Debatte über hohe Gaspreise: London ist schneller als Berlin
Während Großbritannien bereits handelt, ist die Ampel noch uneins über Energiezuschüsse für Privathaushalte. Die FDP bremst – wegen der Schuldenbremse.
„Heizkostenpauschalen und Zuschüsse vor allem für einkommensschwache Menschen wie Rentner, Studierende und Wohngeldempfangende“ forderte Ramona Pop, die Chefin der Verbraucherzentralen. Auch müsse „es ein Moratorium geben, dass niemandem der Strom oder das Gas abgestellt oder die Wohnung gekündigt wird“.
Ökonom Marcel Fratzscher sagte, die Sozialleistungen sollten dauerhaft um 100 Euro pro Person und Monat erhöht werden. Eine ähnliche Summe solle die Regierung auch an alle Privathaushalte mit weniger als 40.000 Euro Einkommen im Jahr bis Ende 2023 auszahlen, erklärte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Außerdem regte er einen Gaspreisdeckel an, um die Kosten für ärmere Haushalte zu begrenzen. Auch Gesine Lötzsch, die Vizechefin der Linken im Bundestag, forderte die Deckelung der Gaspreise.
Ab Oktober wird auf die hiesigen Haushalte eine zusätzliche Kostensteigerung zukommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezifferte sie auf 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde Erdgas für Heizung, Warmwasser und Kochen. Für sparsame Haushalte mit einem Verbrauch von etwa 10.000 Kilowattstunden Gas jährlich würde das auf ungefähr 12 bis 40 Euro Mehrkosten pro Monat hinauslaufen. Für Mehrpersonenhaushalte, die beispielsweise 20.000 Kilowattstunden brauchen, stiegen die Rechnungen dann um 25 bis 80 Euro pro Monat.
Diese Erhöhung ist ein Ergebnis der Umlage, die die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP beschlossen hat. Damit will sie die Mehrkosten einzelner Versorger beim Gaseinkauf gleichmäßig auf alle Kunden verteilen. Zunächst geht es um das Unternehmen Uniper. Weitere Gaslieferanten müssen wahrscheinlich ebenfalls gestützt werden. Zusätzlich zur Umlage steigen aber auch die normalen Gasrechnungen weiter.
Erhielte die Hälfte der deutschen Haushalte einen Zuschuss von beispielsweise 100 Euro monatlich für ein halbes Jahr, kostete dies den Bundeshaushalt rund 12 Milliarden Euro. Derartige Summen stehen im Haushalt für 2023 erst mal nicht zur Verfügung, weil Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten will.
So diskutieren die drei Regierungsparteien derzeit, was finanziell möglich ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kürzlich eine Wohngeldreform und Heizkostenzuschüsse in Aussicht gestellt. Einzelheiten blieb er jedoch schuldig – wohl, weil in der Regierung noch keine Einigkeit besteht.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die kärglichen Hartz-IV-Zahlungen zu einem großzügigeren Bürgergeld ausbauen. Die FDP sieht das teilweise kritisch. SPD-Covorsitzende Saskia Esken zog schon mehrmals in Zweifel, dass die Schuldenbremse im kommenden Jahr einzuhalten sei. Zwei Entlastungspakete im Umfang von etwa 30 Milliarden Euro hat die Regierung bereits auf den Weg gebracht.
Habeck hält zudem längere Hilfen für die energieintensive Industrie für nötig. Der von der EU-Kommission bislang erlaubte Rahmen sei zunächst bis Anfang September angelegt gewesen. „Das reicht natürlich nicht aus“, sagte der Grünen-Politiker beim Besuch eines Glasproduzenten in Thüringen am Freitag.
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