Debatte um Migrationsrecht: Bundestag goes Abgeordnetenhaus
Merz' 5-Punkte-Plan wird Thema im Landesparlament. Die SPD-Landesspitze erwartet von ihrem Koalitionspartner CDU „klare Kante“ zum Umgang mit der AfD.
Wenn am Donnerstag das Landesparlament zusammen tritt, wird es eine Aktuelle Stunde geben, bei der es neben dem Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 80 Jahren auch darum gehen wird, welche Konsequenzen sich daraus für den Umgang mit der AfD ergeben. Den Antrag dazu haben die oppositionellen Grünen und Linken eingebracht.
Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD hingegen hatten nur über die Vergangenheit sprechen wollen. Ihr Antrag lautete: „80 Jahre Befreiung von Auschwitz – Berlin gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus“.
Angesichts der bundespolitischen Debatte, die der CDU-Kanzlerkandidat Merz mit den angekündigten Anträgen zur Migrationspolitik ausgelöst hat, dürfte eine Diskussion über die Brandmauer in Berlin aber auch der mitregierenden SPD in die Karten spielen. „Von unserem Koalitionspartner erwarten wir hier eine klare Kante“, äußerten sich ihre Landesvorsitzenden Nicola Böecker-Giannini und Martin Hikel. „Wenn Kai Wegner dieses Vorgehen seines Kanzlerkandidaten wortlos toleriert, macht sich auch er mit all seinen Bekundungen zur Abgrenzung gegen die AfD unglaubwürdig.“
Regierungschef pocht auf Brandmauer
Inhaltlich scheint Wegner jedoch auf den Kurs seines Parteichefs eingeschwenkt zu sein. „Wir müssen die irreguläre Migration beenden und funktionierende Grenzkontrollen und auch Zurückweisungen an der Grenze umsetzen“, sagte er. Es werde höchste Zeit, die Kontrolle darüber zurückzugewinnen, wer ins Land komme. „Wir brauchen in der Migrationspolitik in Deutschland endlich eine Umkehr.“ Er pochte dabei aber ausdrücklich auf eine Brandmauer gegen die AfD: „Für mich und uns als CDU steht fest: Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD wird es mit der CDU nicht geben.“
Zwei Anträge aus Merz’ Vorstoß, dem sogenannten 5-Punkte-Plan, sollen bereits am Mittwoch im Bundestag abgestimmt werden, ein weiterer Gesetzentwurf am Freitag. Bei der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus könnte die Brandmauer also schon Geschichte sein. Zumindest so, wie sie Kai Wegner versteht, als Ablehnung an eine „wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD“.
Viel niedriger hängt Brandenburgs CDU-Vorsitzender Jan Redmann die Latte, wenn es um die AfD geht. „Es gibt keine Koalition oder koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD“, sagte Redmann der dpa. „Die AfD hat immer mehr Personen in Entscheidungsfunktionen, die keine Abgrenzung mehr zum rechtsextremen Milieu haben. Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen.“
Die Reaktion der SPD, die in Brandenburg mit dem BSW koaliert, kam prompt: „Friedrich Merz bricht Wort, wenn er morgen Entschließungsanträge zusammen mit der AfD durchbringt. Er kooperiert dann mit einer Partei, die politische Heimat echter Nazis wie Höcke und anderer ist“, sagte der kommissarische Generalsekretär der SPD Brandenburg, Kurt Fischer.
Kritisches Verhältnis zu Merz
Die SPD reagierte damit auch auf eine Äußerung der CDU- Landtagsabgeordneteten und früheren Landeschefin Saskia Ludwig. Diese hatte sich in einem Interview des Senders TV Berlin offen für eine „Mitte-rechts-Koalition“ und damit für ein Bündnis mit der AfD gezeigt.
Das Verhältnis von Wegner zu seinem Bundesvorsitzenden lässt sich durchaus als kritisch beschreiben. Dabei war der heutige Regierungschef ein Anhänger von Merz, als es nach 2019 um die Nachfolge von Parteichefin Angela Merkel ging und Merz zweimal unterlag. Doch dann gab es angebliche Erwägungen beim im dritten Anlauf zum Vorsitzenden gewählten Merz, Wegner vor der Berliner Wiederholungswahl 2023 durch einen anderen Kandidaten zu ersetzen. Das war zwar schnell wieder vom Tisch, aber ein Auftritt von Merz beim Landesparteitag kurz vor der Wahl wirkte blutleer.
Im Sommer 2023 wurde Wegner, nun im Range eines Ministerpräsidenten, die meistbeachtete Stimme unter den CDUlern, die Merz nach einem bestenfalls unglücklichen ZDF-Interview auf die Brandmauer verpflichteten. Immer wieder gibt es zudem Konflikte beim Thema Schuldenbremse, an der Merz festhält, während Wegner eine Reform fordert.
Und dann war da noch der Moment, in dem der frühere CDU-Hardliner Berlins alternativen Hotspot gegen Merz verteidigte: Als der sagte, ein bayrisches Volksfest und nicht Kreuzberg sei Deutschland, konterte Wegners Sprecherin: „Wir mögen Kreuzberg, und Deutschland, und das Sauerland (Merz’ Heimat, d. taz), und Gillamoos. Und ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut.“
Generalsekretärin für 5-Punkte-Plan
Aus der fünfköpfigen Berliner CDU-Gruppe im Bundestag sagte der taz Ottilie Klein, zugleich Generalsekretärin der Berliner CDU: „Unserem 5-Punkte-Plan stimme ich vollumfänglich zu.“ Ein Treffen der CDU-/CSU-Fraktion dazu war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet. Weitere Rückmeldungen von den Berliner Abgeordneten auf taz-Anfragen gab es bis dahin nicht.
Die Landesgruppe besteht aus zwei Merkelianern, darunter Ex-Ministerin Monika Grütters, die einen stark veränderten Kurs in der Migrationsspolitik kritisch sehen dürften, zweien, die klar auf Wegner-Linie sein müssten, und Mario Czaja, den Merz 2022 erst zum CDU-Generalsekretär machte, ihn aber nach kaum eineinhalb Jahren wieder entließ.
Für die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist die Aktuelle Stunde auch eine Möglichkeit, die Bedeutung der Zivilgesellschaft zu betonen. „Wir wollen damit auch an die Demonstrationen anknüpfen, die es am Wochenende gegeben hat“, sagte ihr parlamentarische Geschäftsführer, Sebastian Walter, der taz.
Am Samstag hatten am Brandenburger Tor nach Angaben der Veranstalter 100.000 Menschen mit einem „Lichtermeer“ demonstriert. Damit sollte „in dunklen Zeiten“ ein Signal an die demokratischen Parteien gesendet werden, hieß es im Aufruf. Veranstaltet wurde das „Lichtermeer“ von Fridays for Future, Campact und den „Eltern gegen rechts“.
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