Der BND und die Anfänge von Corona: Weckruf für die potenziell gefährliche Forschung
Ungeheuerlich, wenn sich herausstellte, dass das Corona-Virus menschengemacht ist. Die Wissenschaft muss daraus ihre Lehren ziehen.

A uf die Woche genau vor fünf Jahren sprach die WHO erstmals von einer Pandemie. Klar war: Das sich so rasch verbreitende Corona-Virus hatte seinen Ursprung im chinesischen Wuhan. Ob diese Pandemie, die über sieben Millionen Tote fordern sollte, ihren Anfang in der Natur nahm oder, viel ungeheuerlicher, menschengemacht war, wurde bereits heiß diskutiert. Diese Frage konnte nie beantwortet werden.
Die aktuell wieder hitzige Debatte über den Virusursprung sollte vor allem eine Handlungsaufforderung für die Gegenwart sein. Am Mittwoch hatten mehrere Medien Berichte veröffentlicht, nach denen der Bundesnachrichtendienst (BND) auf Grundlage einer geheimen Untersuchung schon vor Jahren zu dem Schluss gekommen sei, dass ein Laborunfall als Ursprung der Pandemie wahrscheinlich sei.
Diese Einschätzung werde unter Verschluss gehalten und erst seit einigen Monaten durch eine Gruppe externer Expert*innen geprüft, darunter der Virologe Christian Drosten und RKI-Präsident Lars Schaade. Bereits im Januar hatte Drosten die Debatte um den Virusursprung befeuert: Es mache ihn skeptisch, dass China den eigentlich möglichen Nachweis für einen natürlichen Ursprung bis heute nicht erbringe, sagte er im taz-Interview.
Ebenfalls im Januar änderte der US-Geheimdienst CIA, bereits unter Trumps Präsidentschaft, seine Einschätzung: Ein Laborunfall sei wahrscheinlicher, mit vielen Unsicherheiten. Was nun genau in den BND-Berichten steht, ist nicht bekannt, sie unterliegen nach wie vor der Geheimhaltung. Die Quelldaten seien auch den prüfenden Expert*innen nicht zugänglich und damit keine wissenschaftliche Einschätzung möglich, teilte Drosten am Donnerstag mit. Beweise für den Virusursprung sollen jedenfalls nicht enthalten sein.
In China geht die Forschung weiter
Laut Zeit und Süddeutscher Zeitung, die die Recherche veröffentlicht hatten, wohl aber Indizien, die den BND dazu veranlasst hätten, einen Laborunfall zu 80 bis 95 Prozent für wahrscheinlich zu halten. Dem schließen sich Fragen an: Warum wurden die Erkenntnisse nicht, wie von der WHO gefordert, geteilt und selbst das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige parlamentarische Gremium nicht informiert?
Werden die Daten nun zur unabhängigen wissenschaftlichen Prüfung veröffentlicht und erhärtet das tatsächlich den Verdacht eines Laborunfalls? Was bedeutet das für die Aufarbeitung der Pandemie und für den Umgang mit China? Letzteres hat vor allem eine aktuelle Dimension. Virologe Drosten hatte im Januar eine Warnung vorgebracht, die nun wohl auch den BND umtreibt.
Forschung, wie sie laut Labortheorie zur Corona-Pandemie geführt haben könnte, werde aktuell tatsächlich in China durchgeführt – mit wachsenden technischen Möglichkeiten. Auf den Umgang mit dieser potenziell immer gefährlicheren Forschung sollten Politik und Gesellschaft mindestens so viel Fokus legen wie auf die Frage, ob vor mehr als fünf Jahren ein Virus aus dem Labor entwich.
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