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Demonstrationen in FrankreichAlle gegen Emmanuel Macron

Der Gewerkschaftsbund CGT versucht, die Proteste gegen Frankreichs Regierung zu bündeln. Am Donnerstag gingen Zehntausende auf die Straße.

Öffentlicher Dienst, Privatwirtschaft und Studierende: Sie alle treffen sich im Protest gegen Macron Foto: reuters

Paris taz | Am Versammlungsort neben dem Bahnhof Montparnasse in Paris herrscht Sommerpartystimmung: Es ist sonnig, es riecht nach gegrillten Merguez-Würstchen, aus Lautsprechern dröhnt der Demo-Hit „Motivé, motivé“ der Band Zebda aus Toulouse. Mit Applaus werden Studierende der besetzten Eliteschule Sciences-Po empfangen. Ärzte und Pflegepersonal öffentlicher Krankenhäuser sind in weißen und grünen Kitteln gekommen, Postbeamte mit ihren gelben Fahrrädern.

Das gibt einen ersten Eindruck, wie breit die Unzufriedenheit und der Widerstand gegen die Regierungspolitik ist. In ganz Frankreich waren an diesem Donnerstag bei insgesamt 130 Kundgebungen Zehntausende gegen Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung auf die Straße gegangen. Allein in Paris waren es schätzungsweise 30.000.

Der französische Gewerkschaftsbund CGT hatte womöglich auf mehr gehofft. Doch der Plan, den Streik bei der Bahn zu erweitern und mit anderen Sozialkonflikten zu vereinen, ist aufgegangen. „Konvergenz der Kämpfe“ lautete das der extremen Linken entlehnte strategische Leitmotiv.

Die Idee: Der gewerkschaftliche Widerstand gegen die Liberalisierung der öffentlichen Dienste soll sich mit Forderungen aus der Privatwirtschaft und den aktuellen Studentenprotesten in eine politische vereinte Oppositionskraft verwandeln. Die soll genügend Druck entwickeln können, um die Regierung zum Rückzug an allen Fronten zu zwingen.

Beim Konflikt um die Bahn-Reform ziehen die Gewerkschaftsverbände an einem Strang. Sie haben am Donnerstag der Regierung mitgeteilt, dass sie keinen Sinn darin sähen, die ergebnislosen Verhandlungen mit der Transportministerin Elisabeth Borne fortzusetzen. Sie wollen künftig nur noch mit Premierminister Edouard Philippe reden. Die Regierung lehnt aber Zugeständnisse ab.

CGT-Boss Philippe Martinez sucht nun im seit zwei Wochen andauernden Bahnstreik die Eskalation – doch für die Mobilisierung am Donnerstag hatten ihm die anderen Dachorganisationen UNSA, CFDT und FO die Unterstützung versagt. Sie warfen der CGT vor, den Widerstand im Alleingang organisieren und politisch instrumentalisieren zu wollen. Auch für den 1. Mai konnten sich die Gewerkschaftsbünde bisher nicht auf ein gemeinsames Auftreten einigen.

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5 Kommentare

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  • Der Titel ist ja mal wieder springerig.

     

    Natürlich gilt es für eine effektive Strategie die Kräfte zu bündeln und geschickt einzusetzen.

     

    Das BILD alle gegen einen (der arme) ist schon schräg und Mitleiderheischend. Aber wenn der eine, die wesenliche Machtfigur ist, müssen eben alle (oder zumindest sehr viele) dagegenhalten, um Gegendruck aufzubauen.

     

    Das ist im Grunde seit mehr als 200 Jahren Standardrepertoire.

  • Die Studenten der Eliteschule „Science Po“ gegen „die Macron-Diktatur“

     

    Weitgehend unbemerkt von den deutschen Official-Mind-Medien wurde gestern die prestigiöse Pariser Elitehochschule „Science Po“ von den Studenten besetzt, um, wie es auf Banderolen an der Fassade heißt, „gegen die Macron-Diktatur“ zu protestieren. Auf einem anderen ist zu lesen: „Blockieren wir die Elitenfabrik“. Die Studenten solidarisieren sich damit mit den Protestbewegungen der Universitäten Paris-8, Nanterre und Tolbiac. Auf Flugblättern bezeichnen sie ihre Hochschule als „Laboratorium für eine neoliberale und rassistische Politik, wie sie heute von den Regierenden orchestriert wird.“ Der Protest richtet sich auch gegen das neue Asyl- und Immogrationsgesetzt, die Reform der Staatsbahnen, die mit brutaler Polizeigewalt unter massivem Einsatz chemischer Kampfstoffe erfolgte Räumung des Anti-Flughafen-Protestlagers ZAD in Notre-Dame-des-Landes und die Austeritätsreformen im Öffentlichen Dienst. Am heutigen Donnerstag haben sie sich den Protestmanifestationen der streikenden Eisenbahner, Staatsbediensteten, Gewerkschaftler und Krankenhausmitarbeiter an der Gare Montparnasse angschlossen. Die Aktionen sollen so lange fortgesetzt werden, bis „alle antiszialen und rassistsichen Gesetzte der Regierung zurückgezogen sind“. (Quelle: „Libération“ von heute.)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ich lebe momentan wie jedes Jahr wieder einige Zeit in Frankreich und habe noch keinen Franzosen gesprochen, der ein gutes Wort für Macron findet.

      Macron scheint in Frankreich "fertig" zu sein. Zu befürchten ist, dass er nur noch Vorarbeit für Le Pen macht.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Die, die ihn gewählt haben, trauen sich nicht mehr Partei für ihn zu ergreifen.

        Unter meinen Lehrerkollegen gibt es einige die Macron gewählt haben. Sie haben auch keine Lust ihn wiederzuwählen, aber solange die Linke kein Oppositionsbündnis auf die Beine stellt und keinen gemeinsamen Gegenkandidaten für Macron findet, wird dieser sich wieder als das kleinere Übel verkaufen können.

  • Der monokratische Jupiter-Präsident einer gespaltenen Nation

     

    Vor einem Jahr hatte Macron im 2. Wahlgang der Präsidentschaftswahl zwei Drittel der Stimmen bekommen, nachdem er aus dem ersten mit 26 % in die Pool-Position für die Entscheidungsschlacht gegen Le Pen gegangen war. (Vor 16 Jahren lautete das Verhältnis in ähnlicher Konstellation Chirac - Le Pen noch 82 : 18.) Einer heute veröffentlichten Umfrage von Elabe-Wavestone für die Wirtschaftszeitung "Les Echos" zufolge halten 52 % Franzosen inzwischen die Wahl Macrons für „schlecht“, davon 22 % für „sehr schlecht“. Die Zustimmung ist um so höher, je größer das Einkommen ist und umgekehrt. Nur 33 % der Arbeiter halten Macron für eine gute Sache. Sogar jeder zweiter LREM-Anhänger hält seinen Chef für „ungerecht“ (Injuste). Dazu wird Macron mehr und mehr ein monokratischer Regierungsstil vorgehalten. 81% der Befragten glauben, daß seine Präsidentschaft an ihrer persönlichen Lage keinen Deut ändert.