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Demo zu Familiennachzug aus EritreaDen Druck erhöhen

Eritreische Flüchtlinge warten in Deutschland jahrelang darauf, dass ihre Familien nachkommen dürfen. Am Samstag wollen sie deswegen demonstrieren.

Demonstration für den Familiennachzug aus Eritrea im Juni in Berlin Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Zum zweiten Mal innerhalb innerhalb weniger Monate wollen am Samstag eritreische Flüchtlinge im Berliner Regierungsviertel für ihr Recht auf Familiennachzug demonstrieren. Nach der ersten Demonstration im Juli mit mehr als 1.000 Teilnehmern hätte das Auswärtige Amt weder den Brief der Demonstranten beantwortet noch seine Praxis geändert, sagt einer der Betroffenen, Mehari Tsegay der taz. Motto der Demo war damals „Ich vermisse meine Familie“.

Tsegay wohnt seit 2014 in Deutschland und wartet seitdem auf Frau und zwei Kinder, die in Äthiopien sind. Er sagt: „Wir müssen den Druck erhöhen. Die Unruhen in Äthiopien, wo viele Familien warten, hat sich in den letzten Monaten verschlimmert. Unsere Familien sind stark davon betroffen, mussten ihre Wohnungen verlassen.“

Nach Angaben der Initiatoren warten derzeit 1.200 Flüchtlinge aus Eritrea auf den Nachzug ihrer Familien. Die Flucht vom Horn von Afrika nach Europa über die Sahara, den Bürgerkriegsstaat Libyen und das Mittelmeer ist so gefährlich, dass sich oft nur die Männer den Weg zumuten. Die Frauen und Kinder warten währenddessen in Äthiopien oder dem Sudan, also in politisch und wirtschaftlich instabilen Ländern. Laut offizieller Statistik sind gut 80 Prozent der in Deutschland lebenden eritreischen Flüchtlinge Männer. Wenn sie Asyl erhalten, – wegen der katastrophalen Situation in Eritrea die Regel – haben sie ein Recht auf Familiennachzug.

Praktisch sieht es anders aus. Nach offiziellen Angaben der Bundesregierung und internationaler Organisationen wartet man zuerst sechs bis zwölf Monate auf die Registrierung beim UN-Flüchtlingshilfwerk UNHCR in Eritreas Nachbarstaaten und anschließend weitere 12 Monate auf einen Termin bei der deutschen Botschaft, um den Familiennachzug überhaupt beantragen zu können. Für den Lebensunterhalt der Frauen und Kinder kommen in dieser Zeit ihre Männer in Deutschland auf, die sich dafür oft hoch verschulden. Denn sie sind schlecht ausgebildet und in hier oft nur prekär beschäftigt.

Eritrea nimmt viel Geld für offizielle Dokumente

„Dann vergehen viele weitere Monate bis die Anträge bearbeitet werden“, heißt es im Aufruf zur Demonstration. „Sehr häufig scheitert der Familiennachzug schließlich an den unzumutbaren und unerfüllbaren Anforderungen, die die deutschen Botschaften an die Nachweise der familiären Bindung und Identität der Angehörigen stellen“.

Das liegt daran, dass in Eritrea Geburten und Hochzeiten in aller Regel nicht staatlich sondern nur kirchlich registriert werden. Die Antragsteller können also nur kirchliche Geburts- und Eheurkunden vorlegen. Doch die erkennt das Auswärtige Amt nicht an, weil die Konsularbeamten dazu nicht qualifiziert sind, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken mitteilt.

Will man eine Urkunde zu einer Ehe oder einer Geburt vom Ausland aus nachträglich beim eritreischen Staat beantragen, muss man für die Zeit ab Verlassen Eritreas zwei Prozent des Einkommens als sogenannte „Disasporsteuer“ zahlen. Ohne diese Steuer gibt es keine Dokumente. Flüchtlinge nennen es unzumutbar, ihren Verfolgerstaat auch noch zu finanzieren. Sie fordern, dass deutsche Auswärtige Amt solle sich bewegen und auch nichtstaatliche Dokumente anerkennen. Außerdem sollten die Anträge auf Familiennachzug prioritär bearbeitet werden, finden die Geflüchteten.

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4 Kommentare

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  • Vor dem Gesetz und der Verwaltung sollen alle Menschen gleich sein. Warum sollen hier für eine Gruppe von Menschen besondere Regeln gelten ? Wer schon einmal Personaldokumente für Angehörige ausserhalb von Mitteleuropa beantragt hat, weiß, daß dies immer mit erheblichen Mühen, Geld und Zeitaufwand verbunden ist.

  • Was ist das Recht auf Familiennachzug wert, wenn man gleichzeitig höchste bürokratische Hindernisse und labyrinthähnliche Verfahrensmaßregeln konstruiert, die selbst für den deutschen Bürger nicht einfach zu verstehen sind ?



    So gesehen sind für mich Flüchtlinge - nicht nur die eritreischen - einem politischen Machtkalkül, Manipulation und gewollter - letztendlich - bürokratischem Wirrwar ausgesetzt.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Struppo:

      Nach der Vertreibung der Deutschen aus Tschechien (45-46) mit entsprechender Ausplünderung und Enteignung wegen der Unterstützung der Nationalsozialisten( 6 Jahre) nach 700 jähriger Kolonisation ( Tschechische Sichtweise) kamen die meisten heim ins Reich( Schwaben, Bayern, Hessen usw.).



      Viele hatten keine Papiere oder Nachweise über Berufsausbildung, Abitur oder fehlende Geburtsurkunden.



      Diese Nachweise konnten von Bekannten bezeugt bzw. erbracht werden indem sie die Angaben an Eides statt erklärten und bürgten. Dass es dabei auch manchmal zu Betrug oder Unregelmäßigkeiten kam hat der Bundesrepublik nicht geschadet. Früher oder später kam die Wahrheit ans Licht, oder spätestens bei Scheidungsauseinandersetzungen.



      Mit etwas guten Willen is es machbar, die Geflüchteten müssten nur die entsprechenden Bekannten finden , die dann die Identität bezeugen können und dafür haften—Ende—. Ich gebe Ihnen in einem recht, es ist nicht gewünscht. Mit bürokratischen Wirrwarr hat das nix zu tun.

      • @97287 (Profil gelöscht):

        Ja, da wird es wohl immer auch Betrüger geben. Ein spektakulärer Fall aus meiner Region war ein KZ-Aufseher, der sich nach dem Krieg eine neue Identität erfunden hatte und als falscher "Theologe" sogar in den Dienst der Kirche kam. Er war als Pfarrer sogar recht beliebt und alles flog erst nach seinem Tod auf.

        Ich bin nur nicht sicher, ob die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg wirklich vergleichbar mit der Lage in Eritrea ist. Damals ging dauerhaft und irreversibel Territorium an Tschechien über, so dass keinerlei Aussicht auf Rückkehr bestand.

        In Eritrea herrscht eine brutale Diktatur. Darum brauchen Menschen von dort Asyl im Ausland und in der aktuellen Situation sollten Abschiebungen nach Eritrea undenkbar sein. Aber das Land an sich ist noch da, politische Verhältnisse können sich ändern und politische Dissidenten können hoffen, eines Tages in ihre Heimat zurückzukehren.