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Demonstrant wegen G20-Protest verurteiltBewährungsstrafe für Flaschenwürfe

Ein weiterer Prozess um die G20-Krawalle in Hamburg endet mit einem Schuldspruch und einer Haftstrafe. Die Richterin findet ungewöhnlich scharfe Worte für die Tat.

Das ist Terror, urteilte die Richterin: Flaschenwerfer bei den G20-Protesten (Symbolbild) Foto: dpa

Hamburg dpa | Wegen zweier Flaschenwürfe auf Polizisten beim G20-Gipfel hat das Amtsgericht Hamburg einen 31-Jährigen zu anderthalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. „Ich bin davon überzeugt, dass es sich um keine Spontantat gehandelt hat“, sagte die Richterin am Montag in ihrer Urteilsbegründung. Der Spanier habe sich des schweren Landfriedensbruchs, der versuchten gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht.

Der Verwaltungsangestellte aus der Stadt Bilbao sei Anfang Juli zur Demonstration „Welcome to Hell“ nach Hamburg gereist und habe nach dem Ende der Kundgebung gezielt zweimal eine Flasche auf Beamte geworfen. Die Flaschen waren vor oder im Unterschenkelbereich der Polizisten mit Schutzausrüstung zersplittert. Mit seiner Tat habe er Angst und Schrecken verbreitet.

Es sei ihm weniger um eine Meinungsäußerung als um die Ausübung blanker Gewalt gegangen. „Das ist nach meiner Überzeugung Terror“, sagte die Richterin. Zugunsten des Angeklagten wertete sie dessen volles Geständnis. Außerdem habe er Reue bekundet. Ein Zivilbeamter der Bundespolizei hatte die Vorwürfe als Zeuge bestätigt. Dem Gericht lagen auch Videoaufnahmen der Flaschenwürfe vor.

Mit dem Urteil entsprach die Richterin weitgehend der Forderung der Staatsanwältin, die auch noch eine Geldbuße von 3.000 Euro verlangt hatte. Der Verteidiger hatte sich für eine Haftstrafe von unter einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen. Die Richterin hob den Haftbefehl nach zweieinhalb Monaten Untersuchungshaft auf, ordnete aber die Abgabe einer DNA-Probe an.

Sie wies den Vorwurf zurück, die Richter in den G20-Prozessen folgten mit ihren Urteilen den Forderungen von Politikern. „Wenn das so wäre, hätte ich meinen Beruf verfehlt“, sagte sie. Ihre Aufgabe sei es, eine der Tat angemessenen Strafe zu finden. Die Äußerungen von Politikern seien ihr persönlich egal.

Das Amtsgericht hat jetzt insgesamt sieben bei den G20-Protesten festgenommene Randalierer verurteilt, und zwar alle zu Haftstrafen, meist aber auf Bewährung. Ein Urteil steht noch aus. Am Dienstag, Donnerstag und Freitag sollen vier weitere Prozesse stattfinden.

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6 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Wir sind alle Terroristen." https://www.youtube.com/watch?v=cHWlWjjePYo

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)
  • "Ihre Aufgabe sei es, eine der Tat angemessenen Strafe zu finden."

     

    Wie tatangemessen ist denn bitte eine anderthalbjährige Haftstrafe (wenn auch nach 2 1/2 Monaten U-Haft) zur Bewährung ausgesetzt) für einen Flaschenwurf, bei dem - glücklicherweise - niemand verletzt wurde?

     

    Und bei anderen G-20-Urteilen ist das Missverhältnis von Tat und Strafe noch krasser. Wenn man hier von Terror reden kann, dann von Justizterror.

     

    Ob wohl von den Polzisten, die zu Unrecht tatsächlich Menschen verletzt haben, jemand derartige Strafen zu erwarten hat? Man darf gespannt sein.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Terror"

     

    Wenn das schon Terror ist, dann ist auch die Massenüberwachung Terror und die AfD ist eine Terrororganisation. Ihr geht es ständig darum, Angst und Schrecken zu verbreiten, wenn sie ihre Hetzkampagnen führt. Ähnlich wie die CSU oder der Innenminister.

    Was ist, wenn das hier sich nicht mehr so einfach "Demokratie" nennen kann?

     

    Die Leipziger SPD will Ordnungsamtsmitarbeiter mit Kampfhunden, Taser und Gas ausstatten - für das Sicherheitsgefühl!? Die haben auch schon eine Haufen Hilfspolizisten eingestellt, ohne ordentliche Ausbildung in eine Uniform gesteckt und bewaffnet. Das kann doch jeder. Mein Sicherheitsgefühl erhöhen solche Maßnahmen gar nicht. Im Gegenteil.

    Mir macht so etwas Angst und Schrecken und genau dafür ist so eine Maßnahme auch da.

     

    Was Terror ist, besonders Staatsterror, sollte mal dringend diskutiert werden. Besonders hinsichtlich der Massenüberwachung und der Gesichtserkennung. So etwas ist auch Terror.

     

    Ich kann da die Linke mit ihrer Forderung der Abschaffung des Terrorparagraphen nur unterstützen. Die Erfahrung aus zwei totalitären Staaten hat sich in dieser Forderung kondensiert.

    Völlig abwegig ist es, wenn in der taz und anderswo nicht alle anderen Parteien mit Totalitarismusverdacht belegt werden, sondern die Linke.

    Diese Partei will die derzeitige totalitarismusnahe Gesetzgebung als einzige Partei ändern.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Man hört es ständig aus dem Bereich "Innere Sicherheit": Dass Verbrecher durch Strafen abgeschreckt werden sollen. Potentielle Kriminelle sollen Angst und Schrecken haben vor der Strafe und deswegen sich der Herrschaft fügen. Ist das nicht auch Terror gegen sie, wenn ein Staat mit einer solchen Doktrin handelt?

       

      Was soll mensch anfangen mit so einem Wischi-Waschi-Begriff, der sich auf alles und nichts anwenden lässt?

      Da geht es nur noch darum, Verbrechen zusätzlich politisch zu bestrafen und für gewisse Verbrecher die Menschen- und Bürgerrechte auf der einen Seite und das Kriegsrecht auf der anderen Seite auszuhebeln, indem sie zu feindlichen Kämpfern ernannt werden, für die weder Menschen- und Bürgerrechte, noch das Kriegsrecht gelten. "Terroristen" stellen eine dritte Kategorie dar, gegen die eine Staat selbst auch Terrormaßnahmen einsetzen darf, wie es das US-Militär nach eigenen Angaben und Presseberichten auch macht. Da werden ganze Familienklans zu Terroristen ernannt oder alle Besucher einer Moschee und die werden dann auch alle per Dronenangriff oder US-Spezial-Terrorkommando umgebracht, auch Kinder werden nicht verschont, wie in Syien oder im Jemen.

       

      Da fragt sich dann die Presse und die Gesellschaft: "Uuuuh, warum hassen die uns denn so?"

       

      Der "Krieg gegen den Terror" ist ein Krieg des Terrors, der Terroristen produziert.

       

      Der Zivilisationsbruch ist mit diesem Feindstrafrecht permanent im Gange.

  • und wann stehen die gewaltbereiten Polizisten und Ihre Anstifter vor Gericht?