Debatte um Flüchtlingsobergrenze: Diskussion führt zu verrohter Sprache

Ein Sprachwissenschaftler beobachtet im Zusammenhang mit der Kontroverse um eine Flüchtlingsobergrenze immer mehr Hassreden.

Horst Seehofer steht unter übergroßen Lettern, die das Wort Flüchtling bilden

Eine zeitlang war auch er ein prominenter Vertreter der Obergrenze: Horst Seehofer Foto: dpa

Berlin (dpa) | Die Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge hat nach Ansicht eines Experten zur Verrohung der Sprache in Deutschland beigetragen. „Die Formulierung „Wir können hier nicht alle aufnehmen“ klingt erstmal harmlos, denn erstmal ist das ja wahr“, sagte Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, der Deutschen Presse-Agentur.

Es stehe aber nicht tatsächlich zur Diskussion, dass die Bundesrepublik alle 70 Millionen Menschen auf der Flucht aufnehmen könnte. „Dieser Satz wird in den Diskurs gebracht, um zu behaupten, dass es bereits jetzt zu viele seien.“ Das aber bleibe unausgesprochen. „Auch das hat mit Verrohung zu tun.“

Stefanowitsch ist bekannt für seine Analysen der politischen Sprache. „Wie die Leute privat reden, ist für Sprachwissenschaft schwer zu sehen“, erklärte er. Das Internet gebe aber Einblicke; in den sozialen Medien seien viele Aussagen zwar sehr öffentlich. „Aber das scheint den Menschen oft nicht bewusst zu sein“, sagte Stefanowitsch. „Sie verhalten sich häufig, als wären sie im Privatgespräch. Und mein Eindruck ist, dass Argumentationsmuster, die zunächst gar nicht wie Hassrede oder Verrohung erscheinen, zunehmen.“

Ein Weg, der Verrohung in der Flüchtlingsdebatte zu entkommen, sei die Differenzierung. „Man muss darauf aufpassen, ob man zu sehr verallgemeinert oder Dinge sagt, die tatsächlich auf alle zutreffen“, sagte Stefanowitsch. „Spreche ich gerade tatsächlich über die ganze Gruppe? Wenn nicht, dann kann ich ja genauer sein.“ Schreibe man Menschen-Gruppen ein bestimmtes Verhalten zu, so passiere es sehr schnell, die ganze Gruppe damit auch zu bewerten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.