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Demokratie in Zeiten der KriseZum Mitschunkeln

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Welt brennt, daher fordern viele schnelle Koalitionsverhandlungen. Aber Diskurs und Demokratie brauchen Zeit.

Demokratie ist vielfältig, bunt und wird nie langweilig Foto: Christian Jungeblodt

D emokratie ist die schlechteste Regierungsform – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind. Das hat Winston Churchill im Jahr 1947 gesagt. Natürlich bei einer Debatte im britischen Parlament. Und zu einer Zeit, als er nicht Premierminister, sondern nur Oppositionsführer war, weil – wie lästig und undankbar kann Demokratie sein – seine Partei die Wahl unmittelbar nach dem gegen die Nazis gewonnenen Krieg verloren hatte.

Man kann also davon ausgehen, dass Churchill wusste, wovon er sprach, als er das Loblied auf die Demokratie sang, obwohl sie weder perfekt noch allwissend sei. Er widersprach explizit der Idee, dass eine Gruppe von Supermännern tut, was sie für gut hält, ohne jede Kontrolle oder Korrektur. Denn das verletze die Demokratie.

Womit wir nach einer vielleicht etwas langwierigen Vorrede beim Thema wären: Können sich Union und SPD gefühlt ewig Zeit lassen, wenn doch die Welt brennt?

Ist dieses Dazwischengrätschen der Grünen, denen die Milliarden­idee von Supermerz, Superklingbeil, Supersöder und Superesken zur Finanzierung der Krisenbekämpfung nicht ganz ausgewogen erscheint, noch angemessen, wo doch die Ukrai­ne nach Unterstützung und die Autorepublik nach neuen Brücken schreien?

Die Antwort liegt auf der Hand: Na klar! Denn Demokratie braucht Aussprache, lebt von Debatte, Diskussion und Streit auf dem Markt der Ideen. Das braucht Zeit, die man sich nehmen muss. Und zwar jederzeit.

„Baaa baba baba Baaa baba baba Baaa baba baba baaaa“

Demokratie ist vielfältig: Mal ist sie schlichter, mal demonstriert sie, dann wieder schlägt sie zu und lässt keinen in Ruh. Das ist jetzt kein Zitat von Churchill, sondern stammt von dem Popmusiker Andreas Dorau, der in seinem Re­frain nicht nur zu dem allzeit geltenden Fazit kam: „Ob es einem schmeckt oder nicht! Das ist Demokratie – langweilig wird sie nie. Seien wir froh darüber!“

Nein, er setzte dem auch noch ein gnadenlos mitschunkelfähiges „Baaa baba baba Baaa baba baba Baaa baba baba baaaa“ nach. Und das sollten alle mal ganz laut vor sich her summen. Es entspannt die Debatte ungemein.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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8 Kommentare

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  • Herr Asmuth beginnt mit einem Churchill-Zitat, das am Ende einer Geschichte steht – und lässt den Anfang aus. Und der besagt, dass Churchill plötzlich an der Spitze der letzten funktionierenden Demokratie in Europa stand, die sich offen gegen das Nazi-Regime stellte, zusammenrücken und ganz schnell Entscheidungen treffen musste, ohne wochen- oder monatelang Zeit für „Diskurs und Demokratie“ zu opfern. Wären aktuelle Berliner Vorgehensweisen Maßstab für das London von 1939 bis 1945 gewesen, hätten die faschistischen Massenheere die britischen Inseln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genauso überrannt wie die meisten übrigen Gebiete Europas. Heute haben die europäischen Demokratien wieder ein Problem mit einem mafiösen Kriegsverbrecher. Und dieses Mal ist es noch ungewisser als 1941, ob die USA zum Jagen getragen werden können. Deshalb sind diejenigen, die zur Eile bei politischen Entscheidungen drängen, nicht undemokratisch, sondern im Gegenteil um die Freiheit unserer Gesellschaft besorgt. Und das leider zu Recht.

  • "Womit wir nach einer vielleicht etwas langwierigen Vorrede beim Thema wären." Schreibt Hr. Asmuth. Leider kommt danach inhaltlich auch nicht mehr viel.



    Was das Tempo von "Demokratie" angeht, stimmt die Überschrift insofern, als im Text die gute, alte Bonner Republik beschrieben wird. Kommste heut' nicht, kommste morgen. Es gab mal Zeiten, da hat das wirklich genügt.



    Tempi passati.



