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Debatte über AfD-VerbotEin gefährliches Spiel

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Thüringens Innenminister hat eine Debatte über ein AfD-Verbot losgetreten. Das war unüberlegt und dumm. Die radikal rechte Partei wird’s freuen.

Der Innenminister von Thüringen Georg Maier (SPD) hat das AfD-Verbot ins Gespräch gebracht Foto: Martin Schutt/dpa

S elbstverständlich kann das, was die AfD vergangene Woche in- und außerhalb des Bundestags veranstaltet hat, jede Demokratin und jeden Verteidiger des hiesigen Parlamentarismus in Rage und Sorge versetzen. Die radikal Rechten versuchten, auf den Demos draußen und mit Reden und Protesten drinnen das Parlament in die Zange zu nehmen – mit abscheulichen Vergleichen zwischen dem Infektionsschutzgesetz, was am Mittwoch verabschiedet wurde, und dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933. Mit Letzterem entmachtete sich das Parlament bekannterweise selbst und übertrug den Nazis eine Machtfülle, die in Krieg und Holocaust endete. Damit, dass AfD-Politiker am vergangenen Mittwoch zudem Gäste in den Reichstag schleusten, die dann Abgeordnete, die für das Gesetz stimmen wollten, bedrängten, damit haben die Angriffe der AfD auf die parlamentarische Demokratie eine neue Stufe erreicht.

Also ja: Man konnte entsetzt und aufgebracht sein und den Impuls entwickeln, jetzt etwas tun zu müssen. Doch die Debatte über ein AfD-Verbot, die Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier jetzt losgetreten hat, und die von seinem CDU-Kollegen aus NRW flankiert wurde, ist unüberlegt, dumm und geht nach hinten los. Denn die Forderung nach einem AfD-Verbot ist weder juristisch durchsetzbar noch politisch sinnvoll.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2017, als es ein Verbot der NPD ablehnte, zwei Kriterien für ein Parteiverbot festgelegt. Erstens: Die Partei muss eine Machtoption haben. Also in der Lage sein, ihre Ziele durchzusetzen. Und zweitens: Diese Ziele sowie die Ideologie der Partei müssen gegen die vom Grundgesetz geschützte Menschenwürde verstoßen.

Eine Machtoption, das muss man leider sagen, hat die AfD mit ihren hohen Ergebnissen zumindest in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen hat sie im Februar ja sogar an der Wahl eines Kurzzeit-Ministerpräsidenten mitgewirkt. Und ohnehin ist die AfD heute gefährlicher, als es die NPD zur Zeit des Verbotsverfahrens war.

Der Bund ist nicht Thüringen

Aber die Gesamtpartei als rechtsextrem einzustufen und ihr nachzuweisen, dass ihre Ideologie und ihre Ziele gegen die Menschenwürde verstoßen – das dürfte schwierig werden. Unbestritten hat der Einfluss der Rechtsextremisten in der AfD zugenommen, manche Landesverbände haben sie vollständig im Griff.

Politisch ist die Debatte schon jetzt nach hinten losgegangen

Auf Bundesebene aber ist die Lage deutlich vielschichtiger, hier tobt ein Machtkampf, der noch nicht entschieden ist. Zuletzt hat der Bundesvorstand sogar dafür gesorgt, dass zwei Schlüsselfiguren der Rechtsextremisten, Andreas Kalbitz und Frank Pasemann, aus der Partei ausgeschlossen werden.

Nicht ohne Grund verschiebt der Verfassungsschutz eine Entscheidung zum weiteren Umgang mit der Gesamtpartei, die ursprünglich bereits im Sommer vorgelegt werden sollte, immer wieder. Wenn aber die Behörden bislang keine gerichtsfesten Belege für eine Einstufung als rechtsextrem haben, wie kann man als Innenminister da ein Verbotsverfahren ins Gespräch bringen?

Dass die Lage in Thüringen, wo der Landesverband am Wochenende Björn Höcke mit 84 Prozent erneut zu seinem Chef gewählt hat, klarer ist, darf da nicht den Blick auf die Gesamtpartei verstellen. Und selbst was Höcke angeht, ist die Sache kompliziert. Denn der Mann – nach gängigen Kriterien ohne Zweifel ein Rechtsextremist – bewegt sich oft in juristischen Grauzonen.

Bei Angriffen schließen sich die Reihen

Politisch ist die Debatte schon jetzt nach hinten losgegangen. Die AfD, die derzeit nicht besonders gut dasteht und der das Schlüsselthema abhanden gekommen ist, kann sich als Opfer inszenieren und die Innenminister als Antidemokraten darstellen, was sie ohnehin mit Vertretern anderer Parteien gerne macht. Zudem gilt in der AfD eigentlich immer: Angriffe von außen führen dazu, dass sich in der Partei die Reihen schließen. Die Spaltung der AfD zu fördern, wäre vielleicht die bessere Strategie.

