Debatte um Neuverschuldung: Hüther gegen Schuldenbremse
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft will neue Regeln für öffentliche Investitionen. Für die Schuldenbremse spreche nicht mehr viel.
Unter dem Titel „10 Jahre Schuldenbremse – ein Konzept mit Zukunft?“ fordert der IW-Direktor eine „innovations- und wachstumspolitische Öffnung der Schuldenbremse“. Eine Möglichkeit dafür bestünde darin, „gesamtstaatliche Investitionen in einen bundesstaatlichen Vermögenshaushalt auszulagern“, so Hüther. Für die übrigen Budgets soll ein Neuverschuldungsverbot gelten, das nur bei einer „besonderen Schwere der Rezession relativiert“ wird. Mit der Schuldenbremse darf die Neuverschuldung 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten.
Laut Hüther spricht heute für die Schuldenbremse, anders als bei ihrer Einführung 2009, nicht mehr viel. Mit dem „günstigen Zinsumfeld“ hätten sich die Bedingungen für die öffentliche Verschuldung seit der Wirtschafts- und Finanzkrise grundlegend geändert. „Eine intergenerative Umverteilung zulasten künftiger Generationen ist deshalb derzeit und absehbar nicht mehr gegeben.“
Gleichzeitig konstatiert Hüther wachsende staatliche Ausgaben trotz Schuldenbremse. Der Staat werde derzeit aus mehreren Ursachen „in eine steigende finanzielle Anspannung getrieben“. Hüther nennt hier die geplante Grundrente, aber auch steigende Verteidigungsausgaben. Zudem fordert er „dauerhafte Entlastungen“ für die Unternehmen, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Aus all diesen Gründen sei zu wenig Geld für staatliche Investitionen vorhanden, solange die Schuldenbremse unverändert in Kraft bleibe, fürchtet der IW-Direktor.
Hüthers Stellungnahmen sorgen für Aufsehen, weil bislang vor allem arbeitnehmernahe Ökonomen gegen die Schuldenbremse plädierten. Im Bund ist sie seit 2016 vollständig in Kraft, in den Bundesländern wird sie 2020 verbindlich. Die große Koalition in Niedersachsen beschloss erst in der vergangenen Woche, die Schuldenbremse in der Landesverfassung festzuschreiben.
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