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Debatte Syrien und RusslandFutter für den Islamischen Staat

Kommentar von Karim El-Gawhary

Eine konstruktive Einigung zwischen Russland und den USA ist unwahrscheinlich. Für den Moment gewinnen Assad und der IS.

Bald koordiniert mit Russland? Französische Kampfjets im Einsatz gegen den IS. Foto: ap

W ir sind uns einig, dass wir uneinig sind – so lässt sich der Stand der internationalen Diplomatie in Sachen Syrien zusammenfassen. US-Präsident Barack Obama will eigentlich nicht, sein russischer Amtskollege Wladimir Putin will aber auf jeden Fall mit dem Diktator Baschar al-Assad zusammenarbeiten. Ähnlich ist Europa in dieser Frage gespalten, mit Bundeskanzlerin Merkel, die sich durchaus vorstellen kann, mit Assad gegen den IS zu kämpfen, und mit François Hollande, der das strikt ablehnt.

Das europäische und vor allem das deutsche Dilemma: Mit den Flüchtlingen ist der syrische Krieg, den man vier Jahre lang so gerne vergessen hat, in Europa angekommen, und gesunder Menschenverstand besagt, dass die Quelle versiegen muss, die zur Vertreibung der Menschen führt.

Einig ist man sich, dass der Krieg in Syrien nur beendet werden kann, wenn auch die bisherigen Unterstützer des Regimes in Damaskus – im UN-Sicherheitsrat Russland und in der Region der Iran – mit an Bord sind. Genau da liegt der Haken: Denn wenn man diese beiden an Bord hat, droht man die Verbündeten der Rebellen, die Türkei und Saudi-Arabien, zu verlieren.

Vielleicht noch problematischer: Um einen Waffenstillstand und eine mögliche Übergangsregierung mit oder ohne Assad auszuhandeln, braucht man einen Gesprächspartner bei der syrischen Opposition und bei den Rebellen, jenseits von IS und al-Qaida. Diese moderaten Oppositionsgruppen verweigern nach über 200.000 Toten jegliche Gespräche mit Assad. Sie fordern die komplette Auflösung seines Sicherheitsapparates und der syrischen Armee. Das Problem dabei ist, dass diese syrischen Rebellengruppen so unübersichtlich und zum Teil desolat sind, dass sie sich bisher nicht als Alternative zum Regime Assad anbieten. Ein Waffenstillstand oder eine Übergangslösung bedarf aber einer zweiten Seite in Syrien.

Unwahrscheinliche Lösungen

Der deutsche Außenminister Steinmeier fasst die diplomatische Sackgasse zusammen, indem er einen nicht namentlich genannten syrischen Oppositionellen zitiert: „Es kann keinen Waffenstillstand ohne Assad geben, aber auch keine syrische Zukunft mit ihm.“

Was bleibt? Im Moment wohl nur, Russland und den Iran davon zu überzeugen, ihren Alliierten Assad fallenzulassen; oder die syrische Opposition, die Türkei und Saudi-Arabien zu überreden, doch zumindest eine Übergangslösung zusammen mit dem syrischen Regime zu akzeptieren. Beides ist derzeit unwahrscheinlich.

Indes schafft Russland in Syrien Fakten. Mit der russischen Stationierung von Kampfflugzeugen und Truppen, bisher zu Absicherung der russischen Militärbasis in Latakia, ist Putin ein echter politischer Coup gelungen, der Fakten schafft, denen man sich im Westen kaum entziehen kann. Jegliche militärische Intervention, außer der russischen und iranischen, ist vom Tisch, und damit ist diese Gefahr für Assad gebannt. Auch über Flugverbots- und humanitäre Pufferzonen in Syrien braucht man jetzt nicht mehr sprechen, wenn sich die russische Luftwaffe und Fassbomben abwerfende Regime-Hubschrauber den Luftraum teilen.

Die US-Luftwaffe ist nun sowohl in Syrien als auch im Irak dazu gezwungen, sich mit der russischen zu koordinieren. Sie wird damit beschäftigt sein, was man militärisch als „deconflict“ bezeichnet, also sicherzustellen, dass es keine Kollisionen oder gar militärischen Zusammenstöße mit den russischen Militärs gibt. Assads Regime ist damit im Namen des Kampfes gegen den IS abgesichert, der Westen damit gezwungen, ihn als Teil der Zukunft Syriens zu akzeptieren.

Russland als Rekrutierungshilfe

Auch wenn das syrische Regime und dessen Wüten im eigenen Land verantwortlich ist für die Entstehung des IS und die Radikalisierung der syrischen Rebellen – die Rechnung Assads ist aufgegangen. Er hat die anfänglich friedliche Opposition gegen ihn gezwungen, sich zu militarisieren, und die Rebellen damit so sehr in die Radikalisierung getrieben, dass er am Ende als die bessere Alternative dasteht.

Und wen werden die russischen Jets demnächst bombardieren? Hat die westliche Politik bisher vergeblich versucht, moderate Rebellen jenseits des IS und der al-Qaida zu einer Einheit zu organisieren, spricht nun vieles dafür, dass die russische Luftwaffe diese Unterscheidung nicht treffen und bald alle Gegner Assads als Terroristen bombardieren könnte.

Ein besseres Rekrutierungsgeschenk kann man dem IS kaum machen.

