Debatte um Freihandelsabkommen TTIP: Freier Handel für freies Bier
Die Lebensmittelindustrie will Freihandel mit den USA. Wer anders denkt, sei antiamerikanisch, tönen die Branchenlobbyisten.
BERLIN taz | TTIP bringt keine Chlorhühner in deutsche Supermärkte, sondern mehr Umsatz für die deutsche Lebensmittelindustrie – davon ist die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) überzeugt.
Der Verband präsentiert eine Umfrage, wonach sich die meisten Hersteller hierzulande Vorteile von einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA versprechen. Kritiker fürchten, dass Konzerne damit Umwelt- und Sozialstandards schleifen könnten.
„87 Prozent der befragten Unternehmen rechnen mit wachsenden und stabilen Exporten in die USA“, sagt dagegen Stefanie Lehmann, Referentin für die Lebensmittelbranche des BVE. Dabei handle es sich vor allem um mittelständische und kleine Unternehmen. Durch das Abkommen würden derzeit kostspielige Doppelkontrollen und Vorschriften in den USA wegfallen. „Die Zulassung von deutschem Bier muss momentan noch in jedem US-Bundesstaat einzeln beantragt werden“, sagt Lehmann.
40 Prozent der befragten Firmen hoffen demnach auf mehr Umsatz mit neuen Produkten, etwa speziellen, auf den US-Konsumenten abgestimmten Würsten. Kritik wischt die Lobbygruppe schnell vom Tisch: Die öffentliche Diskussionen über TTIP seien in Deutschland „oft antiamerikanisch motiviert“, sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des BVE. Die hohen Standards der deutschen Lebensmittelindustrie würden bleiben. Dass die Verhandlungen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sieht Minhoff nicht problematisch. Schließlich „gibt es kein völkerrechtliches Abkommen, das jemals öffentlich auf dem Alexanderplatz verhandelt wurde“.
Aufseiten der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft ist nichts von TTIP-Euphorie zu spüren. „Wir halten nicht nur die Geheimhaltung der TTIP-Verhandlungen für falsch, sondern auch deren Inhalte und Zielsetzungen“, sagt Georg Janßen, Pressesprecher des Verbandes, der sowohl konventionelle als auch ökologisch wirtschaftende Landwirte vertritt. Das habe nichts mit Antiamerikanismus zu tun. „Vielmehr mit den wirtschaftlichen Interessen von europäischen Großkonzernen, die vor allem Geschäfte auf Kosten bäuerlicher Betriebe machen wollen“, sagt Janßen.
Falls TTIP kommt, müsse etwa ein Milchbauer im Allgäu mit den Preisen von Großunternehmen in den USA konkurrieren, die mit „mehr als 10.000 Kühen Milchprodukte weitaus billiger anbieten als ein bäuerlicher Hof“.
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