Debatte um Gotteshaus in Berlin: Stadtrat will Pagode dulden
Im Streit um den Standort eines buddhistischen Bauwerks in Lichtenbergs zeichnet sich eine – unkonventionelle – Lösung ab.
taz | Im Streit mit der vietnamesisch-buddhistischen Pho-Da-Pagode lenkt der Bezirk Lichtenberg ein. „Ich werde mich über das Amt setzen und die Pagode persönlich dulden“, sagt Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) der taz exklusiv. „Damit trage ich die persönliche Verantwortung und lehne mich weit aus dem Fenster.“ Diese Duldung gilt dann aber nur, solange Hönicke Baustadtrat ist, also unter Umständen nur bis zur Wahlwiederholung Anfang 2023.
Wie die taz berichtet hatte, hat das Bauamt Lichtenberg die 200 Mitglieder zählende Pagodengemeinde aufgefordert, bis Anfang Januar das Gebäude aufzugeben und Anbauten zurückzubauen. Andernfalls, so steht es in dem Behördenbescheid, drohen hohe Bußgelder oder eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Mönch. Für die Gemeinde, in der sich viele ältere VietnamesInnen seit 2006 treffen, würde das das Aus bedeuten, denn ein Ersatzstandort ist nicht zu finden.
Hönicke ist nach wie vor der Meinung, dass rechtlich eine Pagode im Gewerbegebiet in Hohenschönhausen nicht genehmigungsfähig ist. Denn, so Hönicke, buddhistische Bauten genießen im Baurecht nicht die Privilegien wie christliche und jüdische Gebäude, anders als diese dürfen sie nicht in Gewerbegebieten stehen.
Damit das Wohl der Pagode nicht von seiner Person abhängt, sucht Hönicke nach eigenen Angaben nach einer rechtssicheren Lösung. Er könne sich vorstellen, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, weil der Buddhismus „hier klar diskriminiert wird“, sagte er.
Eine einfachere Lösung wäre es aus Hönickes Sicht, wenn der auch für Religionsfragen zuständige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sich erklären würde. „Er müsste mir einfach nur schreiben, dass der Buddhismus in jeglicher Hinsicht wie das Christentum und der jüdischen Glaube zu behandeln ist und schon könnte ich mit der Stellungnahme die Baugenehmigung versuchen auf den Weg zu bringen.“
Kulturverwaltung führt Gespräche
In der Senatsverwaltung für Kultur zeigt man sich offen. „Wir suchen gegenwärtig das Gespräch mit allen Beteiligten, teilweise finden die bereits statt“, sagt Sprecher Daniel Bartsch. Bereits 2021 hätte der Staatssekretär in „direktem Kontakt“ mit Hönicke „Lösungsvorschläge unterbreitet.“
Auch eine Willenserklärung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) könnte Hönicke zufolge hilfreich sein. Die will die vietnamesische Gemeinde der BVV abverlangen: Sie hat eine Online-Petition gestartet und will diese in den nächsten Tagen dem Petitionsausschuss in Lichtenberg weiterleiten. Bisher haben rund 300 Menschen unterschrieben.
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