Und völlig unabhängig von der AfD: Niemand, der die Demokratie verteidigen will, kann sich wünschen, dass eine Partei leichtfertig verboten werden kann. Selbst wenn man sie für gefährlich hält.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Kontrollfrage ist meines Erachtens folgende: Ist es zu erwarten, dass eine AfD-Regierung sich freien Wahlen stellt und abtritt, wenn sie sie verliert. Wenn man diese Frage verneinen muss, muss auch die Diskussion beginnen, ob die Partei ungehindert kandidieren sollte.



    Stand jetzt würde ich sagen: Unter einer AfD-Regierung wäre mit Sicherheit die Pressefreiheit eingeschränkt, was ein wichtiges Kriterium freier Wahlen ist. Unter einem Kanzler Höcke wäre auch Wahlrechtsentzug für erhebliche Teile der Bevölkerung vorstellbar. Insofern: Die AfD brüllt der Demokratie zwar nicht zu "wir kommen als Feinde" (Goebbels), aber es ist nicht zu früh für die Debatte.

    Beste Grüße

    Johann Knigge-Blietschau

    • @Johann Knigge-Blietschau:

      Hallo,

      richtig: AFD-Politik würde mit allen Kriterien der Demokratie sukzessive Schluß machen - mit der Gewaltenteilung, mit freier Presse, mit freien und geheimen Wahlen, mit Rechtstaatlichkeit. Dann wäre es zu spät - das hatte man ja schon mal vor neunzig Jahren.

      Allerdings käme es zu einer solchen Wiedergeburt doch eben mit Hilfe der Wähler. Schon klar: wenn diese keine AFD mehr würden wählen können ( weil scheinbar keine da wäre ), könnte man diesen Punkt abgehaken. Nicht unterbinden kann ein Verbot aber die rechte Wühlarbeit in der Gesellschaft; dort käme der Rechten aber zupass, daß sie nur jene Fragen aufgreift und populistisch reduziert, welche von den etablierten Parteien verschlafen werden.

      Merke: nur wenn die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht, greifen die beiden Enden des politischen Hufeisens diese auf, reduzieren komplexe Fragen auf einfachste Muster und freuen sich des Zuspruchs an der Wahlurne.

      Netter Gruß,



      Thomas Dräger, D-67098

  • Hallo,

    da gibt es einen Link [ 1 ], der die Perspektive noch einmal erweitert.

    Ich frage mich, ob ein Verbot nicht zur Folge hätte, daß die AFD geeignete Personen dann eben klandestin in Jugendeinrichtungen einschleusen würde - was die Abwehr dann erschwerte.

    [ 1 ] www.uni-hamburg.de...jugendpolitik.html

    Netter Gruß,

    Thomas Dräger, D-67098

  • Hallo,

    als während meiner Gymnasialzeit die NPD aufkam und wir während deren Wahlveranstaltungen auf der Straße



    gegen diese protestierten, gab es diese Diskussion ebenfalls ( obwohl man sich damals solche Entgleisungen nicht vorstellen konnte, wie sie sich die AFD jetzt leistet ). Man konnte sich damals auch damit abfinden, daß die Mehrzahl der Neonazis mehrheitlich zu dumm war, um ihr eigenes Parteiprogramm zu lesen. Heute ist die AFD mehrheitlich zumindest gerissener.

    Ein immer noch zu Denken gebendes nüchternes Argument gegen ein solches Verbot war die Perspektive, die Neonazis würden sich dann im Verborgenen um so leichter entwickeln können.

    Ich weiß mir bis heute keine schlüssige Antwort - außer dem Wissen, daß jedwedes Mittel ( medizinisch wie politisch ) Nebeneffekte hat, wenn es überhaupt wirkt. Was keine Nebenwirkungen zeitigt, hat auch keine Wirkungen. Es ist das alte Problem: die wirklichen Probleme bekommt man dann, wenn man einen naheliegenden Gedanken nicht zu Ende denkt.

    Netter Gruß,



    Thomas Dräger. D-67098

  • Man sollte sie nicht verbieten. Man sollte sie nur nicht in jede Talk-Show einladen, man sollte nicht mit ihren Repräsentanten reden. Nicht so tun, als wären das wirklich demokratische Politiker.

    Man sollte auf sie nur reagieren wie auf ein gebrauchtes Taschentuch, das auf der Straße liegt. Man sollte sich angewidert abwenden.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    nein ich teile ihr Gebot nicht Frau von Oder. Die AFD ist zu radikal, die AFD schränkt massiv ein und nein ich bin nicht der Meinung man müsse das aushalten.