. Aus ihm wird höchstwahrscheinlich eine ganze Generation neuer Kämpfer erwachsen. Anschläge im Namen des Generals sind absehbar.
In der Person Trump bündeln sich die beiden Sehnsüchte der US-Amerikaner. Auf der einen Seite das traditionelle Streben nach einer globalen Dominanz. In der Rolle als Weltpolizist lässt Amerika die Muskeln spielen, droht mit seinem enormen Militärapparat und sanktioniert mit seiner überbordenden wirtschaftlichen Macht. Diese Politik verkörperte die Regierung von Trumps Vorvorgänger George W. Bush.
Auf der anderen Seite steht der Wunsch, endlich den Rest der Welt mit seinen Problemen sich selbst zu überlassen. Diese Politik des „Retrenchments“, des maßvollen Rückzugs, war der außenpolitische Kern der Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama.
Angetreten ist Trump als überzeugter Isolationist. Seine Politik des „America first“ zielt auf die einseitige Bevorteilung US-amerikanischer Unternehmen ab. Rabiat kündigt Trump dafür geltende internationale Verträge auf. Und weltweit sollen amerikanische Soldaten nach Hause geholt werden. Die Nato? Obsolet. Syrien? Bloß raus da. Die Ukraine? Sollen sich doch die Europäer mit rumschlagen.
Allein, die Welt macht es Trump nicht so leicht, dem Isolationisten in sich treu zu bleiben – und da scheint zugleich diese diabolische Lust in ihm zu lodern, jeden Konflikt auf die Frage zu reduzieren, wer der Stärkere ist. Vieles spricht dafür, dass dieses impulsive Verlangen nach Stärke auch den Ausschlag gab, Soleimani zu töten.
Nach einer Reihe von Provokationen durch Teheran hatten die Militärs Trump verschiedene Eskalationsszenarien vorgelegt. Er entschied sich für maximale Härte. In jenem Moment, als er von Florida aus den Einsatzbefehl gab, siegte der Interventionist über den Isolationisten.
Man darf bezweifeln, dass eine reine Strategie der Härte zur Befriedung der Region beiträgt. Aber noch schlimmer ist eine Politik, die alles und nichts zugleich tut, die tötet (im Fall Irans) und sich zurückzieht (aus dem Kampf gegen den IS), die signalisiert, dass Amerika sich keinen Deut um die Region mehr schert und zugleich völlig unberechenbar interveniert.
Bremse und Gas gleichzeitig
Bremse und Gas gleichzeitig zu betätigen, führt beim Autofahren im schlimmsten Ausgang zum Unfall. Der schlimmste Fall muss nicht immer eintreten, genauso wenig wie ein großer Krieg. Konsistentes Fahrverhalten sieht aber anders aus.
Iran konnte erst zur Regionalmacht aufsteigen, weil sich die USA Stück für Stück zurückgezogen haben. Trump hat sich vor Soleimani wenig für die Region interessiert und daran wird sich kaum etwas ändern. Die Folgen der Exekution werden den Nahen Osten aber noch lange beschäftigen, auch dann noch, wenn der US-Präsident längst zu seiner nächsten Muskelprobe weitergezogen ist. In einer Weltregion in der es keine guten Optionen gibt, ist die Mischung aus Vakuum und Hyperintervention die denkbar schlechteste.
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