Demonstration und Streiks im Iran: Proteste flammen neu auf
Erneut gehen Tausende Menschen im Iran auf die Straßen. Fabriken und Unis werden bestreikt. Frankreich wirft dem Iran Geiselnahme vor.
Aktivist*innen hatten zu dreitägigen Protesten aufgerufen, um unter anderem den Menschen zu gedenken, die 2019 ermordet wurden. Die Nachrichtenagentur Reuters sprach damals von rund 1.500 Toten; andere Quellen gehen von mehreren Hundert aus.
In rund siebzig Städten war bereits am Dienstag protestiert worden. In 60 Städten wurde gestreikt und an mindestens 40 Universitäten protestiert. Die jüngsten Aktionen erstreckten sich auch auf kleinere Städte und umfassten Irans kurdische Gebiete als auch die Hauptstadt Teheran und den Norden des Landes.
An mehreren Orten sollen Regimekräfte gewaltsam gegen Protestierende vorgegangen sein. Nach Angaben von Aktivist*innen wurden zwei Demonstrierende in den Kurdenregionen erschossen.
„Heute waren wir wieder massenhaft auf der Straße. Die Hoffnung bleibt, auch wenn die Menschen sich ein paar Tage zurückgezogen hatten“, sagte ein Kontakt in Teheran am Dienstag gegenüber der taz. „Wir können nicht jeden Tag auf die Straße gehen, weil der Staat das mit seinen Repressalien fast unmöglich macht.“
Als in Teheran am Dienstag die Regimekräfte anrückten, habe sich eine Menschenmenge sofort aufgelöst, nur um sich an anderer Stelle prompt neu zu formieren, berichtet die Person. „Die Streitkräfte waren überfordert“. Sie bedauerte, dass die Demonstrierenden im Iran oftmals kein Mobiltelefon dabei hätten und das Internet zudem so langsam sei, dass die Menschen auf der Straße nicht immer mitbekämen, was in anderen Städten des Landes los sei.
Geschlossene Läden
Neu aufgeflammt waren die Proteste schon am Dienstagmorgen, als sich erste Bilder und Videos von Streiks und Protesten aus den kurdischen Gebieten verbreiteten. Aufnahmen zeigten auch geschlossene Läden in Karadsch und auf dem Teheraner Bazar. Gestreikt wurde auch in einem Stahlwerk in Isfahan. Im Eisenbasar von Teheran griffen Einsatzkräfte die Streikenden am Mittwoch an.
Die aktuellen Parolen der Protestierenden nehmen Bezug auf die derzeitigen Demonstrationen sowie auf die Proteste im November 2019. Damals waren steigende Benzinpreise der Auslöser gewesen.
„Nieder mit der Diktatur“, „Im Gedenken an den Blutigen November“, „Sage es: Freiheit, Freiheit, Freiheit“, und „Frau, Leben, Freiheit“ lauteten einige der Parolen diese Woche. Viele Protestierende sehen mittlerweile eine Revolution im Gange und weigern sich, lediglich von Protesten zu sprechen.
In der mehrheitlich kurdischen Stadt Sanandadsch versammelten sich am Mittwoch Protestierende vor dem Haus von Fouad Mohamadi, der am Dienstag bei einer Protestaktion getötet worden war.
An der Universität von Sanandadsch stellten Studierende in einer performativen Aktion am Dienstag die Folterszene von Khodanoor Lajaei dar. Lajaei war am sogenannten „blutigen Freitag“ Ende September in der iranischen Provinz Belutschistan ermordet worden. Ein Bild des Mannes, auf dem er gefesselt ist, war im Netz geteilt worden. Seither wird die Szene immer wieder aufs Neue dargestellt, um an die Brutalität des Staates zu erinnern.
„Inakzeptablen Geiselnahme“
Unterdessen wurden nach Regierungsangaben vom Mittwoch mehrere französische Geheimagenten inhaftiert. „Menschen anderer Nationalitäten wurden bei den Unruhen festgenommen, von denen einige eine große Rolle spielten. Es gab Elemente des französischen Geheimdienstes, und sie werden gemäß dem Gesetz behandelt“, sagte Innenminister Ahmad Vahidi.
Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna hatte vergangene Woche erklärt, dass insgesamt sieben französische Staatsangehörige festgenommen worden seien. Es gebe eine zunehmende Aggressivität Irans gegenüber seinem Land mit einer „inakzeptablen Geiselnahme“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Rande des G20-Gipfels.
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