piwik no script img

Demontage von WindrädernAus Rotorblättern wird Zement

Anleitung zum Abreißen: Forscher entwickeln ein Handbuch für den Rückbau der Anlagen im Meer. Die Logistik ist eine Herausforderung.

Höchstens 25 Jahre, dann geht's ab in den Müll oder besser: zum Recyling Foto: dpa

Freiburg taz | Weltweit sind erst drei kleine Offshore-Windparks zurückgebaut, also abgerissen worden – Erfahrungen in diesem Metier sind somit rar. Zumal die drei Projekte recht nah an der Küste standen – also mit Hochseeparks, wie Deutschland sie baut, kaum zu vergleichen sind. Die Stiftung Offshore-Windenergie mahnt daher an: „Derzeit sind weder die mit dem Rückbau verbundenen Anforderungen, Techniken oder Verfahren der Demontage, Logistik und des Recyclings noch die daraus resultierenden Kosten und Wirkungen auf Mensch und Umwelt ausreichend bekannt.“

Dass das Thema unerbittlich auf die Branche zukommt, kann man sich ausrechnen. In Deutschland ging der erste Park im April 2010 offiziell ans Netz, und man kalkuliert auf See – wie auch an Land – mit einer Betriebszeit von rund 20 Jahren. Spätestens in 10 bis 15 Jahren wird man also in der Nord- und Ostsee beginnen, Offshore-Windparks abzureißen. Dann sollte man wissen, wie man am besten vorgeht. Deswegen startete im November ein vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Forschungsprojekt, das den Namen SeeOff trägt. Mit dem Zusatz: Strategieentwicklung zum effizienten Rückbau von Offshore Windparks.

Am Ende des dreijährigen Projekts, das von der Hochschule Bremen koordiniert wird, soll ein Handbuch für den Abriss stehen. „Ziel ist es, unterschiedliche Rückbauszenarien unter verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit zu bewerten“, sagt Silke Eckardt, Professorin an der Fakultät Architektur, Bau und Umwelt in Bremen. So gebe es verschiedene Demontageverfahren, deren Vor- und Nachteile noch nicht untersucht seien. Je nach Verfahren werde man unterschiedliche Ausrüstung und Logistik brauchen, wie etwa Spezialschiffe.

Auch für die Fundamente gebe es verschiedene Varianten. Zwar könnte man vermuten, dass es der beste Weg ist, diese einfach knapp unterhalb des Meeresbodens abzusägen, doch so eindeutig ist das nicht. Es könnte sogar von Vorteil sein, Teile als künstliche Riffe stehen zu lassen. „In den Windparks sind Schutzräume für Fische entstanden, vielleicht ist es ökologisch sogar besser, die Fundamente nicht ganz zu entfernen“, sagt Ingenieurin Eckardt.

Auch Firmen sind dabei

In dem Projekt werden Akteure unterschiedlichster Profession zusammenarbeiten – neben Technikern und Meeresbiologen auch Ökonomen –, um so einen bestmöglichen Überblick über den Sachstand zusammenzutragen. Partner sind auch Firmen aus der Umwelttechnik und Akteure der Öl- und Gaswirtschaft Großbritanniens, die mit dem Abriss von Offshore-Infrastruktur Erfahrungen gesammelt haben.

Sicher ist bereits, dass es für den optimalen Rückbau nicht einen grundsätzlich idealen Weg gibt. „Je nach Entfernung vom Land, je nach Wassertiefe und Art des Fundaments wird es verschiedene Vorgehensweisen geben“, sagt die Bremer Wissenschaftlerin. Zusammen mit Firmen wie EnBW, Vattenfall und dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet soll das Forschungsprojekt die Antworten liefern. Besonders das Thema Logistik, das schon beim Aufbau der Anlagen auf See Herausforderungen birgt, wird in dem Vorhaben eine große Rolle spielen.

