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Debatte um Neubau von WohnungenBillig dank Wohngemeinnützigkeit

Gemeinnutz als Schlüssel: Die Grünen haben errechnen lassen, wie sich ein anderes Fördersystem auf den Wohnungsmarkt auswirken könnte.

Schöner wohnen: Neubauten in Hannover Foto: dpa

BERLIN taz | In Deutschland könnten mehr kostengünstige Wohnungen gebaut werden, wenn der Bund sie über eine neue Wohngemeinnützigkeit finanziert anstatt über die geplanten steuerlichen Sonderabschreibungen im Wohnungsbau (die sogenannte Sonder-AfA). Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der „Kiehle-Beratung:Wohnen“ im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen.

Das Konzept der Grünen, mit dem in der Studie gerechnet wurde, sieht eine Investitionszulage von 10-20 Prozent der Kosten vor, dazu eine Befreiung von diversen Steuern für die Investoren. Bedingung dafür sind dauerhafte Mietobergrenzen und die Limitierung der Gewinnausschüttung auf 3,5 Prozent des eingesetzten Eigenkapitals. Zudem wird die Förderung auf Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt begrenzt.

Die von der großen Koalition geplante Sonder-AfA, die am heutigen Montag Thema einer Expertenanhörung im Bundestag ist, sieht dagegen nur eine zeitlich befristete Sonderabschreibung über vier Jahre vor. Eine Eingrenzung auf bestimmte Gebiete ist ebensowenig geplant wie Mietobergrenzen. Allerdings sind die veranschlagten Kosten weitaus niedriger als die acht Milliarden Euro, die die Grünen für die Neue Wohngemeinnützigkeit in dieser Legislaturperiode ansetzen. Die Sonder-AfA soll in diesem Zeitraum rund 400 Millionen Euro kosten.

In der Studie werden Neubauten in zwei Städten verglichen, im vergleichsweise billigen Neuss und im teuren München. In Neuss ergeben sich beim Neubau durch ein Wohnungsunternehmen ohne alle Fördermittel Kostenmieten zwischen 11 und 12 Euro kalt pro Quadratmeter. Mit Einsatz der Neuen Wohngemeinnützigkeit liegen die Mieten je nach Einkommen zwischen 9,18 Euro und 10,23 Euro. Kombiniert mit der Sozialwohnraumförderung des Landes ergeben sich für die Wohnungen Mieten zwischen 4,25 Euro und 6,36 Euro.

„Noch mehr von der falschen Medizin“

Auch in München können die Mietkosten gesenkt werden, allerdings auf einem wesentlich höheren Niveau. Ohne Förderprogramme liegen die Kostenmieten im Neubau für Wohnungsunternehmen zwischen 18 und 19 Euro pro Quadratmeter. Hier schafft die neue Wohngemeinnützigkeit der Grünen Senkungen auf 14,53 Euro bis 16,29 Euro. Mit Landesmitteln zur Sozialwohnraumförderung zusammen sinkt die Kaltmiete auf 5,77 Euro bis 7,45 Euro.

Die Grünen schlussfolgern, dass die bisher notwendige Quersubventionierung von Sozialwohnungen durch andere Neubauten dadurch nicht mehr notwendig sei. Durch die Quersubventionierung hatten sich vor allem die Kosten für das mittlere Preissegment erhöht – während sozial Benachteiligte profitierten, bekam die Mittelschicht größere Probleme. Die Grünen fordern ebenso wie die Linkspartei seit längerem eine neue Wohngemeinnützigkeit. Die alte wurde 1990 abgeschafft.

„Ohne ein Umdenken in der Wohnungspolitik ist der dramatische Schwund an Sozialwohnungen und bezahlbarem Wohnraum nicht zu stoppen“, kommentierte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, die Studie. Die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau sei „noch mehr von der falschen Medizin“. Die Trendwende im Sozialen Wohnungsbau werde nur mit einer massiven Aufstockung der Mittel gelingen. Sozialwohnungen sollen in ihrem Konzept dauerhaft preislich gebunden bleiben.

Bei der Expertenanhörung im Bundestag zur Sonder-AfA werden keine Überraschungen erwartet. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die SPD-Fraktion ähnliche Pläne gekippt. Anders als damals stehen die Sozialdemokraten diesmal aber geschlossen hinter dem Vorhaben.

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2 Kommentare

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  • Das Problem an der genannten Wohneigennützigkeit bzw. Investitionszulage ist, dass kein Investor ein wie auch immer geartetes Interesse an den genannten Limitierungen haben wird. Die Investitionen in den Neubau und der damit gewünschte Erfolg dürfte daher ausbleiben. Fraglich ist dann allerdings, wie die genannte Studie zu ihrem Ergebnis gelangen konnte. Insoweit kann nur unterstellt werden, dass zum Zwecke der Erstellung der Studie die Interessen der Investoren nicht berücksichtigt worden sind.

    3,5 Prozent Kapitalverzinsung steuerfrei locken doch keinen Investor aus dem Busch, zumal die Verzinsung ja noch nicht mal garantiert werden soll.

    So wird das nix mit dem Neubau.

  • Vielleicht macht es ja Sinn zusätzlich bei der Lösung der Wohnungsprobleme auch im sozialen Bereich, Möglichkeiten des teilgewerblichen Wohnungsbau zu berücksichtigen um gleichzeitig im kleinen Rahmen Erwerbsmöglichkeiten zu entwickeln die wieder Hoffnung und Zuversicht bieten.