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Debatte über Solares GeoengineeringFinger weg vom Dimmer!

Wissenschaftler fordern ein Abkommen, das das Verringern der Sonneneinstrahlung zum Abkühlen des Klimas verbietet. Dafür haben sie gute Gründe.

Solares Geoengineering kann das Aus für Kohle, Gas und Öl nicht verhindern Foto: Michael Probst/ap

Basel taz | Solares Geoengineering muss weltweit verboten werden. Das verlangt eine Gruppe von Wissenschaftlern von der Staatengemeinschaft. Bei diesem Eingriff in die Atmosphäre werden Aerosole, etwa Schwefeldioxid, ausgebracht, um das Sonnenlicht zu dimmen und so das Klima zu kühlen. Dass das funktioniert, ließ sich beim Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen von 1991 beobachten. Der von dem Vulkan in die Stratosphäre geschleuderte Schwefel reduzierte die globale Durchschnittstemperatur im Folgejahr um ein halbes Grad.

Die gleiche Menge mit Flugzeugen zu versprühen wäre sogar günstig: „Aerosole in der Stratosphäre auszubringen ist so billig, dass es Dutzende Länder gibt, deren Haushalt für die Luftwaffe dazu ausreichen würde“, sagt Klimaökonom Gernot Wagner. Die Frage sei „nicht ob, sondern wann“ das gemacht würde.

Um das zu verhindern, schlagen die Wissenschaftler einen Staatsvertrag vor, mit dem sich die Länder dazu verpflichten, weder die Erforschung des solaren Geoengineerings finanziell zu unterstützen noch dessen Einsatz. Ein solches Verbot wäre nicht neu: Es ist auch nicht erlaubt, am Südpol Rohstoffe abzubauen, ozonschädigende Gase zu emittieren oder Abfälle im Meer zu entsorgen. Die größte Sorge bereitet den Wissenschaftlern, dass „solares Geoengineering im Rahmen des derzeitigen internationalen politischen Systems nicht auf eine global integrative und gerechte Weise geregelt werden kann“. Denn dazu müsste die Menschheit gemeinsam festlegen, wie stark und für wie lange das Klima gekühlt wird und wie Menschen und Länder entschädigt werden, denen dadurch ein Nachteil entsteht.

Als weitere Gefahr sehen die Wissenschaftler, dass weniger für die Reduktion der Emissionen getan wird als möglich, solange die Option Geoengineering nicht formell ausgeschlossen ist. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes und ein Mitunterzeichner des Aufrufs, sagt: „Solares Geoengineering lenkt von der Ursache für die Klimakrise ab. Wir müssen aufhören, Öl, Kohle und Gas zu verfeuern.“

Vorlage für Konflikte

Zudem besteht die Gefahr internationaler Konflikte. Wenn einzelne Länder das Klima mittels Geoengineering kühlen, könnten andere es absichtlich aufheizen, um den Effekt zu konterkarieren. Länder mit unterschiedlichen Interessen würden in gegensätzliche Richtungen am Thermostat der Erde drehen.

Dass es grundsätzlich Regeln für gezielte Eingriffe in das Weltklima geben sollte, ist weitgehend Konsens. Der Chef der Carnegie Climate Governance Initiative, Janos Pasztor, sagt, hinter den Kulissen werde bereits verhandelt. Ziel sei es, Geoengineering 2023 in der UN-Generalversammlung zu diskutieren. Zentrale Frage: „Sind die Risiken einer 2 Grad wärmeren Welt schlimmer als die Risiken des Geoengineerings?“ Erste Anhaltspunkte könnte ein Bericht des Weltklimarats IPCC liefern, der Anfang April erscheint.

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5 Kommentare

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  • Damit würde dann aus der Chemtrailverschwörungstheorie(de.wikipedia.org/wiki/Chemtrail) Praxis werden und die Anhänger sich bestätigt fühlen. Die damit verbundene Befriedigung trägt dann auch zur Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Psychohygiene bei. Man muß sich natürlich fragen ob man das nicht alles billiger hätte haben können: Bei Schwefel fällt mir die gute alte (Braun)Kohleheizung ein ,deren Emissionen bis vor ein paar Jahrzehnten den Winter auch olfaktorisch prägten. Und wenn man bei Autos die Katalysatoren weglässt und Diesel wieder rehabilitiert...



    Die Natur macht es uns doch bei Vulkanausbrüchen vor und was natürlich ist ,kann doch nicht schädlich sein,oder? ;-)

  • Die Argumente der Wissenschaftler sind alle richtig, aber es sind keine wissenschaftlichen, sondern politische Argumente. Das einzige wissenschaftliche Argument haben die Wissenschaftler unehrlicherweise nicht genannt: Die Langzeitfolgen von Geoengineering sind nicht vorhersehbar, weil das System zu komplex ist, als dass sichere Vorhersagen möglich wären.

  • Der Schrecken, den Geoengineering bringen kann, ist, dass es nie wieder gestoppt werden darf. Schaffen wir es, 500 Jahre lang garantiert jedes Jahr weiter das Geoengineering weiterzuführen?

    Gibt es heute irgendeinen Staat, der 500 Jahre lang stabil blieb?

    Wenn das Geoengineering doch gestoppt wird, zieht der Klimawandel noch viel schneller wieder nach als aktuell.

  • Das ist ja spannend. Danke für den Bericht.

    Wir sind dabei das 1.5 Grad-Ziel deutlich zu verfehlen. Auf welchen Pfad wir letztlich kommen? Wenn wir jetzt schon > 400ppm sind, wann erreichen wir denn einen steady state der CO2-Neutralität? Bei 500, 600, 700ppm? Denn ein Überschießen über das CO2 Budget wird ja weiter CO2 in der Atmosphäre akkumulieren. Und sind wir dann schon über einem Kipp-Punkt, der sich selbst beschleunigt?

    China und Indien haben ihren Peak-Ausstoß noch nicht erreicht. Wir in DE bekommen so etwas einfaches wir Südlink nicht fertig gebaut. Ich habe da nicht mehr viel Hoffnung.

    Ich gehe davon aus, dass Geo Engineering in einigen Jahrzehnten der einzige Ausweg bleiben wird. Künstliche Albedo, künstliche Vulkanasche, Sonnenspiegel im Orbit, was auch immer...

    Warum das jetzt kategorisch ausschließen wollen?

    Meine Hypothese: Geo Engineering könnte als Ausrede dienen, jetzt nicht voll auf die CO2-Bremse zu treten. Ich halte das aber für unredlich, Geo Engineering auszuschließen, nur um die politische Kommunikation pro CO2 Neutralität als angeblichen Königsweg zu unterstützen.

    Ich denke wir brauchen beides.



    * Umbau der Wirtschaft - international - Richtung annähernde CO2 Neutralität ASAP



    * Wenn wir uns eingebremst haben bei einem stabilen ppm Niveau, dann Geo-Engineering, um Erwärmung zu stabilisieren.

    Ohne Geo Engineering packen wir das nicht mehr. Und sorry, Tonga etc, wird ohnehin weg sein.

    • @redoxreaktion:

      Volle Zustimmung.