Demo von „Querdenker:innen“: Weiße Rosen für Weimarer Richter
„Querdenker:innen“ protestieren gegen die Strafverfolgung eines Familienrichters. Der hatte vorübergehend die Maskenpflicht an Schulen gekippt.
Die Versammlung der „Querdenker:innen“ war von der Stadt Weimar wegen drohender Gewalt verboten worden. Die Thüringer Gerichte hatten das Verbot bestätigt. Die Polizei löste die Versammlung laut einem Bericht des MDR auf, dabei kam es zu Rangeleien. Vor dem Amtsgericht in Weimar und vor anderen Gerichten in Thüringen legten die „Querdenker:innen“ weiße Rosen nieder. Auf Zetteln in Weimar stand „Lang lebe Sophie Scholl“.
Familienrichter Dettmar hatte am 8. April auf Anregung einer Mutter für zwei Jungen und alle Mitschüler:innen die Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen ausgesetzt. Durch die Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz in der Schule würden die Kinder „physisch, psychisch und pädagogisch geschädigt, ohne dass dem ein Nutzen für die Kinder oder Dritte gegenüberstehe“. Sein 192 Seiten langer Beschluss stützte sich vor allem auf drei Sachverständige, die laut Spiegel zur coronaskeptischen Initiative „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ gehören.
Die Weimarer Entscheidung wurde vor allem in Kreisen der „Querdenker:innen“ gefeiert. Bundesweit wurden bei Familiengerichten formularmäßig Hunderte ähnliche Anträge auf Aussetzung der Maskenpflicht für Schüler:innen eingereicht. Ein neues coronaskeptisches „Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte“ (Krista) sprach von einem „Paukenschlag“, der in seiner Methodik „Maßstab und Vorbild für Richterinnen und Richter in ganz Deutschland“ sein solle. Soweit ersichtlich, gab es bisher aber nur einen weiteren einschlägigen Beschluss seitens einer Familienrichterin im bayerischen Weilheim.
Familiengerichte lehnen Kindeswohlanträge ab
Das Verwaltungsgericht Weimar stellte kurz darauf in einer anderen Sache klar, dass es nicht zur Kompetenz von Familienrichtern gehört, staatliche Pandemiemaßnahmen zu kontrollieren. Der Beschluss von Richter Dettmar sei „offensichtlich rechtswidrig“. Zahlreiche Familiengerichte in ganz Deutschland lehnten inzwischen die Kindeswohlanträge von maskenkritischen Eltern wegen Unzuständigkeit ab.
Die zuständigen Verwaltungsgerichte bestätigten dagegen die Maskenpflicht an Schulen überwiegend. So entschied das Verwaltungsgericht Weimar Ende April, dass die Maskenpflicht an Schulen eine „geeignete und erforderliche“ Maßnahme sei. Die Richter:innen beriefen sich dabei unter anderem auf das Robert-Koch-Institut (RKI).
Das Thüringer Kultusministerium bezeichnete den Beschluss von Richter Dettmar, soweit er auch alle Mitschüler:innen der betroffenen Jungen erfasste, als „Scheinbeschluss“ und erhob Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Jena. Das OLG will aber erst im Laufe des Mai entscheiden.
Hürden zur Strafverfolgung sehr hoch
Gegen Richter Dettmar gingen elf Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung ein, die Staatsanwaltschaft Erfurt hat inzwischen ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den Richter eröffnet. In der vorigen Woche wurde das Dienstzimmer des Richters im Amtsgericht Weimar durchsucht, ebenso seine Privatwohnung. Auch sein Mobiltelefon wurde beschlagnahmt.
Die Staatsanwaltschaft begründete ihr Vorgehen mit Anhaltspunkten, dass der Richter „willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist“. Um die Unabhängigkeit der Gerichte zu schützen, liegen die Hürden für eine Strafverfolgung eigentlich sehr hoch. Ein Fehlurteil genügt dafür nicht, vielmehr muss der Richter das Recht vorsätzlich falsch angewandt haben. Richter Dettmar wird inzwischen von dem renommierten Strafverteidiger Gerhard Strate vertreten.
Auch gegen die Weilheimer Familienrichterin liegen Strafanzeigen von Bürger:innen vor. Hier ist die Staatsanwaltschaft noch im Bereich der üblichen Vorermittlungen, die nach jeder Strafanzeige erfolgen.
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