Denkmalpfleger Heinrich Magirius tot: Produktive Aneignung
Sachsens früherer Landeskonservator Heinrich Magirius ist tot. Er war konservativ im besten Sinn und weit über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt.
![Der Denkmalpfleger Heinrich Magirius (links) und sein Kollege Hans Nadler Der Denkmalpfleger Heinrich Magirius (links) und sein Kollege Hans Nadler](https://taz.de/picture/4920264/14/Heinrich-Magirius-1.jpeg)
Es gibt oder gab sie auch, die höchst respektablen Sachsen jenseits der viel kolportierten Wutbürger-Attitüden. Konservativ im besten Sinn, im Wortsinn sogar Landeskonservator, wie Heinrich Magirius, der am Sonntag im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Von 1994 bis 1999 war er oberster Denkmalpfleger in Sachsen, aber schon damals eine über seine Geburtsstadt Dresden und Sachsen hinaus bekannte Institution. Der Kunsthistoriker und Archäologe lehrte seit 1980 an der Dresdner Kunsthochschule und erhielt dort 1989 eine Professur.
Magirius bleibt als ein exzellenter Fachmann in Erinnerung, der ein gewachsenes Verhältnis zu den überkommenen Zeugen der Vergangenheit in seiner Heimat mitbrachte. Keine bemühten Identitätskonstruktionen wie in der Blüte des „Sachsen-Mythos“ der 1990er Jahre. Denkmalpflege und historische Wiederaufbauten wie der der Dresdner Frauenkirche und anderer von ihm begleiteter Restaurierungen folgten keinem Dogma, sondern galten ihm als Akte produktiver Aneignung.
In seiner Habilitationsschrift „Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen“ spricht er auch von Dokumenten, „die an nichts zu erinnern vermögen“ und nichtsnutzig werden. „Kulturelle Fruchtbarkeit der Monumente hängt mit dem Eros zusammen, mit dem sie geliebt, erkannt und gepflegt werden“, bekennt er wiederum an anderer Stelle.
Diese Liebe müsse stetig kultiviert werden. Solcher Eros trug bei Magirius ernsthafte, fast feierliche Züge. Typisch sächsisch-protestantisch, möchte man sagen, begleitet von einem gewissen Leiden am gedanken-, ja oft verantwortungslosen Neuen, das bekanntlich nicht immer mit dem Besseren gleichzusetzen ist.
Für den zeitüberdauernden Charakter des Bestrebens, Lohnenswertes zu erhalten, sprechen seine Auszeichnungen in beiden Systemen. Die DDR verlieh Magirius 1985 den Nationalpreis II. Klasse, die Bundesrepublik zehn Jahre später das Verdienstkreuz 1. Klasse ihres Verdienstordens. Dass er 2004 den sächsischen Verdienstorden erhielt, versteht sich fast von selbst. Nun verabschiedet man sich gefühlt von einem Aristokraten alter Schule, einem profunden Pfleger schönster menschlicher Leistungen.
In Sachsen ist Magirius eine Legende, wird in einem Atemzug mit dem Nestor der Denkmalpflege, Hans Nadler, genannt. Persönlichkeiten wie er sind rar geworden.
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