Debatte um Integration: Deutschstunde auf dem Schulhof
Koalitionspolitiker fordern eine Deutschpflicht auf Pausenhöfen. Das gehe an wahren Integrationsproblemen vorbei, finden die Grünen, auch aus den Reihen der CDU kommt Kritik.
BERLIN taz / afp | Spitzenpolitiker von CDU und FDP plädieren für eine Deutschpflicht auf Schulhöfen. In der Debatte über eine bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund schlug der FDP-Generalsekretär Christian Lindner dies vor, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, pflichtete Lindner bei. Die Grünen lehnen die Forderung als "Absurdität" ab.
Lindner sagte der Bild-Zeitung: "An manchen Schulen sind Deutsche inzwischen die Minderheit. Es hilft der Integration, wenn dort Deutsch nicht nur im Unterricht gesprochen wird, sondern auch auf dem Pausenhof." Lindner verwies auf erste Schulen, an denen es entsprechende Vereinbarungen zwischen Lehrern, Eltern und Schülern gebe. "Das ist ein gutes Beispiel für andere", sagte der FDP-Generalsekretär.
So besteht eine Stuttgarter Realschule darauf, dass auf dem Pausenhof Deutsch gesprochen wird. Dies soll die Sprachkenntnisse verbessern und helfen, Konflikte zu vermeiden. Vor vier Jahren hatte die Herbert-Hoover-Realschule in Berlin-Wedding die Debatte über Deutsch auf dem Pausenhof mit einem ähnlichen Modell ausgelöst.
Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) schloss sich Lindners Forderung an. "Vor einem Jahr hat diese Diskussion noch einen Aufschrei hervorgerufen. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Deutsch muss verpflichtende Schulsprache sein", sagte Böhmer. Sie wandte sich zugleich gegen den Vorschlag des Deutschen Philologenverbands, Schüler mit Migrationshintergrund gleichmäßig auf Schulen zu verteilen.
Hierfür hatte der Verbandsvorsitzende Heinz-Peter Meidinger plädiert, weil sich so die Quote von Migrantenkindern in einer Klasse begrenzen ließe. Hintergrund der Diskussion sind jüngste Klagen über "Deutschenfeindlichkeit" an Schulen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte zu Wochenbeginn über die Lage unter anderem auf Schulhöfen geurteilt: "Da werden deutsche Kinder und Jugendliche dafür angegriffen, weil sie Deutsche sind." Sie würden etwa als "deutsche Kartoffel" oder "deutsche Schlampe" beschimpft. Auch dies sei "eine Form von Rassismus".
Eine Deutschpflicht auf Schulhöfen lehnen die Grünen ab. Der Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, kritisiert: "Die FDP suggeriert mit ihrer Forderung, dass die Immigranten in Deutschland an ihrer Misere ausschließlich sebst schuld seien." So entstehe in der Öffentlichkeit der Eindruck, "die Migrantenkinder seien nur deshalb nicht so gut in Deutsch beziehungsweise in der Schule, weil sie in der Schulpause in ihrer Muttersprache sprechen". Damit lenke "die FDP von der eigenen Unfähigkeit in der Integrationspolitik ab".
Auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat die Forderung nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen kritisiert. "Wir sollten uns davor hüten, reine Symbolpolitik zu betreiben", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Donnerstag. Eine Regelung, die Deutsch als verpflichtende Sprache auch auf Pausenhöfen vorschreibe, "trüge nur neue Konflikte in die Schulen hinein", warnte der Sprecher der Unions-Innenminister.
Er halte es aber "für absolut richtig", dass in Schulen Deutsch gesprochen werde, sagte Schünemann. Um Sprachprobleme bis zum Schulalter zu beheben, sei eine "frühzeitige Sprachförderung junger Migranten in den Kindergärten" erforderlich. Schünemann plädierte dafür, im Grundgesetz "ein klares Bekenntnis zur deutschen Sprache" abzugeben und Deutsch als Landessprache darin festzuschreiben. Er halte das für ein wichtiges Signal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich