Debatte um Böllerverbot: Krachende Klassenpolitik
Die jährliche Diskussion übers Böllern offenbart konservative Befindlichkeiten: Verbote sind nur okay, wenn sie nicht die eigene Klientel treffen.
![Eine Reihe von Feuerwerksraketen Eine Reihe von Feuerwerksraketen](https://taz.de/picture/6733118/14/384058376-1.jpeg)
B ei der jährlich wiederkehrenden Debatte über das Böllerverbot gibt es selten Überraschungen. Sämtliche Argumente der Verbotsbefürworter:innen (Klima, Verletzungen, arme Tiere, geht mir auf die Nerven) und der Böller-Freunde (macht Spaß, machen wir schon immer so, muss das denn auch noch verboten werden) sind schon tausendmal ausgetauscht. Am Ende bleibt das Böllern erlaubt.
Doch etwas ist anders in diesem Jahr: Während Forderungen nach einem Ende der Knallerei bisher vor allem aus dem linksliberalen Lager kamen, fordern nun auch immer mehr konservative Stimmen ein Verbot. Grund sind die Ausschreitungen in der vergangenen Silvesternacht, bei der Jugendliche wiederholt Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern attackierten.
So wiederholte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zum Jahresende ihre Forderung nach einem bundesweiten Böllerverbot, um die Einsatzkräfte zu entlasten. „Wir können nicht jedes Jahr die gleiche ergebnislose Leier spielen, wenn das Leben von Menschen durch frei verkäufliche Pyrotechnik gefährdet wird“, heißt es in einer schon Anfang des Jahres gestarteten Petition.
Spätestens jetzt, könnte man meinen, ist das Böllerverbot beschlossene Sache. Denn erwartungsgemäß lockten alle Bedenken gegenüber Umwelt und Klima nur wenige Konservative hinter dem Ofen hervor. Recht, Ordnung und das Wohlergehen der Polizei hingegen sind urkonservative Anliegen. Oder nicht?
Doch für die Berliner CDU ist ein Böllerverbot weiterhin kein Thema. Ihr innenpolitischer Sprecher Burkard Dregger verwies in einem rbb-Interview lediglich auf die fehlende Kompetenz Berlins, ein flächendeckendes Verbot umzusetzen. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner spricht sich bei jeder Gelegenheit gegen ein Böllerverbot aus.
Verräterische Debatte
Stattdessen setzt die CDU auf lokal begrenzte Verbotszonen, die mit einem martialischen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden sollen. Fast schon genüsslich kündigte Dregger am Mittwoch den Einsatz von „Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas“ an. Auch Präventivgewahrsam soll es geben.
Ein weitverbreitetes Missverständnis ist, dass es Konservativen wie der Berliner CDU um die Durchsetzung von „law and order“, also Recht und Ordnung ginge. Vielmehr offenbart die Debatte das eigentliche Wesen konservativer Politik: Die Privilegien des Kernklientels aufrechtzuerhalten, die unteren Klassen unten zu halten und gesellschaftliche Minderheiten auszugrenzen. Alles andere ist ideologisches Beiwerk.
Ein flächendeckendes Böllerverbot, dass sowohl dem Spandauer Eigenheimbesitzer als auch den Jugendlichen in der High-Deck-Siedlung trifft, passt da natürlich nicht ins Konzept. Polizeiliche Maßnahmen und lokale Verbotszonen hingegen schon, weil sie vor allem auf arme und migrantische Menschen abzielen.
Das erklärt auch, warum die GdP bei der CDU mit ihrer Forderung auf taube Ohren stößt. Denn die Rolle der Polizei in diesem konservativen Spielbuch ist nicht etwa die Sicherung der öffentlichen Ordnung, sondern die Aufrechterhaltung der Klassenverhältnisse.
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