piwik no script img

Debatte um BürgergeldFDP macht Kompromissangebot

Das Bürgergeld ist vorerst von der Union gestoppt worden. Ein möglicher Kompromiss könnte bei der „Vertrauenszeit“ ansetzen.

Will für das Bürgergeld „nicht auf dem Baum“ bleiben und strebt einen Kompromiss an: FDPler Dürr Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin dpa | Nach der gescheiterten Verabschiedung des neuen Bürgergelds hat die FDP erneut Signale für einen möglichen Kompromiss zwischen Ampel-Koalition und der oppositionellen Union ausgesendet. „Es bringt ja nichts, wenn alle auf dem Baum bleiben“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor den Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Die Union verbreite „Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt“, meinte Dürr. Es sollten nur die möglichen Sanktionen für Empfänger wegfallen, die am Anfang des Bezugs ohnehin keine Relevanz haben. Ziel dabei sei, Bürokratie abzubauen. „Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich dafür offen, Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten.“ Die Union hat sich gegen die geplante „Vertrauenszeit“ von einem halben Jahr gewandt, in der Bürgergeld-Beziehern praktisch keine Leistungskürzungen bei Fehlverhalten drohen.

Der FDP-Politiker schloss aber aus, allein die Beträge der heutigen Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wie dies die Unionsspitzen gefordert hatten. „Wenn wir nur die Regelsätze erhöhen, wie die Union das will, verringern wir den Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen.“ Tatsächlich wolle die Koalition mit dem Bürgergeld bei Aus- und Weiterbildung und bei der Teilzeitarbeit zusätzliche Arbeitsanreize schaffen.

Kritik vom Kinderschutzbund

Das von der Ampel geplante Bürgergeld hat sich am Montag in der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat nicht durchsetzen können. Bei einer Sondersitzung stimmten mehrere Länder unter Führung oder Beteiligung der Union dagegen oder enthielten sich. Nun soll der Vermittlungsausschuss bis Ende November eine Lösung finden – ansonsten droht das Bürgergeld, mit dem die Ampel das System Hartz IV überwinden will, komplett zu scheitern.

Die Unionsfraktion besteht weiter darauf, auf die „Vertrauenszeit“ zu verzichten. „Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können“ sagte der Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, der Mitglied im Vermittlungsausschuss ist, der Augsburger Allgemeinen.

Der Kinderschutzbund kritisierte die unionsgeführten Länder für ihre Blockade des Bürgergelds. „Die Verweigerungshaltung der Union beim Bürgergeld ist unanständig“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Familien mit Kindern seien von den aktuellen Krisen besonders hart betroffen. In die gleiche Kerbe schlug der Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher. „Die Ablehnung von CDU und CSU ist ein fatales Signal an die Solidarität in der Gesellschaft in schon schwierigen Zeiten“, sagte er der Düsseldorfer Rheinischen Post.

Der Paritätische Gesamtverband rief Bund und Länder zu einer schnellen Einigung auf. „Wir erwarten zügige Entscheidungen im Sinne der Betroffenen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. „Wer jetzt nicht schnell und konsequent handelt, nimmt in Kauf, dass Armut weiter steigt und die Not der Menschen zunimmt.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuvor betont, dass er auf eine schnelle Vermittlung setze. Der Ausschuss könne bereits in der kommenden Woche tagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die FDP macht kein Kompromissangebot, die Schlagzeile ist mit Verlaub Mist. Auch die FDP selbst hält das ganz sicher nicht für ein Kompromissangebot.

  • Öffentliche Fürsorge gehört nach Art. 74 Grundgesetz zur konkurrierenden Gesetzgebung. Das heißt, die Länder haben nur solange Gesetzgebungskompetenz, solange der Bund nicht von seinem Recht Gebrauch macht. Wenn er das macht, braucht es keine Zustimmung vom Bundesrat. Eine Zustimmungspflicht gibt es nach Art 74 Abs 2 Grundgesetz nur in 2 Fällen: Bei Staatshaftung oder beim Beamtenstatus.

    Da es also weder einer Zustimmung bedarf, noch der Bundesrat ein Vetorecht hat, braucht es auch keinen Kompromiss!!! Die FDP fällt also Mal wieder der Ampel in den Rücken.

    Der Bundesrat hat nur ein Einspruchsrecht, dann geht es in den Vermittlungsausschuss, dann mit oder ohne Ergebnis wieder zum Bundestag. Der muss dann über den Einspruch mit Mehrheit abstimmen.

    Auch die Zeitungen wie Sie berichten darüber nicht korrekt: Sie stellen die Ablehnung des Bundesrats als Drama dar.

    • @Unvernunft:

      Ich stelle mal wieder fest, man lernt nie aus - vielen Dank für Ihren erklärenden Beiträg.