Debatte um Videoüberwachung in Berlin: Big Michael is watching you
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) will nun auch Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Die Grünen spielen das Thema herunter.
Eigentlich sollte das Thema am 9. Januar zur Sprache kommen. Doch schon vor der ersten Koalitionsklausur von SPD, Linken und Grünen ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgeprescht.
Dem RBB-Fernsehen sagte Müller am Donnerstagabend, mit Videoüberwachung könne man Straftaten zwar nicht verhindern, aber deutlich schneller aufklären. Müller wörtlich: „Ich hoffe, dass es in dieser Frage Bewegung gibt.“ Konkret nannte Müller den Alexanderplatz, den Breitscheidplatz und das Kottbusser Tor als mögliche Orte, an denen Kameras installiert werden könnten.
Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Linke und Grüne gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung von Bahnhöfen und Bahnen auf den öffentlichen Raum ausgesprochen. Statt eines Pilotversuchs am Alexanderplatz, den SPD und CDU vereinbart hatten, soll es dort lediglich eine Polizeiwache geben.
Doch nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz hat sich die Lage verändert, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann, der taz. „Der Bund hat eine Neujustierung des Datenschutzes vorgenommen, nun sind die Länder gefordert, sich dazu zu verhalten.“ Bereits vor einer Woche hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Berliner Senat aufgefordert, seine Haltung zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze „dringend zu überdenken“.
Bislang haben das Grüne und Linke abgelehnt. Unmittelbar nach dem Anschlag nannte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, die Forderung ein „Hirngespinst“. Und auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte erklärt, sich nicht vom Bund unter Druck setzen zu lassen. Vielmehr werde seine Verwaltung zur Klausur des Senats ein Paket für mehr Sicherheit vorlegen.
Nun aber hat auch Geisel vorsichtig erkennen lassen, dass ein striktes Nein für die SPD problematisch werden könnte. Zwar könnten Kameras keine Kriminalität verhindern. Aber die juristische Verfolgung werde dadurch besser und schneller, sagte Geisel am Freitag.
Die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek erklärte dagegen, Müllers Vorstoß sei nicht mit ihrer Partei abgestimmt gewesen. Dennoch versuchte sie das Thema herunterzuspielen. „Wir haben eine neue Sicherheitslage“, sagte Kapek. „Bislang galt Videoüberwachung in öffentlichen Räumen als wenig effektiv.“ Nun aber gelte es, die Erfahrungen in anderen Bundesländern auszuwerten.
Michael Müller, Senatschef
Von Innensenator Geisel erwartet die grüne Fraktionschefin, dass er auf der Senatsklausur einen Maßnahmenmix vorlege. „Ich glaube aber nicht, dass die Videoüberwachung dazugehört“, betonte Kapek.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers