Debüt von US-Sängerin Lady Blackbird: Wasserstoffblonde Wärme
Die US-Künstlerin Lady Blackbird garniert ihr Debütalbum „Black Acid Soul“ mit Interpretationen von alten Soulsongs, Funkrock und Jazzstandards.
Auch wenn der Albumtitel etwas anderes suggeriert, Lady Blackbirds Debütalbum „Black Acid Soul“ gehört nicht in die Sparte Retro: Die US-Künstlerin, die als Marley Munroe im Südwesten des Landes geboren wurde und mit Gospelmusik in der Kirche aufwuchs, verschreibt sich weder dem P-Funk noch dem Neo-Soul-Revival. Eher sieht sie sich selbst als Jazzsängerin, die Standards in eigenen neuen Arrangements performt, so wie die elf Songs auf ihrem Debütalbum.
Ihr Timbre klingt kratzig, und doch verströmt Lady Blackbirds Stimme viel Wärme. Ihr Gesang schlägt die Hörerin sofort in ihren Bann. Viel Beiwerk zum Stimmenzauber braucht es nicht, minimalistische Bass- und Klaviertupfer behandeln zum Beispiel bei der Coverversion von Nina Simones „Blackbird“ jede Note so, als sei sie ein rohes Ei. Ähnlich geht es weiter: Meistens fungieren die Instrumente als spartanische Klangkulissen, damit sich der gefühlsbetonte Gesang von Lady Blackbird maximal entfalten kann.
Einzig der Titelsong tanzt ein bisschen aus der Reihe. Auf einmal dehnt sich das Instrumentalbett raumgreifend aus, ein flirrender Bass verpasst dem Sound größere Flügel, die Orgel jault schräg. Das wirkt schon unheimlich, beinahe surreal. In die sanfte Klavierballade „Fix it“, eine der wenigen Eigenkompositionen aus der Feder von Lady Blackbird und ihrem Produzenten Chris Seefried, können sich die Hörer:innen dagegen fallen lassen. Dieses Lied klingt wie ein Klassiker aus dem Great American Songbook, dabei hat die Sängerin bei der Wahl ihres Repertoires zu bekannte Klassiker eigentlich links liegen gelassen.
Unbekannte Songs, zu neuem Leben erweckt
Wesentlich reizvoller fand sie es, unbekanntere Songs wieder zum Leben zu erwecken – teilweise in einem völlig neuen Gewand. „Collage“, das ursprünglich von der Southern-Rock-/Funkband James Gang stammt, kommt sehr viel intensiver daher als das Original. „Wanted Dead Or Alive“, eine Gospel-Funk-Nummer aus den frühen siebziger Jahren, ursprünglich vom Chor The Voices of East Harlem, hat Lady Blackbird hemmungslos durch den musikalischen Fleischwolf gedreht – und ihr mit „Beware the Stranger“ auch gleich einen neuen Titel verpasst. Das Stück lehnt sich jetzt mehr an Jazz an.
Lady Blackbird: „Black Acid Soul“ (Foundation Music/BMG)
Lediglich der markante Backgroundgesang verweist noch auf das Original. Eine bemerkenswerte Idee, die von Chris Seefried stammt. Der Produzent ebnete bereits für die Sängerin Andra Day den Weg zum Erfolg. Diese stieg 2021 in die Liga der Berühmtheiten auf, als sie für ihre Hauptrolle in dem Film „The United States vs. Billie Holiday“ mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Seefried hält sie für ein Ausnahmetalent. Genau wie Lady Blackbird. Trotzdem legte sein Schützling keineswegs einen kometenhaften Start hin, im Gegenteil.
Einst sang Lady Blackbird im Kirchenchor, ihren ersten Auftritt in einem Gotteshaus hatte sie mit fünf. Als Teenager bekam sie einen Plattenvertrag bei einem Label, das sich auf geistliche Musik spezialisierte hatte. Man könnte sagen: Ein Glücksfall war das für sie nicht unbedingt. Tatsächlich hatten ihre Eltern sie in diese Richtung gedrängt – gegen ihren Willen. „Das Ganze war so weit weg von der Person, die ich war“, erinnert sie sich.
Nach LA zu Jimmy Jam und Terry Lewis
Kein Wunder, dass Lady Blackbird aus dieser Szene ausbrach, sobald sie volljährig wurde. Mit 18 zog sie nach New York, flog aber immer wieder zu Studiosessions nach Los Angeles. Dort kooperierte sie mit dem Produzentenduo Jimmy Jam und Terry Lewis, die sich vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit Janet Jackson einen Namen gemacht hatten.
Irgendwann in einer Liga mit Rihanna und Beyoncé zu spielen, das war gewiss Lady Blackbirds Ziel. Als L. A. Reid sie für sein Label Epic unter Vertrag nahm, schien sie dem nahe. Doch schon bald gab es künstlerische Differenzen. Der Deal platzte, damit war der Popstar-Traum von Lady Blackbird vorläufig ausgeträumt.
Empfohlener externer Inhalt
It'll never happen again
2018 traft sie Chris Seefried. Erst mit seiner Hilfe fand Lady Blackbird nach einigen Experimenten in der Welt des Jazz wirklich zu sich selbst. „Chris war in der Lage, sich in das hineinzudenken, was ich fühlte“, sagt sie. Allerdings ist Lady Blackbird durch ihren Richtungswechsel nun nicht plötzlich zu einer Genresängerin à la Diana Krall geworden.
Sie findet es spannender, sich auf der Bühne und in ihren Videos als exzentrische Künstlerin zu inszenieren – mit wasserstoffblond gefärbten Haaren, Nasenring und reichlich Make-up. Im Clip zum Song „It’s not that easy“ trägt Lady Blackbird eine extravagante weiße Robe, angefertigt aus Tüll und Federn. Sie hat eben den Habitus einer Diva, gepaart mit ihrer unnachahmlichen Stimme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“