Demo gegen das Jagdgesetz: Tiere töten als Hauptgewinn
In der Auseinandersetzung um das niedersächsische Jagdgesetz wird der Ton schärfer. Jäger mobilisieren bundesweit und verlosen dafür sogar Abschüsse.
Vom Schützenplatz aus wollen sie in Jagdhörner trötend vor den Landtag ziehen. Seit Weihnachten mobilisiert die Jägerschaft bundesweit, um gegen die Novelle des niedersächsischen Jagdgesetzes zu schießen, die Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) plant.
Zu welchen Mitteln sie dabei greift, zeigt eine interne Nachricht der Kreisjägerschaft Rhein-Erft, die der taz vorliegt. „Um die Motivation zur Teilnahme an der wichtigen Demonstration in Hannover am 30. Januar zu steigern“, heißt es darin, solle ein „Motivations-Battle“ gestartet werden, also ein Wettkampf zwischen den lokalen Jäger*innengruppen, den sogenannten Hegeringen. Wer am meisten Mitglieder mobilisiere, bekomme eine Belohnung.
Die siegreiche Gruppe erhalte „1. Einen Bockabschuss vom Ansitz“ sowie „2. Einen Ansitz auf Sauen im Winter“, die sie unter ihren Demo-Teilnehmenden verlosen könne. Das wirft ein kleines Schlaglicht auf etwas, was Jäger*innen sonst gern unterschlagen, wenn sie sich als gewissenhafte oberste Tier- und Naturschützer präsentieren: den Spaß am Töten von Tieren.
Streit gibt es vor allem an der Jagdhundeausbildung
Eigentlich sollte Staudtes Jagdrecht-Novelle aber genau das: Das alte Jagdrecht mit modernen Tierschutzstandards und anderen Anforderungen versöhnen. Dabei ging es zum Teil eher um technische Fragen und Zuständigkeiten, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Nutria und Bisamratten, die den Hochwasserschutz gefährden, oder um die Rettung von Rehkitzen vor Mäharbeiten. Das sind Dinge, die sich in mehreren Dialogrunden zwischen Ministerium und Jägerschaft durchaus einvernehmlich regeln ließen.
Verkeilt hat man sich allerdings vor allem bei der Jagdhundeausbildung. Die Ministerin, die selbst über einen Jagdschein verfügt, aber keine aktive Jägerin ist, möchte die Ausbildung an lebenden Tieren beschränken oder soweit möglich durch Alternativen ersetzen lassen.
Das betrifft vor allem den Einsatz von Füchsen in Schliefenanlagen, wo die Tiere in Zwingern gehalten werden, um dann regelmäßig durch die Röhren und Gänge von künstlichen Bauen gehetzt zu werden. Das Ministerium möchte hier prüfen, ob dafür nicht – wie in Dänemark – Fuchsattrappen eingesetzt werden können.
Auch den Einsatz von lebenden Enten für die Ausbildung will man beschränken. Die Enten werden mit Papiermanschetten vorübergehend flugunfähig gemacht und im Schilf versteckt, damit die Hunde lernen können, wie man verletzte Tiere aufspürt und apportiert. Hier gibt es schon eine freiwillige Vereinbarung, die den Einsatz auf drei Enten pro Ausbildung und eine zu Prüfungszwecken minimiert. Die bisher freiwillige Vereinbarung soll zur Pflicht werden. Gleichzeitig soll eine wissenschaftliche Begleitung alternative Verfahren ausfindig machen.
Franz-Josef Kipshagen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Rhein-Erft
Die organisierte Jägerschaft liest das allerdings als Angriff auf die Jagd im Allgemeinen und spart nicht an dramatischen Überzeichnungen. Die Ministerin lasse sich vor den Karren extremistischer Tierschützer*innen spannen, behauptet Helmut Dammann-Tamke, Präsident des Deutschen Jagdverbandes und langjähriger CDU-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen, in einem Interview mit dem Branchenmagazin Pirsch.
Langfristig gehe es um die Abschaffung der Jagd als Ganzes, erklärt er, und „wenn die extremistischen Tierschutzorganisationen mit uns fertig sind, kommen die Angler und die Reiter“. Hier werde mal wieder Politik gegen den ländlichen Raum gemacht.
Daran ändere auch nichts, dass die Grünen den Jägern in der Tat in vielen Punkten schon entgegengekommen sind. In einer Stellungnahme der Landesjägerschaft Niedersachsen heißt es, bei genauerer Betrachtung erkenne man doch sofort die eingebauten „Widersprüche und Hintertüren“, mit der die Ministerin nicht nur die Jäger, sondern auch ihren Koalitionspartner SPD hinters Licht führen wolle. Das Misstrauen ist offenbar groß.
Jetzt mobilisieren auch die Tierschützer
Christian Schroeder, Sprecher für Tierschutz und Jagd in der grünen Landtagsfraktion, wirft Dammann-Tamke vor, sein Amt parteipolitisch zu missbrauchen, um bundesweit Stimmung gegen die Grünen zu machen.
Das hat aber möglicherweise auch etwas mit Dammann-Tamkes speziellem Demokratieverständnis zu tun. In einem anderen Pirsch-Interview zur Bundestagswahl antwortet er nämlich: „Wir haben unmittelbar und sehr schnell Kontakt zu Parteien aufgenommen, zumindest zu denen, wo wir der Auffassung sind, dass sie bereit sind, unsere Position weitgehend eins zu eins zu übernehmen.“
Das könnte mit den niedersächsischen Grünen allerdings schwierig werden. Die geraten nun auch von der anderen Seite in die Kritik: Tierschutzorganisationen werfen ihnen vor, zu weit eingeknickt zu sein und rufen zur Gegendemo auf.
Und die Kreisjägerschaft Rhein-Erft? Die komme letztendlich nur mit rund 50 Leuten nach Hannover, erklärt deren Vorsitzender Franz-Josef Kipshagen der taz. Wirklich geholfen habe der Mobilisierungs-Anreiz also nicht.
Die Kritik am „Motivations-Battle“ kann er nur bedingt nachvollziehen. „Das Verständnis gegenüber der Jagd hat allgemein abgenommen“, sagt Kipshagen. Gerade in Städten wüssten die Menschen nicht mehr viel anzufangen mit der Natur und der Frage, wo man als Mensch auch eingreifen müsse, um bedrohte Arten zu erhalten.
Dazu zähle, „Predatoren“, also beispielsweise Füchse, effektiv zu jagen, um bedrohte Tiere wie Vögel zu schützen. Genau dafür sei etwa das Training der Hunde auch an lebenden Tieren wichtig.
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