Sind die Anlagen abgebaut und die Komponenten an Land gebracht, ist man mit den Fragen konfrontiert, die man von den Windrädern auf dem Land längst kennt: dem Recycling. Rotorblätter aus Glasfaserkunststoffen gehen üblicherweise als Zuschlagstoff in die Zementindustrie. Schwieriger wird es bei den zunehmend verbauten Karbonfasern. Die können zwar theoretisch recycelt werden, doch für sie gibt es derzeit so gut wie keinen Absatzmarkt. Und deswegen soll das Forschungsvorhaben nebenbei auch den Anlagenbauern helfen, die Windkraftanlagen von vornherein im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu konstruieren – ein Thema mit Nachholbedarf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    die überschrift bereitet schmerzen: glasfaseerarmierte kunststoffe (gfk) der rotorflügel taugen bestenfalls als zuschlag für beton, d. h. sie werden gemeinsam mit zement verwendet. sie werden auf keinen fall zu zement. wenn die technischen details selbst dem verantwortlichen journalisten zu kompliziert sind, hier noch ein schöner filmtipp: idiocracy

  • Das man sich Gedanken über das Recyceln abgebauter Windparks macht, ist sehr sinnvoll. Aber warum den Windpark komplett rückbauen, statt die verschlissenen Windräder zu ersetzen? Der Wind am Standort ist schließlich nicht verbraucht und der Energiebedarf besteht weiter.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Vermutlich zeigt das Material Verschleiss und kann nicht wieder genutzt werden.



      Auf der anderen Seite stehen aber auch nicht unbegrenzt Flächen für neue Windparks zur Verfügung.



      Jede neue Errichtung stellt ein Problem insbesondere für die Megafauna des Meeres dar. Das Rammen mit über 160 dB macht den Meeressäugern den Garaus.



      Irgendwann haben wir keine Delphine, Tümmler und Schweinswale mehr, dafür aber elektrischen Strom für die Digitalisierung.

  • Weshalb ist es noch inmer üblich und zulässig, dass neuartige Industrieanlagen mit begrenzter Lebensdauer ohne konkrete Planung der späteren Entsorgung erstellt werden können?

    Nicht nur bei der Chemie-, Kohle- und Kernkraftindustrie haben wir doch erlebt, was passiert, wenn man das nicht oder erst sehr spät in Angriff nimmt: Es gibt keine nachhaltigen Konzepte und die Kosten übernimmt (für Jahrhunderte) der „Staat“.

    Selbst der Steinkohleabbau hat sich rückwirkend nach volkswirtschaftlicher Rechnung nicht „gelohnt“.

    Bei Ökoenergiebetreibern scheint das auch kein Kriterium zu sein. Und das Fordchungsprojekt muss auch schon subventioniert werden. Super.

  • Das Problem ist nicht das Recycling, sondern die in den Windrädern verbaute oder "graue" Energie im Verhältnis zum Energieertrag. Dieses sogenannte EROI beträgt 1:4, das heisst, über die Lebenszeit eines Windrades wird eine Energiemenge erzeugt, die der verbauten Energie von vier Windrädern entspricht. Wer meint, damit den Gesamtenergiebedarf Deutschlands decken zu können, ist mehr als fahrlässig. Vor allem wenn diese Energie über weite Strecken transportiert (Verlust ca. 50%) und in Akkus gespeichert (Verlust nochmals 50%) wird.

    • @EricB:

      "Vor allem wenn diese Energie über weite Strecken transportiert (Verlust ca. 50%) und in Akkus gespeichert (Verlust nochmals 50%) wird."

      Verlust 100%? :-)

      Als Richtwert für die Übertragungsverluste von 380kV Leitungen geht man von ca. 1% pro 100km aus.

    • @EricB:

      Das sind gänzlich falsche Zahlen.

      Die EROI aktueller Offshoreanlagen liegt bei 16, die Amortisation der eingesetzten Energie tritt somit bereits nach deutlich unter 2 Jahren ein. Bei Onshore ist die Situation noch besser.

      Die Leitungsverluste von Offshoreparks liegen deutlich unter 5 Prozent.

      Der Wirkungsgrad aktueller Lithium-Akkus liegt bei mindestens 90 Prozent.

      Es ist nicht immer alles so schlecht, wie es die Kohle- und Atomlobby darzustellen versucht.

    • @EricB:

      Hauptsache irgendwelche Zahlen um sich geschmissen, die Energie der Herstellung von Windrädern ist mit 2-5% kaum relevant und die Übertragungsverluste sind auch im einstelligen Prozentbereich (5,7% in D)