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7 Kommentare

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  • Die ganze Diskussion wird leider auch in der taz nur noch ideologisch-emotional geführt.

     

    Wenn bewaffnete islamistische Milizen die obendrein aus dem westlichen Ausland fremdfinanziert wurden, von der regulären Armee Syriens bekämpft werden, so heißt das im westlichen Sprachkonsens "Assad lässt das eigene Volk abschlachten!".

     

    Für die wahre Urheberschaft der Giftgasmorde an Kindern hat selbst die UN niemanden konkret dingfest machen können, trotzdem wird die Sache immer und immer wieder mit vielen Konjunktivbegriffen in Richtung Assad kolportiert, irgendwas bleibt halt immer hängen…

     

    Aktuell macht Putin jetzt Nägel mit Köpfen und geht militärisch gegen den IS vor. Natürlich wird ihm daraus jetzt wieder ein Strick gedreht und es werden ihm sämtliche möglichen Hürden in den Weg gestellt.

     

    Hätte man gleich auf Diplomatie und gemeinsames Vorgehen gesetzt, wäre Assad schon längst Geschichte, die unzähligen IS-Todesopfer noch am Leben und Europa ohne das sogenannte Flüchtlingsproblem.

     

    Russland und China hängen bestimmt nicht an Assad, weil er so ein Sympathieträger ist, sondern weil sie aus verständlichen Gründen kein Interesse an einer US/NATO-Marionette in Syrien haben, die nur strategische und wirtschaftliche Hegemonialinteressen vertritt und sich nicht weiter um den islamistischen Terror unter dem die Bevölkerung leidet, schert, siehe Afghanistan, siehe Maghreb und Westafrika, siehe Irak etc.

  • ,,Auch wenn das syrische Regime und dessen Wüten im eigenen Land verantwortlich ist für die Entstehung des IS und die Radikalisierung der syrischen Rebellen – die Rechnung Assads ist aufgegangen."

     

    Hierdurch wird suggeriert, dass Assad alleinschuldig an der Entstehung des IS sei. Ist dies nur ungeschickt formuliert oder die Intention des Autors?

    Ist nicht auch der NATO Partner Türkei oder der auch das hier als eine Art logischer Verbündeten Saudi Arabien durch seine Terrorfinanzierung hierfür mitverantwortlich? Genauso wie die jahrzehntelange Interventionspolitik des Westens, welcher maßgeblich zur Destabilisierung beispielsweise des Iraks beigetragen hat?

    Nicht falsch verstehen, das soll keine Verteidigung Assads sein. Er ist ein Schlächter! Aber die Situation in Syrien ist doch einfach so viel komplizierter als häufig dargestellt.

    • @Manuel:

      " Ist dies nur ungeschickt formuliert oder die Intention des Autors?"

       

      Letzteres.

  • "...die Rechnung Assads ist aufgegangen. Er hat die anfänglich friedliche Opposition gegen ihn gezwungen, sich zu militarisieren..."

     

    Assad hat also ohne Not einen Bürgerkrieg provoziert, in dem er neben der Macht auch noch sein Vermögen und sein Leben verlieren kann? Sehr steile These. Vor allem wenn man bedenkt, dass er sich mit der moderaten Opposition geeinigt hatte. Und natürlich war es Assad, der die Radikalen stark gemacht hat. Nicht etwas die Saudis und Erdogan.

  • Die Türkei bombardiert die Kurden, die gegen den IS kämpfen. Dies ist mindestens so problematisch wie die Präsenz der Russen - bleibt aber in dem Artikel unerwähnt.

  • "Moderate Rebellen" ? Meinen Sie die, die von den USA Waffen erhalten und sie dann an den IS oder al-Nusra weitergeben ?

    Im Ernst Herr El-Gawhari: Es ist schon lange bekannt, daß moderate Rebellengruppen im syrischen Bürgerkrieg keine Rolle mehr spielen. Das liegt daran, daß sie entweder geflohen oder zu den Islamisten übergelaufen sind.

    Die PKK als einzige ernstzunehmende Ausnahme ist in die russischen Pläne eingebunden.

    Das von Ihnen befürchtete "Rekrutierungsgeschenk" für den IS wäre daher auch sehr überschaubar.

     

    Schade, Ihre Analyse war eigentlich ganz passabel aber der letzte Absatz hat Ihren Artikel entwertet.

    • @jhwh:

      Die Kommentare von Manuel und JHWH zeigen die mangelhaften Schlüsse des obigen Artikels auf.

       

      Zudem überschätzt der Autor die Rolle des UN-Sicherheitsrates bzw. eine legitimierte humanitäre Intervention des genannten vgl. in Afghanistan oder Irak, wo dadurch, gelinde gesagt, unbefriedigende Ergebnisse erzielt wurden. Demokratisierungsbewegungen à la arabischer Frühling lassen zwar wunderbares aus dem (vornehmlich amerikanischen) Blickwinkel vermuten, allerdings ist die Realität danach doch vielerorts trister als zuvor. Syrien betreffend, ist eine moderate Opposition nicht mehr ersichtlich, weswegen es offensichtlich mehr Sinn macht radikale Kräfte zu zähmen und anschließend den zweiten Schritt (Vorgehen bezüglich der politischen Elite des Landes) zu überlegen.