Demokratie-Kunstwerk beschädigt: Zerpflückte Freiheit
2016 war er Ziel eines Brandanschlags. Nun steht Michel Abdollahis „Schwamm“ wieder in Hamburg – und wurde prompt Ziel von Vandalismus.
Der Senator sprach etwa von einer Gefahr für die grundgesetzlich zugesicherte Kunstfreiheit aus derzeit drei Richtungen: eine grob gesagt rechte Idee von zu stiftender Einheit, die nach mehr Goethe und Schiller auf den Theaterbühnen ruft; weiterhin eine – etwas vergröbernd „identitätspolitisch“ zu nennende – Regulierung der Rederechte über bestimmte Themen, je nach Erfahrungshintergrund der Redenden; und schließlich eine Indienstnahme von Kunst und Kultur für allerbest gemeinte, aber eben Zwecke – und seien es solche, denen diese Zeitung nahe steht.
Welcher der drei Stränge mag nun im Falle von Abdollahis „Schwamm“ zum Tragen gekommen sein? Diese Arbeit für den öffentlichen Raum hatte er am selben Mittag erst wieder aufgestellt, in Sichtweite des Hamburger Rathauses. Zuerst hatte der Hingucker – ein Zwei-Meter-Haushaltsschwamm – im Herbst 2016 in der Hafencity gestanden, wo er dann Ziel eines Brandanschlags wurde; der Staatsschutz ermittelte.
Nach Stationen in Stuttgart und Augsburg ist das Objekt, das Hass und anderes Unschöne „aufsaugen“ soll, nun also wieder in Hamburg zu sehen – und sofort das Opfer von Vandalismus geworden: Am hellichten Tag pflückten erste Menschen daran herum, später wurden allerlei Initialen hinein geritzt – aber auch „FCK AFD“. Ziemlich ähnlich war es Künstler und Kunstwerk in Augsburg ergangen: Dort war der Schwamm innerhalb von Stunden in Stücke gerissen worden.
Die einen finden, so was sei keine Kunst; für andere ist es welche, aber eine der multikulturellen Umerziehung; dritte schließlich haben krudeste Ideen, was der Künstler mit seinem Schwamm anstellen möge: Welche Anfeindungen ihm der Schwamm eingebracht hat, längst nicht immer im Schutze der Netz-Anonymität vorgetragen, das dokumentiert Abdollahi mittels einer Soundinstallation, untergebracht in einer Säule neben dem Schaumstoffkörper.
Er werde das Kunstwerk mit Stacheldraht schützen, kündigte er am Donnerstag noch an – davon aber war bis Freitagnachmittag nichts zu sehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!