    Europa (und die BundesbürgerInnen) erwarten von Deutschland Stärke und Führung (und ja, auch Geld). Und in der aktuellen Situation, in der, jetzt wieder Hr. Asmuth, "die Welt brennt", stehen alle dt. Demokraten in der verdammten Pflicht und Schuldigkeit, irgendwann mal in die Pötte zu kommen. Für diese Verantwortungsübernahme (und nicht für Parteienklüngelei) wurden sie gewählt.

  • Jaja...



    Bla bla bla ... reicht aber leider nicht!



    Frau Dröge warf Merz, in einer Retourkutsche, seinen Sinneswandel zu Verschuldung vor.



    Der Wahlkampf ist aber vorbei!



    Die Grünen haben nicht gewonnen.



    Muss dann nachgekartet werden?



    Dass Merz kein großer Politiker ist, dürfte klar sein. Sein Verhandlungsgeschick ist begrenzt.



    Das von Frau Dröge aber offenbar auch.



    " Wir freuen uns, dass Sie, Herr Merz, nach einem halben Jahr, der gleichen Meinung wie die Grünen und die SPD sind"!



    Sicher können wir uns auch auf die Notwendigkeit einigen, dass Investitionen in die Zukunft unseres Landes auch für den Klimaschutz gelten müssen, damit Ahrkatastrophen nicht zur Regel werden.



    Damit wir dennoch gut auf solche Ausnahmesituationen vorbereitet sind, ist Investition in den Zivilschutz doch sicher Konsens!?"



    So hätte sie auch argumentieren können, die



    " liebe Frau Dröge".



    Sie vertiefte hingegen zuerst einmal die Gräben.



    Ungeschickt und zeitraubend!



    Wer Kompromisse will, muss aufeinander ZUgehen! Nicht dem Anderen Argumente um die Ohren hauen!



    Es liegen wichtige Entscheidungen an.



    Da heißt es ZUSAMMENARBEITEN!



    Das muss AUCH von den Grünen kommen.



    Merz ist Verhandlungsführer.

    • @Philippo1000:

      Ganz genau: einfach mal alles unter den Teppich kehren!

  • Na, da bin ich aber beruhigt.



    Haben wir denn Demokratie, wenn die WählerInnen ihr Kreuz machen ohne verstanden zu haben was welche Politikerin wirklich will (Sondern "ach, den kenn ich/ der Beruf (!) oder Name gefällt mir)? Wenn anstatt echter Aufklärung zu betreiben Grossteile der Presse Fehlinformation oder sogar aktive Propaganda betreiben (die taz sei erfrischenderweise hierbei ausgenommen, aber leider liest nicht 'jeder Arbeiter' diese Zeitung)?



    Wenn man daher mit Wahllügen an die Macht kommt (Investitionsbremse, Sonderschulden, "Heizungsgesetz")?



    Wenn Gesetzesentwürfe oft vollständig von Lobbyfirmen des Grosskapitals formuliert werden?



    Ohne aufgeklärte Bürgerinnen, die ihren Willen bilden können? Mit Superreichen und "multinationalen" Unternehmen die im Vergleich zum Otto-Normalverbaucher fast keine Steuern zahlen müssen?



    In einer "Marktwirtschaft" in der z.B. "Einzel"-Handels-Konzerne die Preise bestimmen und nicht der Wettbewerb? Und das staatliche Kartellamt nur ein Feigenblatt einer Wirtschaftsordnung ist mit der Handlungsfähigkeit eines Bettvorlegers?



    Nein, ich bezweifle nicht dass Demokratie gut ist, aber dass wir eine haben in Deutschland.



    Etikettenschwindel!

    • @So,so:

      Repräsentative Demokratie kann nie besser sein als die Bürger, die sie repräsentiert. Die sind eben nicht alle mündig. Mündige Bürger informieren sich . Das ist in unserer Medienlandschaft durchaus möglich, weil so ziemlich jede politische Meinung auch ein Sprachrohr hat. Das Ergebnis gefällt Ihnen nicht? Viel Glück dabei, sich nach Brecht'schem Rat ein anderes Volk zu suchen. Demokratie hat Schwachstellen. Der andere Spruch von Churchill stimmt eben auch bis heute. "Das schärfste Argument gegen Demokratie ist eine fünfminütige Konversation mit einem durchschnittlichen Wähler". Dummheit der Wähler ist die eine Schwachstelle, lange Reaktionszeiten die andere. Zur Schadensbegrenzung sollte man deshalb die Finger von direkter Demokratie lassen und in der Gewaltenteilung den Handlungsspielraum der Exekutive nicht über Gebühr beschneiden. Die Legislative soll die Exekutive kontrollieren, nicht die Entscheidungen selber treffen.